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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Der Tauchbootkrieg

sondern muß in einen Hafen gebracht werden, wo gehörig über die Recht¬
mäßigkeit der Wegnahme entschieden werden kann (Artikel 48). Ausnahmsweise
darf jedoch das Schiff, das der Einziehung unterliegen würde, zerstört werden,
wenn das Verbringen in einen Hafen das Kriegsschiff einer Gefahr aussetzen
oder den Erfolg der Operationen, worin es derzeit begriffen ist, beeinträchtigen
könnte (Artikel 49).

Die nehmende Kriegsmacht wird nun schon aus eigenem Interesse vor¬
ziehen, das beschlagnahmte Schiff, wo immer es angeht, einzuziehen, statt die
meist begehrenswerte Beute zu zerstören. Die Fälle der Zerstörung werden
sich aber für einen Staat mit wenigen Flottenstützpunkten, wie es Deutschland
ist, häufen, doppelt häufen, wenn das Nehmeschiff ein Tauchboot ist, das oft
nicht einmal in einen nahen Hafen das gekaperte Schiff einbringen kann, schon
weil es ihm an der nötigen Prisenbesatzung dafür gebricht. So wird der für
sonstige Kriegsschiffe als Ausnahme gedachte Fall der Zerstörung für das
Tauchboot zur Regel, was selbstverständlich das Recht der Zerstörung nicht
ausschließt. Denn hierfür ist allein entscheidend, daß die rechtlichen Voraus¬
setzungen für die Zerstörung vorliegen.

Vor der Zerstörung des neutralen Schiffes müssen nun aber, wie Artikel 59
vorschreibt, die an Bord befindlichen Personen in Sicherheit gebracht, auch
sämtliche Schiffspapiere und sonstigen Beweisstücke auf das Kriegsschiff herüber-
genommen werden. Man hat behauptet, eine wirkliche Sicherung der Schiffs¬
msassen sei bei der Zerstörung durch ein Tauchboot nicht möglich, da jene
durchweg nur in Rettungsbooten untergebracht werden könnten, deshalb -verbiete
sich die Zerstörung. Allein mit dem Ausdruck "in Sicherheit bringen" kann
nicht absolute Sicherung gemeint sein, jede Sicherung ist nur eine bedingte,
auch die Sicherung, die den Insassen des gekaperten Schiffes z. B. durch
Herübernahme auf den Kreuzer zuteil wird. Sie sind auf diesem, wenn auch
nicht den Unbilden der See, so doch den Kriegsgefahren in erhöhtem Maße
ausgesetzt, zumal der warnungslosen Torpedierung durch Tauchboote.

Aber wie man auch die Erhöhung der Lebensgefahr für die Insassen eines
gekaperten Schiffes bei der Unterbringung in Rettungsbooten einschätzen mag,
so viel ist sicher, daß die kriegführenden Staaten wegen der größeren Gefähr¬
dung jener Personen nicht verpflichtet sind, die durch die Kriegsnotwendigkeit
gebotene Zerstörung des beschlagnahmten Schiffes zu unterlassen. Bei dem
Widerstreit der Interessen geht das in der Kriegsnotwendigkeit begründete
Interesse des Kriegführenden dem des Neutralen vor, wie in der Völkerrechts-
wiffenschaft allgemein anerkannt ist, überdies aus vielen Regelungen des
Völkerrechts erhellt. Wie wäre anders z. B. das völkerrechtlich zulässige Legen
von selbsttätigen Kontaktminen auf hoher See zu rechtfertigen, das trotz aller
vorschriftsmäßig angewendeten Sicherungsmaßregeln der friedlichen Schiffahrt
die furchtbarsten Gefahren bereitet! Gefahren, die überdies nicht nur dem
Bannware führenden, sondern auch dem völlig harmlosen neutralen Schiffe


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Der Tauchbootkrieg

sondern muß in einen Hafen gebracht werden, wo gehörig über die Recht¬
mäßigkeit der Wegnahme entschieden werden kann (Artikel 48). Ausnahmsweise
darf jedoch das Schiff, das der Einziehung unterliegen würde, zerstört werden,
wenn das Verbringen in einen Hafen das Kriegsschiff einer Gefahr aussetzen
oder den Erfolg der Operationen, worin es derzeit begriffen ist, beeinträchtigen
könnte (Artikel 49).

Die nehmende Kriegsmacht wird nun schon aus eigenem Interesse vor¬
ziehen, das beschlagnahmte Schiff, wo immer es angeht, einzuziehen, statt die
meist begehrenswerte Beute zu zerstören. Die Fälle der Zerstörung werden
sich aber für einen Staat mit wenigen Flottenstützpunkten, wie es Deutschland
ist, häufen, doppelt häufen, wenn das Nehmeschiff ein Tauchboot ist, das oft
nicht einmal in einen nahen Hafen das gekaperte Schiff einbringen kann, schon
weil es ihm an der nötigen Prisenbesatzung dafür gebricht. So wird der für
sonstige Kriegsschiffe als Ausnahme gedachte Fall der Zerstörung für das
Tauchboot zur Regel, was selbstverständlich das Recht der Zerstörung nicht
ausschließt. Denn hierfür ist allein entscheidend, daß die rechtlichen Voraus¬
setzungen für die Zerstörung vorliegen.

Vor der Zerstörung des neutralen Schiffes müssen nun aber, wie Artikel 59
vorschreibt, die an Bord befindlichen Personen in Sicherheit gebracht, auch
sämtliche Schiffspapiere und sonstigen Beweisstücke auf das Kriegsschiff herüber-
genommen werden. Man hat behauptet, eine wirkliche Sicherung der Schiffs¬
msassen sei bei der Zerstörung durch ein Tauchboot nicht möglich, da jene
durchweg nur in Rettungsbooten untergebracht werden könnten, deshalb -verbiete
sich die Zerstörung. Allein mit dem Ausdruck „in Sicherheit bringen" kann
nicht absolute Sicherung gemeint sein, jede Sicherung ist nur eine bedingte,
auch die Sicherung, die den Insassen des gekaperten Schiffes z. B. durch
Herübernahme auf den Kreuzer zuteil wird. Sie sind auf diesem, wenn auch
nicht den Unbilden der See, so doch den Kriegsgefahren in erhöhtem Maße
ausgesetzt, zumal der warnungslosen Torpedierung durch Tauchboote.

Aber wie man auch die Erhöhung der Lebensgefahr für die Insassen eines
gekaperten Schiffes bei der Unterbringung in Rettungsbooten einschätzen mag,
so viel ist sicher, daß die kriegführenden Staaten wegen der größeren Gefähr¬
dung jener Personen nicht verpflichtet sind, die durch die Kriegsnotwendigkeit
gebotene Zerstörung des beschlagnahmten Schiffes zu unterlassen. Bei dem
Widerstreit der Interessen geht das in der Kriegsnotwendigkeit begründete
Interesse des Kriegführenden dem des Neutralen vor, wie in der Völkerrechts-
wiffenschaft allgemein anerkannt ist, überdies aus vielen Regelungen des
Völkerrechts erhellt. Wie wäre anders z. B. das völkerrechtlich zulässige Legen
von selbsttätigen Kontaktminen auf hoher See zu rechtfertigen, das trotz aller
vorschriftsmäßig angewendeten Sicherungsmaßregeln der friedlichen Schiffahrt
die furchtbarsten Gefahren bereitet! Gefahren, die überdies nicht nur dem
Bannware führenden, sondern auch dem völlig harmlosen neutralen Schiffe


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[0175] Der Tauchbootkrieg sondern muß in einen Hafen gebracht werden, wo gehörig über die Recht¬ mäßigkeit der Wegnahme entschieden werden kann (Artikel 48). Ausnahmsweise darf jedoch das Schiff, das der Einziehung unterliegen würde, zerstört werden, wenn das Verbringen in einen Hafen das Kriegsschiff einer Gefahr aussetzen oder den Erfolg der Operationen, worin es derzeit begriffen ist, beeinträchtigen könnte (Artikel 49). Die nehmende Kriegsmacht wird nun schon aus eigenem Interesse vor¬ ziehen, das beschlagnahmte Schiff, wo immer es angeht, einzuziehen, statt die meist begehrenswerte Beute zu zerstören. Die Fälle der Zerstörung werden sich aber für einen Staat mit wenigen Flottenstützpunkten, wie es Deutschland ist, häufen, doppelt häufen, wenn das Nehmeschiff ein Tauchboot ist, das oft nicht einmal in einen nahen Hafen das gekaperte Schiff einbringen kann, schon weil es ihm an der nötigen Prisenbesatzung dafür gebricht. So wird der für sonstige Kriegsschiffe als Ausnahme gedachte Fall der Zerstörung für das Tauchboot zur Regel, was selbstverständlich das Recht der Zerstörung nicht ausschließt. Denn hierfür ist allein entscheidend, daß die rechtlichen Voraus¬ setzungen für die Zerstörung vorliegen. Vor der Zerstörung des neutralen Schiffes müssen nun aber, wie Artikel 59 vorschreibt, die an Bord befindlichen Personen in Sicherheit gebracht, auch sämtliche Schiffspapiere und sonstigen Beweisstücke auf das Kriegsschiff herüber- genommen werden. Man hat behauptet, eine wirkliche Sicherung der Schiffs¬ msassen sei bei der Zerstörung durch ein Tauchboot nicht möglich, da jene durchweg nur in Rettungsbooten untergebracht werden könnten, deshalb -verbiete sich die Zerstörung. Allein mit dem Ausdruck „in Sicherheit bringen" kann nicht absolute Sicherung gemeint sein, jede Sicherung ist nur eine bedingte, auch die Sicherung, die den Insassen des gekaperten Schiffes z. B. durch Herübernahme auf den Kreuzer zuteil wird. Sie sind auf diesem, wenn auch nicht den Unbilden der See, so doch den Kriegsgefahren in erhöhtem Maße ausgesetzt, zumal der warnungslosen Torpedierung durch Tauchboote. Aber wie man auch die Erhöhung der Lebensgefahr für die Insassen eines gekaperten Schiffes bei der Unterbringung in Rettungsbooten einschätzen mag, so viel ist sicher, daß die kriegführenden Staaten wegen der größeren Gefähr¬ dung jener Personen nicht verpflichtet sind, die durch die Kriegsnotwendigkeit gebotene Zerstörung des beschlagnahmten Schiffes zu unterlassen. Bei dem Widerstreit der Interessen geht das in der Kriegsnotwendigkeit begründete Interesse des Kriegführenden dem des Neutralen vor, wie in der Völkerrechts- wiffenschaft allgemein anerkannt ist, überdies aus vielen Regelungen des Völkerrechts erhellt. Wie wäre anders z. B. das völkerrechtlich zulässige Legen von selbsttätigen Kontaktminen auf hoher See zu rechtfertigen, das trotz aller vorschriftsmäßig angewendeten Sicherungsmaßregeln der friedlichen Schiffahrt die furchtbarsten Gefahren bereitet! Gefahren, die überdies nicht nur dem Bannware führenden, sondern auch dem völlig harmlosen neutralen Schiffe 11*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/175>, abgerufen am 08.06.2024.