Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Tauchbootkrieg

drohen, während die durch Tauchboote hervorgerufenen weit geringeren Gefahren
doch nur die Insassen eines Baumgut befördernden Schiffes treffen. Wer aber
in der Zuführung von Baumgut an eine der Kriegsparteien seinen Vorteil sucht,
der hat wahrlich keinen Grund, sich über Maßregeln zu beschweren, die die
andere Kriegspartei nur notgedrungen zur berechtigten Unterdrückung solcher
Zufuhr anwendet. Und gleich wenig Anlaß zur Beschwer hat der Fahrgast,
der seine, Person einem Schiffe anvertraut, das wegen der Menge oder des
Wertes der Bannware der Einziehung oder Zerstörung unterliegt. Nur soviel
darf man fordern, daß die Gefahren auf ein Mindestmaß beschränkt werden,
daß demnach so viel wie möglich sür die Sicherung der Schiffsinsassen gesorgt,
diese z. B. bei hohem Seegange nicht fern von der Küste ihrem Schicksale
überlassen werden und anderes mehr -- Regeln, die von den Besatzungen
unserer Tauchboote stets befolgt werden.

Das alles gilt von den neutralen Schiffen und nur von diesen.

Über die Zulässigkeit der Zerstörung feindlicher Schiffe sagt die Londoner
Seekriegsrechtserklärung nichts, auch andere Völkerrechtsquellen enthalten darüber
keine Bestimmungen. Kaum erwähnenswert, weil selbstverständlich, ist, daß den
Kriegführenden erst recht gegenüber feindlichen Schiffen erlaubt sein muß, was
ihnen gegenüber neutralen Schiffen zusteht. Fraglich kann nur sein, ob gegen
feindliche Handelsschiffe ein weitergehendes Angriffs- und Zerstörungsrecht
besteht, namentlich ob ein Kriegsschiff -- auch abgesehen von den Fällen des
Widerstandes und des Fluchtversuches des feindlichen Handelsschiffes -- dieses
sofort, d. h. ohne Anruf und Warnung und ohne vorherige Sicherung der
Schiffsinfassen zerstören darf. Um diese Frage richtig beantworten zu können,
ist zu beachten, daß sie überhaupt erst seit der Erfindung des Unterseebootes
auftauchen konnte. Für Obersee-Kriegsschiffe, die früher allein die Nehmeschiffe
bildeten, ist ein sofortiges Zerstören durch die Kriegsnotwendigkeit nicht geboten.
Der Kreuzer wird in seiner Wirksamkeit schwerlich je beeinträchtigt, wenn er
das feindliche Handelsschiff zunächst anhält, durchsucht und -- falls es nicht
weggebracht, sondern zerstört werden soll -- zuvor die Schiffsinsassen in Sicher¬
heit bringt. schußbereit in angemessenen Abstand neben dem Handelsschiffe
liegend läuft er weder Gefahr, bei der AnHaltung und der durch das abgesandte
Kommando erfolgenden Durchsuchung des Schiffes von diesem angegriffen zu
werden, noch braucht er angesichts seiner weittragenden Geschütze oder seiner
überlegenen Schnelligkeit einen Fluchtversuch des Schiffes zu fürchten. Ein
sofortiges Zerstören des Schiffes ohne Warnung und Sicherung der Insassen
verbietet sich somit als zwecklose Härte von selbst; es konnte für das Obersee¬
kriegsschiff in aller Regel nicht in Frage kommen.

Anders liegen die Verhältnisse bei dem Tauchboot. Das Tauchboot besitzt
nur eine geringe Geschwindigkeit, weshalb Flucht des Gegners keineswegs
aussichtslos ist. Vor allem ist es leicht verletzbar. Ein Rammversuch, ein
Schuß aus einem versteckten Geschütz, ja das Werfen mit Handgranaten kann


Der Tauchbootkrieg

drohen, während die durch Tauchboote hervorgerufenen weit geringeren Gefahren
doch nur die Insassen eines Baumgut befördernden Schiffes treffen. Wer aber
in der Zuführung von Baumgut an eine der Kriegsparteien seinen Vorteil sucht,
der hat wahrlich keinen Grund, sich über Maßregeln zu beschweren, die die
andere Kriegspartei nur notgedrungen zur berechtigten Unterdrückung solcher
Zufuhr anwendet. Und gleich wenig Anlaß zur Beschwer hat der Fahrgast,
der seine, Person einem Schiffe anvertraut, das wegen der Menge oder des
Wertes der Bannware der Einziehung oder Zerstörung unterliegt. Nur soviel
darf man fordern, daß die Gefahren auf ein Mindestmaß beschränkt werden,
daß demnach so viel wie möglich sür die Sicherung der Schiffsinsassen gesorgt,
diese z. B. bei hohem Seegange nicht fern von der Küste ihrem Schicksale
überlassen werden und anderes mehr — Regeln, die von den Besatzungen
unserer Tauchboote stets befolgt werden.

Das alles gilt von den neutralen Schiffen und nur von diesen.

Über die Zulässigkeit der Zerstörung feindlicher Schiffe sagt die Londoner
Seekriegsrechtserklärung nichts, auch andere Völkerrechtsquellen enthalten darüber
keine Bestimmungen. Kaum erwähnenswert, weil selbstverständlich, ist, daß den
Kriegführenden erst recht gegenüber feindlichen Schiffen erlaubt sein muß, was
ihnen gegenüber neutralen Schiffen zusteht. Fraglich kann nur sein, ob gegen
feindliche Handelsschiffe ein weitergehendes Angriffs- und Zerstörungsrecht
besteht, namentlich ob ein Kriegsschiff — auch abgesehen von den Fällen des
Widerstandes und des Fluchtversuches des feindlichen Handelsschiffes — dieses
sofort, d. h. ohne Anruf und Warnung und ohne vorherige Sicherung der
Schiffsinfassen zerstören darf. Um diese Frage richtig beantworten zu können,
ist zu beachten, daß sie überhaupt erst seit der Erfindung des Unterseebootes
auftauchen konnte. Für Obersee-Kriegsschiffe, die früher allein die Nehmeschiffe
bildeten, ist ein sofortiges Zerstören durch die Kriegsnotwendigkeit nicht geboten.
Der Kreuzer wird in seiner Wirksamkeit schwerlich je beeinträchtigt, wenn er
das feindliche Handelsschiff zunächst anhält, durchsucht und — falls es nicht
weggebracht, sondern zerstört werden soll — zuvor die Schiffsinsassen in Sicher¬
heit bringt. schußbereit in angemessenen Abstand neben dem Handelsschiffe
liegend läuft er weder Gefahr, bei der AnHaltung und der durch das abgesandte
Kommando erfolgenden Durchsuchung des Schiffes von diesem angegriffen zu
werden, noch braucht er angesichts seiner weittragenden Geschütze oder seiner
überlegenen Schnelligkeit einen Fluchtversuch des Schiffes zu fürchten. Ein
sofortiges Zerstören des Schiffes ohne Warnung und Sicherung der Insassen
verbietet sich somit als zwecklose Härte von selbst; es konnte für das Obersee¬
kriegsschiff in aller Regel nicht in Frage kommen.

Anders liegen die Verhältnisse bei dem Tauchboot. Das Tauchboot besitzt
nur eine geringe Geschwindigkeit, weshalb Flucht des Gegners keineswegs
aussichtslos ist. Vor allem ist es leicht verletzbar. Ein Rammversuch, ein
Schuß aus einem versteckten Geschütz, ja das Werfen mit Handgranaten kann


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0176" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331148"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Tauchbootkrieg</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_605" prev="#ID_604"> drohen, während die durch Tauchboote hervorgerufenen weit geringeren Gefahren<lb/>
doch nur die Insassen eines Baumgut befördernden Schiffes treffen. Wer aber<lb/>
in der Zuführung von Baumgut an eine der Kriegsparteien seinen Vorteil sucht,<lb/>
der hat wahrlich keinen Grund, sich über Maßregeln zu beschweren, die die<lb/>
andere Kriegspartei nur notgedrungen zur berechtigten Unterdrückung solcher<lb/>
Zufuhr anwendet. Und gleich wenig Anlaß zur Beschwer hat der Fahrgast,<lb/>
der seine, Person einem Schiffe anvertraut, das wegen der Menge oder des<lb/>
Wertes der Bannware der Einziehung oder Zerstörung unterliegt. Nur soviel<lb/>
darf man fordern, daß die Gefahren auf ein Mindestmaß beschränkt werden,<lb/>
daß demnach so viel wie möglich sür die Sicherung der Schiffsinsassen gesorgt,<lb/>
diese z. B. bei hohem Seegange nicht fern von der Küste ihrem Schicksale<lb/>
überlassen werden und anderes mehr &#x2014; Regeln, die von den Besatzungen<lb/>
unserer Tauchboote stets befolgt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_606"> Das alles gilt von den neutralen Schiffen und nur von diesen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_607"> Über die Zulässigkeit der Zerstörung feindlicher Schiffe sagt die Londoner<lb/>
Seekriegsrechtserklärung nichts, auch andere Völkerrechtsquellen enthalten darüber<lb/>
keine Bestimmungen. Kaum erwähnenswert, weil selbstverständlich, ist, daß den<lb/>
Kriegführenden erst recht gegenüber feindlichen Schiffen erlaubt sein muß, was<lb/>
ihnen gegenüber neutralen Schiffen zusteht. Fraglich kann nur sein, ob gegen<lb/>
feindliche Handelsschiffe ein weitergehendes Angriffs- und Zerstörungsrecht<lb/>
besteht, namentlich ob ein Kriegsschiff &#x2014; auch abgesehen von den Fällen des<lb/>
Widerstandes und des Fluchtversuches des feindlichen Handelsschiffes &#x2014; dieses<lb/>
sofort, d. h. ohne Anruf und Warnung und ohne vorherige Sicherung der<lb/>
Schiffsinfassen zerstören darf. Um diese Frage richtig beantworten zu können,<lb/>
ist zu beachten, daß sie überhaupt erst seit der Erfindung des Unterseebootes<lb/>
auftauchen konnte. Für Obersee-Kriegsschiffe, die früher allein die Nehmeschiffe<lb/>
bildeten, ist ein sofortiges Zerstören durch die Kriegsnotwendigkeit nicht geboten.<lb/>
Der Kreuzer wird in seiner Wirksamkeit schwerlich je beeinträchtigt, wenn er<lb/>
das feindliche Handelsschiff zunächst anhält, durchsucht und &#x2014; falls es nicht<lb/>
weggebracht, sondern zerstört werden soll &#x2014; zuvor die Schiffsinsassen in Sicher¬<lb/>
heit bringt. schußbereit in angemessenen Abstand neben dem Handelsschiffe<lb/>
liegend läuft er weder Gefahr, bei der AnHaltung und der durch das abgesandte<lb/>
Kommando erfolgenden Durchsuchung des Schiffes von diesem angegriffen zu<lb/>
werden, noch braucht er angesichts seiner weittragenden Geschütze oder seiner<lb/>
überlegenen Schnelligkeit einen Fluchtversuch des Schiffes zu fürchten. Ein<lb/>
sofortiges Zerstören des Schiffes ohne Warnung und Sicherung der Insassen<lb/>
verbietet sich somit als zwecklose Härte von selbst; es konnte für das Obersee¬<lb/>
kriegsschiff in aller Regel nicht in Frage kommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_608" next="#ID_609"> Anders liegen die Verhältnisse bei dem Tauchboot. Das Tauchboot besitzt<lb/>
nur eine geringe Geschwindigkeit, weshalb Flucht des Gegners keineswegs<lb/>
aussichtslos ist. Vor allem ist es leicht verletzbar. Ein Rammversuch, ein<lb/>
Schuß aus einem versteckten Geschütz, ja das Werfen mit Handgranaten kann</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0176] Der Tauchbootkrieg drohen, während die durch Tauchboote hervorgerufenen weit geringeren Gefahren doch nur die Insassen eines Baumgut befördernden Schiffes treffen. Wer aber in der Zuführung von Baumgut an eine der Kriegsparteien seinen Vorteil sucht, der hat wahrlich keinen Grund, sich über Maßregeln zu beschweren, die die andere Kriegspartei nur notgedrungen zur berechtigten Unterdrückung solcher Zufuhr anwendet. Und gleich wenig Anlaß zur Beschwer hat der Fahrgast, der seine, Person einem Schiffe anvertraut, das wegen der Menge oder des Wertes der Bannware der Einziehung oder Zerstörung unterliegt. Nur soviel darf man fordern, daß die Gefahren auf ein Mindestmaß beschränkt werden, daß demnach so viel wie möglich sür die Sicherung der Schiffsinsassen gesorgt, diese z. B. bei hohem Seegange nicht fern von der Küste ihrem Schicksale überlassen werden und anderes mehr — Regeln, die von den Besatzungen unserer Tauchboote stets befolgt werden. Das alles gilt von den neutralen Schiffen und nur von diesen. Über die Zulässigkeit der Zerstörung feindlicher Schiffe sagt die Londoner Seekriegsrechtserklärung nichts, auch andere Völkerrechtsquellen enthalten darüber keine Bestimmungen. Kaum erwähnenswert, weil selbstverständlich, ist, daß den Kriegführenden erst recht gegenüber feindlichen Schiffen erlaubt sein muß, was ihnen gegenüber neutralen Schiffen zusteht. Fraglich kann nur sein, ob gegen feindliche Handelsschiffe ein weitergehendes Angriffs- und Zerstörungsrecht besteht, namentlich ob ein Kriegsschiff — auch abgesehen von den Fällen des Widerstandes und des Fluchtversuches des feindlichen Handelsschiffes — dieses sofort, d. h. ohne Anruf und Warnung und ohne vorherige Sicherung der Schiffsinfassen zerstören darf. Um diese Frage richtig beantworten zu können, ist zu beachten, daß sie überhaupt erst seit der Erfindung des Unterseebootes auftauchen konnte. Für Obersee-Kriegsschiffe, die früher allein die Nehmeschiffe bildeten, ist ein sofortiges Zerstören durch die Kriegsnotwendigkeit nicht geboten. Der Kreuzer wird in seiner Wirksamkeit schwerlich je beeinträchtigt, wenn er das feindliche Handelsschiff zunächst anhält, durchsucht und — falls es nicht weggebracht, sondern zerstört werden soll — zuvor die Schiffsinsassen in Sicher¬ heit bringt. schußbereit in angemessenen Abstand neben dem Handelsschiffe liegend läuft er weder Gefahr, bei der AnHaltung und der durch das abgesandte Kommando erfolgenden Durchsuchung des Schiffes von diesem angegriffen zu werden, noch braucht er angesichts seiner weittragenden Geschütze oder seiner überlegenen Schnelligkeit einen Fluchtversuch des Schiffes zu fürchten. Ein sofortiges Zerstören des Schiffes ohne Warnung und Sicherung der Insassen verbietet sich somit als zwecklose Härte von selbst; es konnte für das Obersee¬ kriegsschiff in aller Regel nicht in Frage kommen. Anders liegen die Verhältnisse bei dem Tauchboot. Das Tauchboot besitzt nur eine geringe Geschwindigkeit, weshalb Flucht des Gegners keineswegs aussichtslos ist. Vor allem ist es leicht verletzbar. Ein Rammversuch, ein Schuß aus einem versteckten Geschütz, ja das Werfen mit Handgranaten kann

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/176
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/176>, abgerufen am 30.05.2024.