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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Aus Preußens Ostmark

wie schadenfrohe weissagten, sondern nur der abnorm hohe Verlust von 1915
ein. der unter diesen Umständen selbstverständlich war und zum Teil durch du:
Überspannung des Bogens seit 1912. durch die Zahlung zu hoher Kaufpreise
an deutsche Vorbesitzer und durch die Festsetzung zu hoher Verkaufspreise für
die misers, eontribuens pied8 erklärt wird. Bereits im Frühjahr 1914 hatte
ein Sachkenner, gelegentlich des Grundteilungsgesetzes. in der "Deutschen Volks-
wirtschaftlichen Korrespondenz" auf diese Mißstände hingewiesen. Die Erfolge
unserer mit großen Mitteln ins Werk gesetzten Ostmarkenpoliti!. schrieb er.
werden großenteils durch die polnischen Ansiedlungsbanken in Frage
gestellt, die ihrerseits deutschen oder auch polnischen Großgrundbesitz zu ab¬
normen Preisen aufkaufen und als kleine Besitzer möglichst zahlreiche
polnische Land- und Industriearbeiter, die als Wanderarbeiter etwas Er¬
sparnisse gemacht haben, ansiedeln. Immerhin, wie all dem sein mag, die
polnischen Landgenossenschaften kommen, das laßt sich schon heute behaupten,
über die sicherlich recht kritische Situation mit einem blauen Auge hinweg.
Ihrem Verlust der letzten sechs Jahre von 856000 Mark steht ein Gewinn von
fast einer Million mehr gegenüber; ihre Reserven, ihr Grundbesitz, die Geschäfts¬
anteile sind so groß. daß. selbst wenn der Krieg noch lange dauern sollte, die
Belastungsprobe doch ertragen werden wird. Dazu kommt, daß, wenn es sein
nutz, die polnischen Banken und Kreditgenossenschaften nicht einen Augenblick
schwanken, sondern mit den ihnen ja im Überfluß zur Verfügung stehenden
Kapitalien helfend einspringen würden. Die Sache ihrer Landgenossenschaften
ist eben für alle, nicht bloß für die preußischen Polen, wie z. B. die Gründungs¬
geschichte der Bank Ziemski zeigt, Herzens- und Ehrensache. Nur indem sie
ihren Ausdehnungsdrang in dieser Weise betätigen, können sie, das wissen sie,
ihren Landbesitz und damit ihr Volkstum erhalten und mehren. Aus dieser
Erwägung wird, was im laufenden Jahre zwangsweise versteigert oder freihändig
verkauft wird, von und für Polen, selbst mit Verlust, zurück- oder aufgekauft.
Zudem läßt sich das ja, da der deutsche, wenigstens der staatliche Wettbewerb
auf dem Gütermarkte so gut wie ausgeschaltet ist, bei sinkenden Preisen durch¬
führen. Erinnert sei hier an ein Vorkommnis von 1906. Damals sagte der
Verband der polnischen Genossenschaften aus seinem Verbandstage unter dem
Vorsitz seines Patrons Wawrzyniak "den Parzellierungsgenossenschaften auch
fernerhin feinen sorgsamen Schutz und die Erledigung der Finanzierung ihrer
Geschäfte in geeigneter Weise" zu. desgleichen gab er der Überzeugung Aus¬
druck, daß "weder jetzt noch in Zukunft aus dem Verhältnis der Kredit- zu
den Parzellierungsgenossenschaften ein Schaden entstehen könne, für die ersteren
nicht einmal beim Sinken der Bodenpreise". Was der Verband damals ver¬
sprach und als seine Überzeugung aussprach, das wird er (kein Kenner der
Polen zweifelt daran) wie in Wawrzyniaks Tagen auch heute in Wawrzyniaks
Geist zur Richtschnur seines Handelns machen.

Was wird die Zukunft, die "Neuorientierung der inneren Politik"


Aus Preußens Ostmark

wie schadenfrohe weissagten, sondern nur der abnorm hohe Verlust von 1915
ein. der unter diesen Umständen selbstverständlich war und zum Teil durch du:
Überspannung des Bogens seit 1912. durch die Zahlung zu hoher Kaufpreise
an deutsche Vorbesitzer und durch die Festsetzung zu hoher Verkaufspreise für
die misers, eontribuens pied8 erklärt wird. Bereits im Frühjahr 1914 hatte
ein Sachkenner, gelegentlich des Grundteilungsgesetzes. in der „Deutschen Volks-
wirtschaftlichen Korrespondenz" auf diese Mißstände hingewiesen. Die Erfolge
unserer mit großen Mitteln ins Werk gesetzten Ostmarkenpoliti!. schrieb er.
werden großenteils durch die polnischen Ansiedlungsbanken in Frage
gestellt, die ihrerseits deutschen oder auch polnischen Großgrundbesitz zu ab¬
normen Preisen aufkaufen und als kleine Besitzer möglichst zahlreiche
polnische Land- und Industriearbeiter, die als Wanderarbeiter etwas Er¬
sparnisse gemacht haben, ansiedeln. Immerhin, wie all dem sein mag, die
polnischen Landgenossenschaften kommen, das laßt sich schon heute behaupten,
über die sicherlich recht kritische Situation mit einem blauen Auge hinweg.
Ihrem Verlust der letzten sechs Jahre von 856000 Mark steht ein Gewinn von
fast einer Million mehr gegenüber; ihre Reserven, ihr Grundbesitz, die Geschäfts¬
anteile sind so groß. daß. selbst wenn der Krieg noch lange dauern sollte, die
Belastungsprobe doch ertragen werden wird. Dazu kommt, daß, wenn es sein
nutz, die polnischen Banken und Kreditgenossenschaften nicht einen Augenblick
schwanken, sondern mit den ihnen ja im Überfluß zur Verfügung stehenden
Kapitalien helfend einspringen würden. Die Sache ihrer Landgenossenschaften
ist eben für alle, nicht bloß für die preußischen Polen, wie z. B. die Gründungs¬
geschichte der Bank Ziemski zeigt, Herzens- und Ehrensache. Nur indem sie
ihren Ausdehnungsdrang in dieser Weise betätigen, können sie, das wissen sie,
ihren Landbesitz und damit ihr Volkstum erhalten und mehren. Aus dieser
Erwägung wird, was im laufenden Jahre zwangsweise versteigert oder freihändig
verkauft wird, von und für Polen, selbst mit Verlust, zurück- oder aufgekauft.
Zudem läßt sich das ja, da der deutsche, wenigstens der staatliche Wettbewerb
auf dem Gütermarkte so gut wie ausgeschaltet ist, bei sinkenden Preisen durch¬
führen. Erinnert sei hier an ein Vorkommnis von 1906. Damals sagte der
Verband der polnischen Genossenschaften aus seinem Verbandstage unter dem
Vorsitz seines Patrons Wawrzyniak „den Parzellierungsgenossenschaften auch
fernerhin feinen sorgsamen Schutz und die Erledigung der Finanzierung ihrer
Geschäfte in geeigneter Weise" zu. desgleichen gab er der Überzeugung Aus¬
druck, daß „weder jetzt noch in Zukunft aus dem Verhältnis der Kredit- zu
den Parzellierungsgenossenschaften ein Schaden entstehen könne, für die ersteren
nicht einmal beim Sinken der Bodenpreise". Was der Verband damals ver¬
sprach und als seine Überzeugung aussprach, das wird er (kein Kenner der
Polen zweifelt daran) wie in Wawrzyniaks Tagen auch heute in Wawrzyniaks
Geist zur Richtschnur seines Handelns machen.

Was wird die Zukunft, die „Neuorientierung der inneren Politik"


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[0023] Aus Preußens Ostmark wie schadenfrohe weissagten, sondern nur der abnorm hohe Verlust von 1915 ein. der unter diesen Umständen selbstverständlich war und zum Teil durch du: Überspannung des Bogens seit 1912. durch die Zahlung zu hoher Kaufpreise an deutsche Vorbesitzer und durch die Festsetzung zu hoher Verkaufspreise für die misers, eontribuens pied8 erklärt wird. Bereits im Frühjahr 1914 hatte ein Sachkenner, gelegentlich des Grundteilungsgesetzes. in der „Deutschen Volks- wirtschaftlichen Korrespondenz" auf diese Mißstände hingewiesen. Die Erfolge unserer mit großen Mitteln ins Werk gesetzten Ostmarkenpoliti!. schrieb er. werden großenteils durch die polnischen Ansiedlungsbanken in Frage gestellt, die ihrerseits deutschen oder auch polnischen Großgrundbesitz zu ab¬ normen Preisen aufkaufen und als kleine Besitzer möglichst zahlreiche polnische Land- und Industriearbeiter, die als Wanderarbeiter etwas Er¬ sparnisse gemacht haben, ansiedeln. Immerhin, wie all dem sein mag, die polnischen Landgenossenschaften kommen, das laßt sich schon heute behaupten, über die sicherlich recht kritische Situation mit einem blauen Auge hinweg. Ihrem Verlust der letzten sechs Jahre von 856000 Mark steht ein Gewinn von fast einer Million mehr gegenüber; ihre Reserven, ihr Grundbesitz, die Geschäfts¬ anteile sind so groß. daß. selbst wenn der Krieg noch lange dauern sollte, die Belastungsprobe doch ertragen werden wird. Dazu kommt, daß, wenn es sein nutz, die polnischen Banken und Kreditgenossenschaften nicht einen Augenblick schwanken, sondern mit den ihnen ja im Überfluß zur Verfügung stehenden Kapitalien helfend einspringen würden. Die Sache ihrer Landgenossenschaften ist eben für alle, nicht bloß für die preußischen Polen, wie z. B. die Gründungs¬ geschichte der Bank Ziemski zeigt, Herzens- und Ehrensache. Nur indem sie ihren Ausdehnungsdrang in dieser Weise betätigen, können sie, das wissen sie, ihren Landbesitz und damit ihr Volkstum erhalten und mehren. Aus dieser Erwägung wird, was im laufenden Jahre zwangsweise versteigert oder freihändig verkauft wird, von und für Polen, selbst mit Verlust, zurück- oder aufgekauft. Zudem läßt sich das ja, da der deutsche, wenigstens der staatliche Wettbewerb auf dem Gütermarkte so gut wie ausgeschaltet ist, bei sinkenden Preisen durch¬ führen. Erinnert sei hier an ein Vorkommnis von 1906. Damals sagte der Verband der polnischen Genossenschaften aus seinem Verbandstage unter dem Vorsitz seines Patrons Wawrzyniak „den Parzellierungsgenossenschaften auch fernerhin feinen sorgsamen Schutz und die Erledigung der Finanzierung ihrer Geschäfte in geeigneter Weise" zu. desgleichen gab er der Überzeugung Aus¬ druck, daß „weder jetzt noch in Zukunft aus dem Verhältnis der Kredit- zu den Parzellierungsgenossenschaften ein Schaden entstehen könne, für die ersteren nicht einmal beim Sinken der Bodenpreise". Was der Verband damals ver¬ sprach und als seine Überzeugung aussprach, das wird er (kein Kenner der Polen zweifelt daran) wie in Wawrzyniaks Tagen auch heute in Wawrzyniaks Geist zur Richtschnur seines Handelns machen. Was wird die Zukunft, die „Neuorientierung der inneren Politik"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/23>, abgerufen am 12.05.2024.