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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Aus Preußens Ostmark

der Güterschlächter und der zahlreichen polnischen Privatunternehmungen zu --
angeblich patriotische" -- Parzellierungszwecken, deren gewagten Geschäftsbetrieb,
z. B. den des verstorbenen Biedermann die unabhängige polnische Presse
ja oft genug gerügt hat. Nicht ganz recht hatte er, salls sein Tadel, auch
nach dieser Seite gerichtet war, gegenüber der Parzellierungsaktion der dem
Wawrzy mal-Verbände angeschlossenen Landgenossenschaften. Diese arbeiten
pro patria, wollen allzeit Mehrer des polnischen Nationalvermögens sein und
mit der -- augenblicklich allein durchführbaren -- Anlieger- und Ausbau¬
parzellierung das Gedeihen ihrer Klienten fördern; sie wollen also weder
Krawattemnachergeschäfte machen noch bewirken sie, wenigstens in der Regel
nicht, wirtschaftlichen Ruin. Um ihr hochgegriffenes Ziel zu erreichen, nutzten
Wawrzyniak und seine Getreuen, obgleich ihnen das Geld gewisser deutscher
Hypothekenbanken zur Förderung arti-deutscher Bestrebungen, zuerst wohl im
Falle Pinschin, zur Verfügung stand, die Ersparnisse ihrer Volksgenossen, vor
allem den breiten Strom der von den polnischen Wanderarbeitern alljährlich
aus dem Westen aufgebrachten, sagen wir zwanzig Millionen Mark in die
Kassen ihrer Kreditgenossenschaften überleiten, um aus diesen Geldern .die
Landgenossenschaften zu finanzieren. Sie mußten in dem erbitterten Kampfe
um den Boden zu jedem Mittel auch dem der Überzahlung greifen, wenn
anders sie möglichst viel deutsches Land der deutschen Hand entwinden
wollten, sie mußten sogar, was die Ansiedlungskommission nicht durfte. Ver¬
luste riskieren. Wenn sie das alles taten, so konnten sie es tun, weil auf den
kleinen Anwesen nicht anspruchsvolle Deutsche, sondern genügsame und un¬
verdrossene polnische Unterschicht angesetzt wurde; sie konnten es freilich nur
unter harten Zahlungsbedingungen, die sie ihren Schützlingen auferlegten, tun
und nur tun, weil und solange ihre Wanderarbeiter, Männer und Mädchen,
im Westen bedeutende Summen verdienten, von diesen zwar im Winter mit
den Greisen, Weibern und Kindern, die die Wirtschaft im Gange halten,
lebten, aber doch noch soviel erübrigten, daß sie die -- nach deutscher Auf¬
fassung -- zu hohen Zinsen des Restkaufgeldes und wohl auch etwaige Tilgungs¬
raten bezahlen konnten.

Als der Krieg ausbrach, die polnischen Saisonarbeiter zu unzähligen
Tausenden dein Rufe des obersten Kriegsherrn folgten, die Sachsengängerei und
jene Ersparnisse also aufhörten, trat nicht der Zusammenbruch des Schwindelbaus,



") Biedermann hatte bis zum Herbst 19W, nach seiner dem vierten Kongreß der
polnischen Juristen und Nationalökonomen vorgelegten Übersicht, 73 Besitzungen, darunter
jwei große Herrschaften, zusammen 113 340 Morgen, davon 74 840 von Deutschen, in
Posen, Westpreußen und Schlesien gekauft, mich 11694 Morgen unter 339 Parzellanten
aufgeteilt. Er konnte damals schreiben: "Alle von uns gekauften Güter befinden sich bis
jetzt in Polnischen Händen". Später wurde Modrze der Knochen, um dem er sich ver¬
schluckte. Diese Begüterung, mit Hypotheken immer höher belastet, ist seitdem bereits in der
dritten polnischen Hand.
Aus Preußens Ostmark

der Güterschlächter und der zahlreichen polnischen Privatunternehmungen zu —
angeblich patriotische» — Parzellierungszwecken, deren gewagten Geschäftsbetrieb,
z. B. den des verstorbenen Biedermann die unabhängige polnische Presse
ja oft genug gerügt hat. Nicht ganz recht hatte er, salls sein Tadel, auch
nach dieser Seite gerichtet war, gegenüber der Parzellierungsaktion der dem
Wawrzy mal-Verbände angeschlossenen Landgenossenschaften. Diese arbeiten
pro patria, wollen allzeit Mehrer des polnischen Nationalvermögens sein und
mit der — augenblicklich allein durchführbaren — Anlieger- und Ausbau¬
parzellierung das Gedeihen ihrer Klienten fördern; sie wollen also weder
Krawattemnachergeschäfte machen noch bewirken sie, wenigstens in der Regel
nicht, wirtschaftlichen Ruin. Um ihr hochgegriffenes Ziel zu erreichen, nutzten
Wawrzyniak und seine Getreuen, obgleich ihnen das Geld gewisser deutscher
Hypothekenbanken zur Förderung arti-deutscher Bestrebungen, zuerst wohl im
Falle Pinschin, zur Verfügung stand, die Ersparnisse ihrer Volksgenossen, vor
allem den breiten Strom der von den polnischen Wanderarbeitern alljährlich
aus dem Westen aufgebrachten, sagen wir zwanzig Millionen Mark in die
Kassen ihrer Kreditgenossenschaften überleiten, um aus diesen Geldern .die
Landgenossenschaften zu finanzieren. Sie mußten in dem erbitterten Kampfe
um den Boden zu jedem Mittel auch dem der Überzahlung greifen, wenn
anders sie möglichst viel deutsches Land der deutschen Hand entwinden
wollten, sie mußten sogar, was die Ansiedlungskommission nicht durfte. Ver¬
luste riskieren. Wenn sie das alles taten, so konnten sie es tun, weil auf den
kleinen Anwesen nicht anspruchsvolle Deutsche, sondern genügsame und un¬
verdrossene polnische Unterschicht angesetzt wurde; sie konnten es freilich nur
unter harten Zahlungsbedingungen, die sie ihren Schützlingen auferlegten, tun
und nur tun, weil und solange ihre Wanderarbeiter, Männer und Mädchen,
im Westen bedeutende Summen verdienten, von diesen zwar im Winter mit
den Greisen, Weibern und Kindern, die die Wirtschaft im Gange halten,
lebten, aber doch noch soviel erübrigten, daß sie die — nach deutscher Auf¬
fassung — zu hohen Zinsen des Restkaufgeldes und wohl auch etwaige Tilgungs¬
raten bezahlen konnten.

Als der Krieg ausbrach, die polnischen Saisonarbeiter zu unzähligen
Tausenden dein Rufe des obersten Kriegsherrn folgten, die Sachsengängerei und
jene Ersparnisse also aufhörten, trat nicht der Zusammenbruch des Schwindelbaus,



") Biedermann hatte bis zum Herbst 19W, nach seiner dem vierten Kongreß der
polnischen Juristen und Nationalökonomen vorgelegten Übersicht, 73 Besitzungen, darunter
jwei große Herrschaften, zusammen 113 340 Morgen, davon 74 840 von Deutschen, in
Posen, Westpreußen und Schlesien gekauft, mich 11694 Morgen unter 339 Parzellanten
aufgeteilt. Er konnte damals schreiben: „Alle von uns gekauften Güter befinden sich bis
jetzt in Polnischen Händen". Später wurde Modrze der Knochen, um dem er sich ver¬
schluckte. Diese Begüterung, mit Hypotheken immer höher belastet, ist seitdem bereits in der
dritten polnischen Hand.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/22>, abgerufen am 14.05.2024.