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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Belgiens Zukunft

Nach späterer Erwägung muß es vorbehalten bleiben, ob man einige Abge¬
ordnete, die von den Landtagen aus ihrer Mitte zu wählen wären, erst bloß
mit Redebefugnis und schließlich auch mit Stimmrecht im Reichstage zu¬
lassen will.

Die stetige Förderung dieser Entwicklung ist aber die Aufgabe langer
Jahre. Deshalb empfiehlt es sich, die Diktatur überhaupt nicht zeitlich zu be¬
grenzen, sondern ihr die Wahl des Zeitpunktes zu überlassen, den sie zur Ent¬
wicklung verfassungsmäßiger Zustände für geeignet hält. Besteht man aber
auf einer zeitlichen Beschränkung der Diktatur, so dürfen es nicht weniger als
zehn Jahre sein.

Eine besondere Schwierigkeit der deutschen Verwaltung bietet dabei das
Verhältnis zur katholischen Kirche. Die absolute Kirchen" und Unterrichts
freiheit stößt hier zusammen mit den Lebensbedingungen des paritätischen
Staates. Und darüber darf von vornherein kein Zweifel herrschen, daß der
katholische Klerus, der in Belgien sein Paradies verliert, aufs äußerste deutsch¬
feindlich sein wird. Andererseits wird jeder Versuch, die katholische Kirche
Vlamlands und der Wallonei der Staatshoheit zu unterwerfen, nicht nur im
Innern der beiden Reichsländer den Deutschenhaß neu entflammen, sondern
auch dem Widerspruch des deutschen Zentrums begegnen.

Hier empfiehlt sich für die deutsche Verwaltung ein abwartendes Ver¬
halten. Die Kirchen- und Unterrichtsfreiheit bleibe vorläufig unangetastet unter
entschiedenem Einschreiten gegen deutschfeindliche Bestrebungen. Selbstverständ¬
lich darf der Staat für kirchliche Schulen keine Unterstützungen bezahlen. Will
die Kirche eigene Schulen unterhalten, so muß sie auch die Mittel dafür auf¬
bringen. Und die kirchlichen Schulen unterliegen andererseits der staatlichen
Aufsicht, die namentlich dafür zu sorgen hat, daß den Anforderungen für den
Unterricht in deutscher Sprache Genüge geschieht. Auch Klöster mögen sich
in diesem Eldorado der Mönche und der Nonnen bilden so viel sie wollen.
Doch der Staat kann nicht auf sein Recht verzichten, lästige Ausländer aus¬
zuweisen, auch wenn sie in einem Kloster sind. Und der allgemeinen Wehr¬
pflicht darf man sich auch nicht dadurch entziehen, daß man Mönch wird.

Wenn deutsche Diplomatie und deutsche Verwaltung festzuhalten verstehen,
was das deutsche Schwert gewonnen, dann wird das um Belgien vergossene
Blut nicht umsonst geflossen sein. Und daß der Friede Deutschland Sicherheit
bringt gegen erneute Überfälle seiner Feinde, ist der unerschütterliche Wille des
deutschen Volkes. Diese Sicherheit kann nach Westen nur durch Belgien ge¬
bracht werden. Indem die Feder den Gewinn des Schwertes festhält, ist auch
die Einheit von Volk und Regierung verbürgt und inneren Gefahren vor¬
gebeugt, wie sie vor hundert Jahren der faule Frieden nach den Befreiungs¬
kriegen notwendig mit sich bringen mußte.




Belgiens Zukunft

Nach späterer Erwägung muß es vorbehalten bleiben, ob man einige Abge¬
ordnete, die von den Landtagen aus ihrer Mitte zu wählen wären, erst bloß
mit Redebefugnis und schließlich auch mit Stimmrecht im Reichstage zu¬
lassen will.

Die stetige Förderung dieser Entwicklung ist aber die Aufgabe langer
Jahre. Deshalb empfiehlt es sich, die Diktatur überhaupt nicht zeitlich zu be¬
grenzen, sondern ihr die Wahl des Zeitpunktes zu überlassen, den sie zur Ent¬
wicklung verfassungsmäßiger Zustände für geeignet hält. Besteht man aber
auf einer zeitlichen Beschränkung der Diktatur, so dürfen es nicht weniger als
zehn Jahre sein.

Eine besondere Schwierigkeit der deutschen Verwaltung bietet dabei das
Verhältnis zur katholischen Kirche. Die absolute Kirchen« und Unterrichts
freiheit stößt hier zusammen mit den Lebensbedingungen des paritätischen
Staates. Und darüber darf von vornherein kein Zweifel herrschen, daß der
katholische Klerus, der in Belgien sein Paradies verliert, aufs äußerste deutsch¬
feindlich sein wird. Andererseits wird jeder Versuch, die katholische Kirche
Vlamlands und der Wallonei der Staatshoheit zu unterwerfen, nicht nur im
Innern der beiden Reichsländer den Deutschenhaß neu entflammen, sondern
auch dem Widerspruch des deutschen Zentrums begegnen.

Hier empfiehlt sich für die deutsche Verwaltung ein abwartendes Ver¬
halten. Die Kirchen- und Unterrichtsfreiheit bleibe vorläufig unangetastet unter
entschiedenem Einschreiten gegen deutschfeindliche Bestrebungen. Selbstverständ¬
lich darf der Staat für kirchliche Schulen keine Unterstützungen bezahlen. Will
die Kirche eigene Schulen unterhalten, so muß sie auch die Mittel dafür auf¬
bringen. Und die kirchlichen Schulen unterliegen andererseits der staatlichen
Aufsicht, die namentlich dafür zu sorgen hat, daß den Anforderungen für den
Unterricht in deutscher Sprache Genüge geschieht. Auch Klöster mögen sich
in diesem Eldorado der Mönche und der Nonnen bilden so viel sie wollen.
Doch der Staat kann nicht auf sein Recht verzichten, lästige Ausländer aus¬
zuweisen, auch wenn sie in einem Kloster sind. Und der allgemeinen Wehr¬
pflicht darf man sich auch nicht dadurch entziehen, daß man Mönch wird.

Wenn deutsche Diplomatie und deutsche Verwaltung festzuhalten verstehen,
was das deutsche Schwert gewonnen, dann wird das um Belgien vergossene
Blut nicht umsonst geflossen sein. Und daß der Friede Deutschland Sicherheit
bringt gegen erneute Überfälle seiner Feinde, ist der unerschütterliche Wille des
deutschen Volkes. Diese Sicherheit kann nach Westen nur durch Belgien ge¬
bracht werden. Indem die Feder den Gewinn des Schwertes festhält, ist auch
die Einheit von Volk und Regierung verbürgt und inneren Gefahren vor¬
gebeugt, wie sie vor hundert Jahren der faule Frieden nach den Befreiungs¬
kriegen notwendig mit sich bringen mußte.




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[0314] Belgiens Zukunft Nach späterer Erwägung muß es vorbehalten bleiben, ob man einige Abge¬ ordnete, die von den Landtagen aus ihrer Mitte zu wählen wären, erst bloß mit Redebefugnis und schließlich auch mit Stimmrecht im Reichstage zu¬ lassen will. Die stetige Förderung dieser Entwicklung ist aber die Aufgabe langer Jahre. Deshalb empfiehlt es sich, die Diktatur überhaupt nicht zeitlich zu be¬ grenzen, sondern ihr die Wahl des Zeitpunktes zu überlassen, den sie zur Ent¬ wicklung verfassungsmäßiger Zustände für geeignet hält. Besteht man aber auf einer zeitlichen Beschränkung der Diktatur, so dürfen es nicht weniger als zehn Jahre sein. Eine besondere Schwierigkeit der deutschen Verwaltung bietet dabei das Verhältnis zur katholischen Kirche. Die absolute Kirchen« und Unterrichts freiheit stößt hier zusammen mit den Lebensbedingungen des paritätischen Staates. Und darüber darf von vornherein kein Zweifel herrschen, daß der katholische Klerus, der in Belgien sein Paradies verliert, aufs äußerste deutsch¬ feindlich sein wird. Andererseits wird jeder Versuch, die katholische Kirche Vlamlands und der Wallonei der Staatshoheit zu unterwerfen, nicht nur im Innern der beiden Reichsländer den Deutschenhaß neu entflammen, sondern auch dem Widerspruch des deutschen Zentrums begegnen. Hier empfiehlt sich für die deutsche Verwaltung ein abwartendes Ver¬ halten. Die Kirchen- und Unterrichtsfreiheit bleibe vorläufig unangetastet unter entschiedenem Einschreiten gegen deutschfeindliche Bestrebungen. Selbstverständ¬ lich darf der Staat für kirchliche Schulen keine Unterstützungen bezahlen. Will die Kirche eigene Schulen unterhalten, so muß sie auch die Mittel dafür auf¬ bringen. Und die kirchlichen Schulen unterliegen andererseits der staatlichen Aufsicht, die namentlich dafür zu sorgen hat, daß den Anforderungen für den Unterricht in deutscher Sprache Genüge geschieht. Auch Klöster mögen sich in diesem Eldorado der Mönche und der Nonnen bilden so viel sie wollen. Doch der Staat kann nicht auf sein Recht verzichten, lästige Ausländer aus¬ zuweisen, auch wenn sie in einem Kloster sind. Und der allgemeinen Wehr¬ pflicht darf man sich auch nicht dadurch entziehen, daß man Mönch wird. Wenn deutsche Diplomatie und deutsche Verwaltung festzuhalten verstehen, was das deutsche Schwert gewonnen, dann wird das um Belgien vergossene Blut nicht umsonst geflossen sein. Und daß der Friede Deutschland Sicherheit bringt gegen erneute Überfälle seiner Feinde, ist der unerschütterliche Wille des deutschen Volkes. Diese Sicherheit kann nach Westen nur durch Belgien ge¬ bracht werden. Indem die Feder den Gewinn des Schwertes festhält, ist auch die Einheit von Volk und Regierung verbürgt und inneren Gefahren vor¬ gebeugt, wie sie vor hundert Jahren der faule Frieden nach den Befreiungs¬ kriegen notwendig mit sich bringen mußte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/314>, abgerufen am 13.05.2024.