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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Die deutschen Einwanderungen i" Siebenbürgen

lente unter den Mauern einer ihrer "sehr starken Burgen". -- Wir verzichten
auf den Versuch die Frage zu entscheiden, wo die große Entscheidungsschlacht
zwischen Andreas und den Rittern stattgefunden, ob bei Cümpulung oder bei
Neamtu? Jedenfalls wurde das ganze Gebiet nun mit einem Schlage den
Rittern entwunden und damit wurden auch all die kühnen Kombinationen des
Papstes und der Ritter vernichtet.

Zwar wurde alles versucht, das Ordensland wieder zu gewinnen. Lang¬
wierige Verhandlungen zwischen den Päpsten und der ungarischen Krone wurden
über diese Frage angeknüpft. Allerdings ohne Erfolg. Einerseits waren
nämlich weder Andreas noch sein Sohn B6la zur Nachgiebigkeit geneigt,
andererseits wieder konnte der Ordensmeister Hermann von Salza der Sache
nicht mit genügendem Nachdruck sich widmen, da er 1226, einem Rufe des
Herzogs Konrad von Masovien folgend, seine Ritter an die untere Weichsel
geschickt hatte und hier durch seine kolonisatorische Tätigkeit sowie durch seine
Eroberungskämpfe gegen die heidnischen Preußen vollständig in Anspruch ge¬
nommen war. So geriet dann der einstige Besitz des Burzenlandes schließlich
doch in Vergessenheit.

Dort droben im Norden aber haben die Deutschen Ritter unter unsäglichen
Mühsalen und in unvergleichlichen Heldenkämpfen ihre große weltgeschichtliche
Aufgabe, die sie zuerst im Südosten Europas in Angriff nehmen wollten, wirk¬
lich erfüllt. Was Preußen heute ist, verdankt es zu einem großen Teile ihrer
aufopferungsvollen Tätigkeit. -- Noch heute aber finden wir -- vorwiegend
allerdings im eigentlichen Burzenlande -- die Spuren ihres Wirkens. Dort
stehen noch die stolzen Trümmer ihrer Burgen, dort blühen noch die Ortschaften,
die sie einst gegründet, dort klingt noch die altertümliche deutsche Mundart, die
ihre Gefolgsmannen einst gesprochen und in manchem Hause erzählt noch der
Vater den aufhorchenden Kindern von den deutschen Helden, die hier in grauer
Vorzeit so Großes gewollt.

Im Jahre 1912 sollte im großen Stil die siebenhundertjährige Erinnerungs¬
feier an die Einwanderung der Deutschen im Burzenlande begangen werden.
Aus verschiedenen Gründen wurde die Feier verschoben und dann kam der große
Weltkrieg, und der Gedanke an das große Jubelfest mußte fallen gelassen werden.
Aber an die Stelle der Erinnerungsfeier trat in unseren Tagen das große Er¬
leben. Wieder stehen deutsche Helden auf jenem Boden, da einst Schild und
Speer der Ritter erklungen waren. Als Befreier ihrer fast vergessenen Brüder
als Retter in ihrer Not sind sie gekommen. Wer mag sich die überwallende
Freude, die tiefe, dankbare Begeisterung vorstellen, die die Sachsen beim Anblick
der feldgrauen Brüder aus dem "Reich" erfüllt hat? Ja, das gesamte Deutschtum
darf sich der großen Siege in Siebenbürgen freuen. Denn sie zeigen, daß der
Geist treuen, zähen, unerschrockenen Vorwärtsstrebens, von dem einst die Deutschen
Ritter beseelt waren, auch heute noch in unserem Volk mit ungeschwächter Kraft
fortwirkt



Die deutschen Einwanderungen i» Siebenbürgen

lente unter den Mauern einer ihrer „sehr starken Burgen". — Wir verzichten
auf den Versuch die Frage zu entscheiden, wo die große Entscheidungsschlacht
zwischen Andreas und den Rittern stattgefunden, ob bei Cümpulung oder bei
Neamtu? Jedenfalls wurde das ganze Gebiet nun mit einem Schlage den
Rittern entwunden und damit wurden auch all die kühnen Kombinationen des
Papstes und der Ritter vernichtet.

Zwar wurde alles versucht, das Ordensland wieder zu gewinnen. Lang¬
wierige Verhandlungen zwischen den Päpsten und der ungarischen Krone wurden
über diese Frage angeknüpft. Allerdings ohne Erfolg. Einerseits waren
nämlich weder Andreas noch sein Sohn B6la zur Nachgiebigkeit geneigt,
andererseits wieder konnte der Ordensmeister Hermann von Salza der Sache
nicht mit genügendem Nachdruck sich widmen, da er 1226, einem Rufe des
Herzogs Konrad von Masovien folgend, seine Ritter an die untere Weichsel
geschickt hatte und hier durch seine kolonisatorische Tätigkeit sowie durch seine
Eroberungskämpfe gegen die heidnischen Preußen vollständig in Anspruch ge¬
nommen war. So geriet dann der einstige Besitz des Burzenlandes schließlich
doch in Vergessenheit.

Dort droben im Norden aber haben die Deutschen Ritter unter unsäglichen
Mühsalen und in unvergleichlichen Heldenkämpfen ihre große weltgeschichtliche
Aufgabe, die sie zuerst im Südosten Europas in Angriff nehmen wollten, wirk¬
lich erfüllt. Was Preußen heute ist, verdankt es zu einem großen Teile ihrer
aufopferungsvollen Tätigkeit. — Noch heute aber finden wir — vorwiegend
allerdings im eigentlichen Burzenlande — die Spuren ihres Wirkens. Dort
stehen noch die stolzen Trümmer ihrer Burgen, dort blühen noch die Ortschaften,
die sie einst gegründet, dort klingt noch die altertümliche deutsche Mundart, die
ihre Gefolgsmannen einst gesprochen und in manchem Hause erzählt noch der
Vater den aufhorchenden Kindern von den deutschen Helden, die hier in grauer
Vorzeit so Großes gewollt.

Im Jahre 1912 sollte im großen Stil die siebenhundertjährige Erinnerungs¬
feier an die Einwanderung der Deutschen im Burzenlande begangen werden.
Aus verschiedenen Gründen wurde die Feier verschoben und dann kam der große
Weltkrieg, und der Gedanke an das große Jubelfest mußte fallen gelassen werden.
Aber an die Stelle der Erinnerungsfeier trat in unseren Tagen das große Er¬
leben. Wieder stehen deutsche Helden auf jenem Boden, da einst Schild und
Speer der Ritter erklungen waren. Als Befreier ihrer fast vergessenen Brüder
als Retter in ihrer Not sind sie gekommen. Wer mag sich die überwallende
Freude, die tiefe, dankbare Begeisterung vorstellen, die die Sachsen beim Anblick
der feldgrauen Brüder aus dem „Reich" erfüllt hat? Ja, das gesamte Deutschtum
darf sich der großen Siege in Siebenbürgen freuen. Denn sie zeigen, daß der
Geist treuen, zähen, unerschrockenen Vorwärtsstrebens, von dem einst die Deutschen
Ritter beseelt waren, auch heute noch in unserem Volk mit ungeschwächter Kraft
fortwirkt



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[0323] Die deutschen Einwanderungen i» Siebenbürgen lente unter den Mauern einer ihrer „sehr starken Burgen". — Wir verzichten auf den Versuch die Frage zu entscheiden, wo die große Entscheidungsschlacht zwischen Andreas und den Rittern stattgefunden, ob bei Cümpulung oder bei Neamtu? Jedenfalls wurde das ganze Gebiet nun mit einem Schlage den Rittern entwunden und damit wurden auch all die kühnen Kombinationen des Papstes und der Ritter vernichtet. Zwar wurde alles versucht, das Ordensland wieder zu gewinnen. Lang¬ wierige Verhandlungen zwischen den Päpsten und der ungarischen Krone wurden über diese Frage angeknüpft. Allerdings ohne Erfolg. Einerseits waren nämlich weder Andreas noch sein Sohn B6la zur Nachgiebigkeit geneigt, andererseits wieder konnte der Ordensmeister Hermann von Salza der Sache nicht mit genügendem Nachdruck sich widmen, da er 1226, einem Rufe des Herzogs Konrad von Masovien folgend, seine Ritter an die untere Weichsel geschickt hatte und hier durch seine kolonisatorische Tätigkeit sowie durch seine Eroberungskämpfe gegen die heidnischen Preußen vollständig in Anspruch ge¬ nommen war. So geriet dann der einstige Besitz des Burzenlandes schließlich doch in Vergessenheit. Dort droben im Norden aber haben die Deutschen Ritter unter unsäglichen Mühsalen und in unvergleichlichen Heldenkämpfen ihre große weltgeschichtliche Aufgabe, die sie zuerst im Südosten Europas in Angriff nehmen wollten, wirk¬ lich erfüllt. Was Preußen heute ist, verdankt es zu einem großen Teile ihrer aufopferungsvollen Tätigkeit. — Noch heute aber finden wir — vorwiegend allerdings im eigentlichen Burzenlande — die Spuren ihres Wirkens. Dort stehen noch die stolzen Trümmer ihrer Burgen, dort blühen noch die Ortschaften, die sie einst gegründet, dort klingt noch die altertümliche deutsche Mundart, die ihre Gefolgsmannen einst gesprochen und in manchem Hause erzählt noch der Vater den aufhorchenden Kindern von den deutschen Helden, die hier in grauer Vorzeit so Großes gewollt. Im Jahre 1912 sollte im großen Stil die siebenhundertjährige Erinnerungs¬ feier an die Einwanderung der Deutschen im Burzenlande begangen werden. Aus verschiedenen Gründen wurde die Feier verschoben und dann kam der große Weltkrieg, und der Gedanke an das große Jubelfest mußte fallen gelassen werden. Aber an die Stelle der Erinnerungsfeier trat in unseren Tagen das große Er¬ leben. Wieder stehen deutsche Helden auf jenem Boden, da einst Schild und Speer der Ritter erklungen waren. Als Befreier ihrer fast vergessenen Brüder als Retter in ihrer Not sind sie gekommen. Wer mag sich die überwallende Freude, die tiefe, dankbare Begeisterung vorstellen, die die Sachsen beim Anblick der feldgrauen Brüder aus dem „Reich" erfüllt hat? Ja, das gesamte Deutschtum darf sich der großen Siege in Siebenbürgen freuen. Denn sie zeigen, daß der Geist treuen, zähen, unerschrockenen Vorwärtsstrebens, von dem einst die Deutschen Ritter beseelt waren, auch heute noch in unserem Volk mit ungeschwächter Kraft fortwirkt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/323>, abgerufen am 12.05.2024.