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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Noch ein U?ort über Leigiens Zukunft

wie verzetteln wollten und es für unsere Ausgabe hielten, die jetzige Stellung
der Kirche im Lande gleichzeitig in irgendwelchen Punkten zu schmälern. Man
muß das eine von vornherein ganz tun und das andere ganz lassen. Bornhak
rechnet mit dem erbitterten Widerstand des Klerus gegen die Eingliederung
ins Reich. Bei diesem Widerstande darf es aber nicht bleiben. Wir müssen
im eigenen Interesse alles tun, um die Kirche mit dem Anschluß an Deutsch¬
land zu versöhnen, ja sie womöglich sogar für uns zu gewinnen. Mit gutem
Grunde tritt Bornhak für eine Teilung Belgiens in ein Mimisches und ein
wallonisches Reichsland ein. Aber das Prinzip "viviäs et impera!" bedarf
auf belgischen Boden noch einer viel vollkommeneren Anwendung. Gibt man
einmal zu, daß außer den materiellen Interessen zwei Ideenkreise in Belgien
mächtig sind: der der westeuropäischen politischen Kultur, also der englisch-
französischen Ideen von 1688 und 1789, und der der katholischen Kirche, so
folgt daraus nach klarer politischer Logik, daß derjenige, der den einen dieser
Jdeenkomplexe bekämpfen muß, die Bundesgenossenschaft des anderen zu suchen
hat. Unser Todfeind in Belgien ist die französisch-englische Kultur, der politische
Gedanke des durch seine Revolutionen geschaffenen Westeuropa. Dieser Gedanke
hat ja überhaupt den ganzen belgischen Staat ins Leben gerufen. Durch ge¬
schickten rechtzeitigen Anschluß an die Bewegung von 1830 verstand es der
Katholizismus, sich neben dem westlichen Liberalismus in einflußreicher Stellung
in Belgien zu behaupten. Seitdem kämpfen beide Geistesmächte um die Seelen
des Volkes. Es kann gar kein Zweifel sein, daß die Kirche im Kampf gegen
den französisch--englischen Einfluß auf das politische Denken in Belgien der ge¬
gebene und einzig leistungsfähige Bundesgenosse ist.

Wer hat in Rom, wer hat in Bukarest gegen uns gehetzt und geschürt?
Weh Geistes Kinder sind denn die Kriegspoliliker in ganz Europa, die den
Kreuzzug gegen den deutschen Militarismus mit so vielem Erfolg gepredigt
haben? Überall finden wir diese westeuropäischen Liberalen, die von der
Kultursonne an der Seine unheilbar geblendet wurden. Wer war Salandra, wer
ist Bratianu, wer Venizelos? Alles Männer, die ihre Überzeugungen -7- unter
dem Vorbehalt, daß sie welche haben! -- aus dem Born der politisch-kulturellen
Ideen des nachrevolutionären Frankreich geschöpft haben. Wer ist Wilson? Ein
Professor, der uns eine Lektion über englisch-liberales Völkerrecht erteilen möchte.
Wo sitzen die unverbesserlichen Deutschenfeinde unter der Intelligenz Norwegens
und Schwedens? In den politischen Gruppen, die ihre Staatsweisheit aus
England beziehen. Vermag jemand das noch für Zufall zu halten? Das
politische Bündnis zwischen Frankreich und England hat das alte Pmitanerideal
des Gottesreiches auf Erden unter englischer Flagge mit dem ererbten kulturellen
Ansehen Frankreichs zu einem gefährlichen Jdeenkomplex verschmolzen, der neben
dem englischen Gelde gewiß nicht das wenigste dazu beigetragen hat. fast in
ganz Europa einen Feind nach dem andern wider uns zu erwecken. Wenn
wir klug sind und unter dem Zwange des Weltkrieges die großen Zusammen-


Noch ein U?ort über Leigiens Zukunft

wie verzetteln wollten und es für unsere Ausgabe hielten, die jetzige Stellung
der Kirche im Lande gleichzeitig in irgendwelchen Punkten zu schmälern. Man
muß das eine von vornherein ganz tun und das andere ganz lassen. Bornhak
rechnet mit dem erbitterten Widerstand des Klerus gegen die Eingliederung
ins Reich. Bei diesem Widerstande darf es aber nicht bleiben. Wir müssen
im eigenen Interesse alles tun, um die Kirche mit dem Anschluß an Deutsch¬
land zu versöhnen, ja sie womöglich sogar für uns zu gewinnen. Mit gutem
Grunde tritt Bornhak für eine Teilung Belgiens in ein Mimisches und ein
wallonisches Reichsland ein. Aber das Prinzip „viviäs et impera!" bedarf
auf belgischen Boden noch einer viel vollkommeneren Anwendung. Gibt man
einmal zu, daß außer den materiellen Interessen zwei Ideenkreise in Belgien
mächtig sind: der der westeuropäischen politischen Kultur, also der englisch-
französischen Ideen von 1688 und 1789, und der der katholischen Kirche, so
folgt daraus nach klarer politischer Logik, daß derjenige, der den einen dieser
Jdeenkomplexe bekämpfen muß, die Bundesgenossenschaft des anderen zu suchen
hat. Unser Todfeind in Belgien ist die französisch-englische Kultur, der politische
Gedanke des durch seine Revolutionen geschaffenen Westeuropa. Dieser Gedanke
hat ja überhaupt den ganzen belgischen Staat ins Leben gerufen. Durch ge¬
schickten rechtzeitigen Anschluß an die Bewegung von 1830 verstand es der
Katholizismus, sich neben dem westlichen Liberalismus in einflußreicher Stellung
in Belgien zu behaupten. Seitdem kämpfen beide Geistesmächte um die Seelen
des Volkes. Es kann gar kein Zweifel sein, daß die Kirche im Kampf gegen
den französisch--englischen Einfluß auf das politische Denken in Belgien der ge¬
gebene und einzig leistungsfähige Bundesgenosse ist.

Wer hat in Rom, wer hat in Bukarest gegen uns gehetzt und geschürt?
Weh Geistes Kinder sind denn die Kriegspoliliker in ganz Europa, die den
Kreuzzug gegen den deutschen Militarismus mit so vielem Erfolg gepredigt
haben? Überall finden wir diese westeuropäischen Liberalen, die von der
Kultursonne an der Seine unheilbar geblendet wurden. Wer war Salandra, wer
ist Bratianu, wer Venizelos? Alles Männer, die ihre Überzeugungen -7- unter
dem Vorbehalt, daß sie welche haben! — aus dem Born der politisch-kulturellen
Ideen des nachrevolutionären Frankreich geschöpft haben. Wer ist Wilson? Ein
Professor, der uns eine Lektion über englisch-liberales Völkerrecht erteilen möchte.
Wo sitzen die unverbesserlichen Deutschenfeinde unter der Intelligenz Norwegens
und Schwedens? In den politischen Gruppen, die ihre Staatsweisheit aus
England beziehen. Vermag jemand das noch für Zufall zu halten? Das
politische Bündnis zwischen Frankreich und England hat das alte Pmitanerideal
des Gottesreiches auf Erden unter englischer Flagge mit dem ererbten kulturellen
Ansehen Frankreichs zu einem gefährlichen Jdeenkomplex verschmolzen, der neben
dem englischen Gelde gewiß nicht das wenigste dazu beigetragen hat. fast in
ganz Europa einen Feind nach dem andern wider uns zu erwecken. Wenn
wir klug sind und unter dem Zwange des Weltkrieges die großen Zusammen-


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[0377] Noch ein U?ort über Leigiens Zukunft wie verzetteln wollten und es für unsere Ausgabe hielten, die jetzige Stellung der Kirche im Lande gleichzeitig in irgendwelchen Punkten zu schmälern. Man muß das eine von vornherein ganz tun und das andere ganz lassen. Bornhak rechnet mit dem erbitterten Widerstand des Klerus gegen die Eingliederung ins Reich. Bei diesem Widerstande darf es aber nicht bleiben. Wir müssen im eigenen Interesse alles tun, um die Kirche mit dem Anschluß an Deutsch¬ land zu versöhnen, ja sie womöglich sogar für uns zu gewinnen. Mit gutem Grunde tritt Bornhak für eine Teilung Belgiens in ein Mimisches und ein wallonisches Reichsland ein. Aber das Prinzip „viviäs et impera!" bedarf auf belgischen Boden noch einer viel vollkommeneren Anwendung. Gibt man einmal zu, daß außer den materiellen Interessen zwei Ideenkreise in Belgien mächtig sind: der der westeuropäischen politischen Kultur, also der englisch- französischen Ideen von 1688 und 1789, und der der katholischen Kirche, so folgt daraus nach klarer politischer Logik, daß derjenige, der den einen dieser Jdeenkomplexe bekämpfen muß, die Bundesgenossenschaft des anderen zu suchen hat. Unser Todfeind in Belgien ist die französisch-englische Kultur, der politische Gedanke des durch seine Revolutionen geschaffenen Westeuropa. Dieser Gedanke hat ja überhaupt den ganzen belgischen Staat ins Leben gerufen. Durch ge¬ schickten rechtzeitigen Anschluß an die Bewegung von 1830 verstand es der Katholizismus, sich neben dem westlichen Liberalismus in einflußreicher Stellung in Belgien zu behaupten. Seitdem kämpfen beide Geistesmächte um die Seelen des Volkes. Es kann gar kein Zweifel sein, daß die Kirche im Kampf gegen den französisch--englischen Einfluß auf das politische Denken in Belgien der ge¬ gebene und einzig leistungsfähige Bundesgenosse ist. Wer hat in Rom, wer hat in Bukarest gegen uns gehetzt und geschürt? Weh Geistes Kinder sind denn die Kriegspoliliker in ganz Europa, die den Kreuzzug gegen den deutschen Militarismus mit so vielem Erfolg gepredigt haben? Überall finden wir diese westeuropäischen Liberalen, die von der Kultursonne an der Seine unheilbar geblendet wurden. Wer war Salandra, wer ist Bratianu, wer Venizelos? Alles Männer, die ihre Überzeugungen -7- unter dem Vorbehalt, daß sie welche haben! — aus dem Born der politisch-kulturellen Ideen des nachrevolutionären Frankreich geschöpft haben. Wer ist Wilson? Ein Professor, der uns eine Lektion über englisch-liberales Völkerrecht erteilen möchte. Wo sitzen die unverbesserlichen Deutschenfeinde unter der Intelligenz Norwegens und Schwedens? In den politischen Gruppen, die ihre Staatsweisheit aus England beziehen. Vermag jemand das noch für Zufall zu halten? Das politische Bündnis zwischen Frankreich und England hat das alte Pmitanerideal des Gottesreiches auf Erden unter englischer Flagge mit dem ererbten kulturellen Ansehen Frankreichs zu einem gefährlichen Jdeenkomplex verschmolzen, der neben dem englischen Gelde gewiß nicht das wenigste dazu beigetragen hat. fast in ganz Europa einen Feind nach dem andern wider uns zu erwecken. Wenn wir klug sind und unter dem Zwange des Weltkrieges die großen Zusammen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/377>, abgerufen am 06.06.2024.