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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Der drohende amerikanische Handelskrieg

auch in England zuerst nicht rechtens und ist dort nur durch besondere Kriegs¬
verordnungen allmählich eingeführt worden.

Es besteht keine Hoffnung, daß diese amerikanische Rechtsauffassung in dieser
Zeit nicht mehr als gültig anerkannt werden würde. Zwar hat die Haager
Landkriegsordnung, die auch von den Vereinigten Staaten ratifiziert worden ist,
bestimmt, daß es verboten sein solle, die Rechte und Forderungen von An¬
gehörigen der Gegenpartei außer Kraft zu setzen oder ihre Klagbarkeit aus¬
zuschließen. Aber schon vor dem Kriege hat die englische Regierung durch den
Mund Lord Greys erklärt, daß sie in dieser Bestimmung keine Abänderung des
überkommenen englischen Rechtes erblicken könne. Die Vorschrift wende sich nur
an die Befehlshaber eines besetzten Gebietes und untersage ihnen, die Privat¬
rechte der unterworfenen feindlichen Untertanen zu beschränken. Daß diese
Auffassung mit Wortlaut und Sinn der 1907 abgegebenen Erklärungen un¬
vereinbar ist, war schon vor dem Kriege nicht nur die herrschende Meinung der
deutschen, sondern auch der französischen Völkerrechtslehre. Derselbe englische
Gelehrte, Professor Oppenheim, der die englische Regierung zur öffentlichen
Stellungnahme veranlaßt hat, hat damals zugleich auch bei dem amerikanischen
Staatsdepartement angefragt und dort festgestellt, daß dieses den englischen
Standpunkt teile. -- Es ist nur zu bedauern, daß es nicht gelungen ist, gleich
darauf im diplomatischen Wege diese so wichtige Meinungsverschiedenheit zu
klären und eine dem modernen Rechtsbewußtsein sich anpassende Abänderung der
angelsächsischen Auffassung zu erreichen.

Auch der jetzt viel genannte preußisch--amerikanische Vertrag von 1799
bietet keine Gewähr, daß Amerika etwa Deutschland gegenüber von seinen ein¬
gewurzelten Rechtsanschauungen ablassen wird. Der Vertrag enthält nur die
Bestinimung. daß im Kriegsfalle die beiderseitigen Staatsangehörigen, die im
feindlichen Lande wohnen, dort unbelästigt bleiben können, und daß die Kauf¬
leute binnen neun Monaten nach Regelung ihrer Angelegenheiten das Land zu
verlassen haben. Wenn jetzt, wie verlautet, darüber verhandelt wird, ob der
Vertrag ausgedehnt werden soll, so ist doch eine Erweiterung dahin, daß auch
die Privatrechte der im feindlichen Lande wohnenden Bürger unangetastet in
alter Kraft bestehen bleiben sollen, bisher nicht einmal besprochen worden. Es
ist auch sicherlich auf amerikanischer Seite keine Geneigtheit anzunehmen, das
bisherige amerikanische Völkerrecht zu unseren Gunsten zu ändern. Die Folge
dürfte sein, daß Deutschland im Kriegsfalle auch Amerika gegenüber zu Ver¬
geltungsmaßregeln gezwungen sein wird. Damit aber ist der Anfang eines
Handelskrieges gegeben, wie er, zum Schaden beider Teile und ohne sonder¬
lichen Nutzen für einen, schon seit längerer Zeit zwischen den Kriegsparteien
geführt wird.




Der drohende amerikanische Handelskrieg

auch in England zuerst nicht rechtens und ist dort nur durch besondere Kriegs¬
verordnungen allmählich eingeführt worden.

Es besteht keine Hoffnung, daß diese amerikanische Rechtsauffassung in dieser
Zeit nicht mehr als gültig anerkannt werden würde. Zwar hat die Haager
Landkriegsordnung, die auch von den Vereinigten Staaten ratifiziert worden ist,
bestimmt, daß es verboten sein solle, die Rechte und Forderungen von An¬
gehörigen der Gegenpartei außer Kraft zu setzen oder ihre Klagbarkeit aus¬
zuschließen. Aber schon vor dem Kriege hat die englische Regierung durch den
Mund Lord Greys erklärt, daß sie in dieser Bestimmung keine Abänderung des
überkommenen englischen Rechtes erblicken könne. Die Vorschrift wende sich nur
an die Befehlshaber eines besetzten Gebietes und untersage ihnen, die Privat¬
rechte der unterworfenen feindlichen Untertanen zu beschränken. Daß diese
Auffassung mit Wortlaut und Sinn der 1907 abgegebenen Erklärungen un¬
vereinbar ist, war schon vor dem Kriege nicht nur die herrschende Meinung der
deutschen, sondern auch der französischen Völkerrechtslehre. Derselbe englische
Gelehrte, Professor Oppenheim, der die englische Regierung zur öffentlichen
Stellungnahme veranlaßt hat, hat damals zugleich auch bei dem amerikanischen
Staatsdepartement angefragt und dort festgestellt, daß dieses den englischen
Standpunkt teile. — Es ist nur zu bedauern, daß es nicht gelungen ist, gleich
darauf im diplomatischen Wege diese so wichtige Meinungsverschiedenheit zu
klären und eine dem modernen Rechtsbewußtsein sich anpassende Abänderung der
angelsächsischen Auffassung zu erreichen.

Auch der jetzt viel genannte preußisch—amerikanische Vertrag von 1799
bietet keine Gewähr, daß Amerika etwa Deutschland gegenüber von seinen ein¬
gewurzelten Rechtsanschauungen ablassen wird. Der Vertrag enthält nur die
Bestinimung. daß im Kriegsfalle die beiderseitigen Staatsangehörigen, die im
feindlichen Lande wohnen, dort unbelästigt bleiben können, und daß die Kauf¬
leute binnen neun Monaten nach Regelung ihrer Angelegenheiten das Land zu
verlassen haben. Wenn jetzt, wie verlautet, darüber verhandelt wird, ob der
Vertrag ausgedehnt werden soll, so ist doch eine Erweiterung dahin, daß auch
die Privatrechte der im feindlichen Lande wohnenden Bürger unangetastet in
alter Kraft bestehen bleiben sollen, bisher nicht einmal besprochen worden. Es
ist auch sicherlich auf amerikanischer Seite keine Geneigtheit anzunehmen, das
bisherige amerikanische Völkerrecht zu unseren Gunsten zu ändern. Die Folge
dürfte sein, daß Deutschland im Kriegsfalle auch Amerika gegenüber zu Ver¬
geltungsmaßregeln gezwungen sein wird. Damit aber ist der Anfang eines
Handelskrieges gegeben, wie er, zum Schaden beider Teile und ohne sonder¬
lichen Nutzen für einen, schon seit längerer Zeit zwischen den Kriegsparteien
geführt wird.




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[0328] Der drohende amerikanische Handelskrieg auch in England zuerst nicht rechtens und ist dort nur durch besondere Kriegs¬ verordnungen allmählich eingeführt worden. Es besteht keine Hoffnung, daß diese amerikanische Rechtsauffassung in dieser Zeit nicht mehr als gültig anerkannt werden würde. Zwar hat die Haager Landkriegsordnung, die auch von den Vereinigten Staaten ratifiziert worden ist, bestimmt, daß es verboten sein solle, die Rechte und Forderungen von An¬ gehörigen der Gegenpartei außer Kraft zu setzen oder ihre Klagbarkeit aus¬ zuschließen. Aber schon vor dem Kriege hat die englische Regierung durch den Mund Lord Greys erklärt, daß sie in dieser Bestimmung keine Abänderung des überkommenen englischen Rechtes erblicken könne. Die Vorschrift wende sich nur an die Befehlshaber eines besetzten Gebietes und untersage ihnen, die Privat¬ rechte der unterworfenen feindlichen Untertanen zu beschränken. Daß diese Auffassung mit Wortlaut und Sinn der 1907 abgegebenen Erklärungen un¬ vereinbar ist, war schon vor dem Kriege nicht nur die herrschende Meinung der deutschen, sondern auch der französischen Völkerrechtslehre. Derselbe englische Gelehrte, Professor Oppenheim, der die englische Regierung zur öffentlichen Stellungnahme veranlaßt hat, hat damals zugleich auch bei dem amerikanischen Staatsdepartement angefragt und dort festgestellt, daß dieses den englischen Standpunkt teile. — Es ist nur zu bedauern, daß es nicht gelungen ist, gleich darauf im diplomatischen Wege diese so wichtige Meinungsverschiedenheit zu klären und eine dem modernen Rechtsbewußtsein sich anpassende Abänderung der angelsächsischen Auffassung zu erreichen. Auch der jetzt viel genannte preußisch—amerikanische Vertrag von 1799 bietet keine Gewähr, daß Amerika etwa Deutschland gegenüber von seinen ein¬ gewurzelten Rechtsanschauungen ablassen wird. Der Vertrag enthält nur die Bestinimung. daß im Kriegsfalle die beiderseitigen Staatsangehörigen, die im feindlichen Lande wohnen, dort unbelästigt bleiben können, und daß die Kauf¬ leute binnen neun Monaten nach Regelung ihrer Angelegenheiten das Land zu verlassen haben. Wenn jetzt, wie verlautet, darüber verhandelt wird, ob der Vertrag ausgedehnt werden soll, so ist doch eine Erweiterung dahin, daß auch die Privatrechte der im feindlichen Lande wohnenden Bürger unangetastet in alter Kraft bestehen bleiben sollen, bisher nicht einmal besprochen worden. Es ist auch sicherlich auf amerikanischer Seite keine Geneigtheit anzunehmen, das bisherige amerikanische Völkerrecht zu unseren Gunsten zu ändern. Die Folge dürfte sein, daß Deutschland im Kriegsfalle auch Amerika gegenüber zu Ver¬ geltungsmaßregeln gezwungen sein wird. Damit aber ist der Anfang eines Handelskrieges gegeben, wie er, zum Schaden beider Teile und ohne sonder¬ lichen Nutzen für einen, schon seit längerer Zeit zwischen den Kriegsparteien geführt wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/328>, abgerufen am 10.06.2024.