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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Die konterrevolutionäre Bewegung in Rußland

Der folgende Redner, Sarudny, antwortete Miljukow, "er habe niemals
aus dem Munde von Vertretern der Partei der Volksfreiheit, die er zu achten ge¬
wohnt sei. eine trockenere, jeglicher Liebe zum russischen Volke bareErklärung gehört."

Der "Djen" schrieb damals:

"Es ist ganz klar, daß die Konterrevolution nicht allein mehr die Bolsche-
wiki interessiert, sondern alle jene, welche die Kadetten der Möglichkeit beraubt
sehen, die revolutionäre Bewegung selbst in die Hand zu nehmen. Das Organ
der Kadettenpartei erklärt jetzt offene Fehde Kerenski und Zeretelli. Das ist
auch ein Bolschewismus seiner Art, ein Bolschewismus der kriegerischen Bour¬
geoisie. Miljukow und Hessen prätendieren auf jenen politischen Posten, der
nach der Flucht Lenins verödete."

Die kadettische Agitation benutzt die durch den Krieg und das wirtschaft¬
liche Chaos entstandene Unzufriedenheit der Massen, um die Provisorische Re¬
gierung zu kompromittieren und die Macht der Arbeiter- und Soldatenrüte zu
untergraben. Man bringt die einzelnen Truppenteile gegeneinander auf und
die Soldaten selbst wieder gegen die Arbeiterschaft.

"Bürgerliche Presse und bürgerliche Parteien, die jetzt aufhören, ihren
Klassenhaß gegen das aktive Element der russischen Revolution, das Proletariat,
zu mäßigen, streben mit allen Kräften danach, die Antibolschewikistimmung der
Massen für Zwecke der Diskreditierung der ganzen russischen Revolution und
vor allem ihrer bevollmächtigten Organe, der Sowjets und des Bauernbundes zu
nützen und machen selbst vor antisemitischer Propaganda nicht Halt. Die
Gefahr der Konterrevolution wächst, sie nimmt reale Form an, Gestalt einer
möglichen Militärdiktatur" (Jswestija).

Miljukow wird von Tag zu Tag offener; schneller und immer schneller
verwandelt er sich aus einem Ideologen des russischen Liberalismus in einen
solchen der russischen Reaktion. Er geht noch weiter. Er sagt, die Schaffung
der revolutionären Diktatur sei ein außerordentlicher Fehler und bedeute den
Untergang des Landes. Man höhnt die beiden noch im Kabinett verbliebenen
Minister Godnew und Lwow (Oberprokureur des spröd), sie spielten die komische
Figur der Generale auf der Krämerhochzeit, Godnew wolle offenbar weiter
den leeren Staatssäckel kontrollieren usw. Die im Interimistischen Dumakomitee
vereinigte "I. J.-Partei". wie sie Purischkewitsch getauft hat (ispugannoj in-
telligenzt -- übersetzt: erschrockene Intelligenz), leistet den kadettischen Provo-
Woren getreue Gefolgschaft. Maslennikow nennt das Exekutivkomitee des
Sowjet einen "Haufe verrückter Fanatiker, Durchgänger und Verräter der
Revolution". Purischkewitsch gibt ihm nichts nach. -- Die "Enthüllungen"
Wer Lenin. Parvus. Koslowski u. a. werden fortgesetzt und breitgetreten,
ebenso wie die durch die "bolschewistische Wühlarbeit verursachte Niederlage
der Revolutionsarmee".,--

Es würde zu weit führen, hier auf die einzelnen Phasen der überaus
schweren Krise, die Rußland in den letzten zwei Wochen durchgemacht hat,


Die konterrevolutionäre Bewegung in Rußland

Der folgende Redner, Sarudny, antwortete Miljukow, „er habe niemals
aus dem Munde von Vertretern der Partei der Volksfreiheit, die er zu achten ge¬
wohnt sei. eine trockenere, jeglicher Liebe zum russischen Volke bareErklärung gehört."

Der „Djen" schrieb damals:

„Es ist ganz klar, daß die Konterrevolution nicht allein mehr die Bolsche-
wiki interessiert, sondern alle jene, welche die Kadetten der Möglichkeit beraubt
sehen, die revolutionäre Bewegung selbst in die Hand zu nehmen. Das Organ
der Kadettenpartei erklärt jetzt offene Fehde Kerenski und Zeretelli. Das ist
auch ein Bolschewismus seiner Art, ein Bolschewismus der kriegerischen Bour¬
geoisie. Miljukow und Hessen prätendieren auf jenen politischen Posten, der
nach der Flucht Lenins verödete."

Die kadettische Agitation benutzt die durch den Krieg und das wirtschaft¬
liche Chaos entstandene Unzufriedenheit der Massen, um die Provisorische Re¬
gierung zu kompromittieren und die Macht der Arbeiter- und Soldatenrüte zu
untergraben. Man bringt die einzelnen Truppenteile gegeneinander auf und
die Soldaten selbst wieder gegen die Arbeiterschaft.

„Bürgerliche Presse und bürgerliche Parteien, die jetzt aufhören, ihren
Klassenhaß gegen das aktive Element der russischen Revolution, das Proletariat,
zu mäßigen, streben mit allen Kräften danach, die Antibolschewikistimmung der
Massen für Zwecke der Diskreditierung der ganzen russischen Revolution und
vor allem ihrer bevollmächtigten Organe, der Sowjets und des Bauernbundes zu
nützen und machen selbst vor antisemitischer Propaganda nicht Halt. Die
Gefahr der Konterrevolution wächst, sie nimmt reale Form an, Gestalt einer
möglichen Militärdiktatur" (Jswestija).

Miljukow wird von Tag zu Tag offener; schneller und immer schneller
verwandelt er sich aus einem Ideologen des russischen Liberalismus in einen
solchen der russischen Reaktion. Er geht noch weiter. Er sagt, die Schaffung
der revolutionären Diktatur sei ein außerordentlicher Fehler und bedeute den
Untergang des Landes. Man höhnt die beiden noch im Kabinett verbliebenen
Minister Godnew und Lwow (Oberprokureur des spröd), sie spielten die komische
Figur der Generale auf der Krämerhochzeit, Godnew wolle offenbar weiter
den leeren Staatssäckel kontrollieren usw. Die im Interimistischen Dumakomitee
vereinigte „I. J.-Partei". wie sie Purischkewitsch getauft hat (ispugannoj in-
telligenzt — übersetzt: erschrockene Intelligenz), leistet den kadettischen Provo-
Woren getreue Gefolgschaft. Maslennikow nennt das Exekutivkomitee des
Sowjet einen „Haufe verrückter Fanatiker, Durchgänger und Verräter der
Revolution". Purischkewitsch gibt ihm nichts nach. — Die „Enthüllungen"
Wer Lenin. Parvus. Koslowski u. a. werden fortgesetzt und breitgetreten,
ebenso wie die durch die „bolschewistische Wühlarbeit verursachte Niederlage
der Revolutionsarmee".,—

Es würde zu weit führen, hier auf die einzelnen Phasen der überaus
schweren Krise, die Rußland in den letzten zwei Wochen durchgemacht hat,


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[0279] Die konterrevolutionäre Bewegung in Rußland Der folgende Redner, Sarudny, antwortete Miljukow, „er habe niemals aus dem Munde von Vertretern der Partei der Volksfreiheit, die er zu achten ge¬ wohnt sei. eine trockenere, jeglicher Liebe zum russischen Volke bareErklärung gehört." Der „Djen" schrieb damals: „Es ist ganz klar, daß die Konterrevolution nicht allein mehr die Bolsche- wiki interessiert, sondern alle jene, welche die Kadetten der Möglichkeit beraubt sehen, die revolutionäre Bewegung selbst in die Hand zu nehmen. Das Organ der Kadettenpartei erklärt jetzt offene Fehde Kerenski und Zeretelli. Das ist auch ein Bolschewismus seiner Art, ein Bolschewismus der kriegerischen Bour¬ geoisie. Miljukow und Hessen prätendieren auf jenen politischen Posten, der nach der Flucht Lenins verödete." Die kadettische Agitation benutzt die durch den Krieg und das wirtschaft¬ liche Chaos entstandene Unzufriedenheit der Massen, um die Provisorische Re¬ gierung zu kompromittieren und die Macht der Arbeiter- und Soldatenrüte zu untergraben. Man bringt die einzelnen Truppenteile gegeneinander auf und die Soldaten selbst wieder gegen die Arbeiterschaft. „Bürgerliche Presse und bürgerliche Parteien, die jetzt aufhören, ihren Klassenhaß gegen das aktive Element der russischen Revolution, das Proletariat, zu mäßigen, streben mit allen Kräften danach, die Antibolschewikistimmung der Massen für Zwecke der Diskreditierung der ganzen russischen Revolution und vor allem ihrer bevollmächtigten Organe, der Sowjets und des Bauernbundes zu nützen und machen selbst vor antisemitischer Propaganda nicht Halt. Die Gefahr der Konterrevolution wächst, sie nimmt reale Form an, Gestalt einer möglichen Militärdiktatur" (Jswestija). Miljukow wird von Tag zu Tag offener; schneller und immer schneller verwandelt er sich aus einem Ideologen des russischen Liberalismus in einen solchen der russischen Reaktion. Er geht noch weiter. Er sagt, die Schaffung der revolutionären Diktatur sei ein außerordentlicher Fehler und bedeute den Untergang des Landes. Man höhnt die beiden noch im Kabinett verbliebenen Minister Godnew und Lwow (Oberprokureur des spröd), sie spielten die komische Figur der Generale auf der Krämerhochzeit, Godnew wolle offenbar weiter den leeren Staatssäckel kontrollieren usw. Die im Interimistischen Dumakomitee vereinigte „I. J.-Partei". wie sie Purischkewitsch getauft hat (ispugannoj in- telligenzt — übersetzt: erschrockene Intelligenz), leistet den kadettischen Provo- Woren getreue Gefolgschaft. Maslennikow nennt das Exekutivkomitee des Sowjet einen „Haufe verrückter Fanatiker, Durchgänger und Verräter der Revolution". Purischkewitsch gibt ihm nichts nach. — Die „Enthüllungen" Wer Lenin. Parvus. Koslowski u. a. werden fortgesetzt und breitgetreten, ebenso wie die durch die „bolschewistische Wühlarbeit verursachte Niederlage der Revolutionsarmee".,— Es würde zu weit führen, hier auf die einzelnen Phasen der überaus schweren Krise, die Rußland in den letzten zwei Wochen durchgemacht hat,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/279>, abgerufen am 16.06.2024.