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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Die Polcnfrage vor der Entscheidung

neben den preußischen Interessen auch die der Kurländer ernst in Betracht gezogen
werden.

Die Sicherung im Osten gegen den polnischen Ausdehnungsdrang wäre
nicht vollständig, wenn nicht zwischen das neue Polen und Litauen ein trennender
Keil nichtslawischer Bevölkerung geschoben würde. Mir scheint da die Möglichkeit
gegeben, die Frage der Ostjuden auf den Weg der Lösung zu führen durch
Schaffung eines Siedlungsgebietes für die litauischen Juden im Gebiet Bjalystok
des Gouvernements Grodno. Ein entsprechendes Element ist unter den litauischen
Juden vorhanden.

Die Stadt Bjalystok aber baue man mit seiner auf deutschen Schultern
aufgewachsenen Industrie als ein Umschlagplatz des deutsch-russischen Handels
und Verkehrs durch Anlage west-östlicher Eisenbahnen und Anschluß an die
Wasserwege Ostpreußens und der Ukraina aus. Dies Gebiet werde im übrigen
ebenso behandelt, wie das abgetrennte polnische.

Dies scheint mir ein praktisch durchführbares Programm zu sein, um die
Zukunft der deutscheu Ostmark und den ungestörten Zusammenhang des Baltikums
mit den deutschen Stammlanden auch dem schwersten Anprall der slawischen Woge
gegenüber sicherzustellen. Darauf kommt es an, nicht auf den Erwerb polnischen
Bodens. Der ist Mittel zum Zweck und wird höchst ungern erworben. Je genüg¬
samer wir im Landerwerb im Osten sein können, um so eher werden wir auch
zum Ziele kommen. Freilich, ohne Landzuwachs geht es nicht. Darin liegen
eben die Schwierigkeiten! Ich sehe keinen anderen Weg, der Aussicht hätte, wirksam
zu sein, als die Sprengung des Zusammenhanges zwischen preußischen und russischen
Polen und Polen und Litauen. Im übrigen wird die sicherste Gewähr für eine
Deckung, die wir im Osten in der polnischen Ecke gewinnen können, immer das
Vertrauen auf die eigene Kraft bleiben.

Voraussetzung für eine aussichtsvolle Wendung in der Polenfrage bleibt
aber Österreichs Stellungnahme zu den polnischen Dingen. Österreich sollte zu
seinem und unserem Besten von der Teilnahme an der Polenpolitik außerhalb
Galiziens zurücktreten. Es gab bereits einen Augenblick im Weltkriege, wo Habs¬
burg zu einem solchen Schritt entschlossen war. Ich verkenne dennoch nicht die
Schwierigkeiten innerpolitischer Art bei Habsburg, die sich einer solchen Forderung
entgegenstellen. Manches Imponderabile ist zu überwinden. Andererseits aber
harren noch so ernste und große Aufgaben der Lösung durch Habsburg vor der
Polenfrage, daß es einer zielbewußter und geschickten deutschen Diplomatie nicht
unmöglich sein sollte, der Wiener Regierung Vorteile zu verschaffen, die die Preis¬
gabe ihrer polnischen Interessen mehr als ausgleichen. An der Adria, in der
südslawischen Frage und bei den mitteleuropäischen Dingen sind genug Punkte
vorhanden, wo Deutschland sich dem Bundesgenossen erkenntlich für geleistete
Dienste in Polen erweisen kann.

Daß sich im übrigen der Verwirklichung des vorgetragenen Programms
Hindernisse in den Weg stellen, die manchen vielleicht unüberwindlich erscheinen
werden, ist selbstverständlich/

Nach den Leistungen des deutschen Volkes und seiner Führer in diesem
gewaltigsten aller Kriege, gibt es für mich nichts mehr, was wir auf dem Kon¬
tinente und angelehnt an unsere Heimaterde nicht vollbringen könnten.


Die Polcnfrage vor der Entscheidung

neben den preußischen Interessen auch die der Kurländer ernst in Betracht gezogen
werden.

Die Sicherung im Osten gegen den polnischen Ausdehnungsdrang wäre
nicht vollständig, wenn nicht zwischen das neue Polen und Litauen ein trennender
Keil nichtslawischer Bevölkerung geschoben würde. Mir scheint da die Möglichkeit
gegeben, die Frage der Ostjuden auf den Weg der Lösung zu führen durch
Schaffung eines Siedlungsgebietes für die litauischen Juden im Gebiet Bjalystok
des Gouvernements Grodno. Ein entsprechendes Element ist unter den litauischen
Juden vorhanden.

Die Stadt Bjalystok aber baue man mit seiner auf deutschen Schultern
aufgewachsenen Industrie als ein Umschlagplatz des deutsch-russischen Handels
und Verkehrs durch Anlage west-östlicher Eisenbahnen und Anschluß an die
Wasserwege Ostpreußens und der Ukraina aus. Dies Gebiet werde im übrigen
ebenso behandelt, wie das abgetrennte polnische.

Dies scheint mir ein praktisch durchführbares Programm zu sein, um die
Zukunft der deutscheu Ostmark und den ungestörten Zusammenhang des Baltikums
mit den deutschen Stammlanden auch dem schwersten Anprall der slawischen Woge
gegenüber sicherzustellen. Darauf kommt es an, nicht auf den Erwerb polnischen
Bodens. Der ist Mittel zum Zweck und wird höchst ungern erworben. Je genüg¬
samer wir im Landerwerb im Osten sein können, um so eher werden wir auch
zum Ziele kommen. Freilich, ohne Landzuwachs geht es nicht. Darin liegen
eben die Schwierigkeiten! Ich sehe keinen anderen Weg, der Aussicht hätte, wirksam
zu sein, als die Sprengung des Zusammenhanges zwischen preußischen und russischen
Polen und Polen und Litauen. Im übrigen wird die sicherste Gewähr für eine
Deckung, die wir im Osten in der polnischen Ecke gewinnen können, immer das
Vertrauen auf die eigene Kraft bleiben.

Voraussetzung für eine aussichtsvolle Wendung in der Polenfrage bleibt
aber Österreichs Stellungnahme zu den polnischen Dingen. Österreich sollte zu
seinem und unserem Besten von der Teilnahme an der Polenpolitik außerhalb
Galiziens zurücktreten. Es gab bereits einen Augenblick im Weltkriege, wo Habs¬
burg zu einem solchen Schritt entschlossen war. Ich verkenne dennoch nicht die
Schwierigkeiten innerpolitischer Art bei Habsburg, die sich einer solchen Forderung
entgegenstellen. Manches Imponderabile ist zu überwinden. Andererseits aber
harren noch so ernste und große Aufgaben der Lösung durch Habsburg vor der
Polenfrage, daß es einer zielbewußter und geschickten deutschen Diplomatie nicht
unmöglich sein sollte, der Wiener Regierung Vorteile zu verschaffen, die die Preis¬
gabe ihrer polnischen Interessen mehr als ausgleichen. An der Adria, in der
südslawischen Frage und bei den mitteleuropäischen Dingen sind genug Punkte
vorhanden, wo Deutschland sich dem Bundesgenossen erkenntlich für geleistete
Dienste in Polen erweisen kann.

Daß sich im übrigen der Verwirklichung des vorgetragenen Programms
Hindernisse in den Weg stellen, die manchen vielleicht unüberwindlich erscheinen
werden, ist selbstverständlich/

Nach den Leistungen des deutschen Volkes und seiner Führer in diesem
gewaltigsten aller Kriege, gibt es für mich nichts mehr, was wir auf dem Kon¬
tinente und angelehnt an unsere Heimaterde nicht vollbringen könnten.


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[0164] Die Polcnfrage vor der Entscheidung neben den preußischen Interessen auch die der Kurländer ernst in Betracht gezogen werden. Die Sicherung im Osten gegen den polnischen Ausdehnungsdrang wäre nicht vollständig, wenn nicht zwischen das neue Polen und Litauen ein trennender Keil nichtslawischer Bevölkerung geschoben würde. Mir scheint da die Möglichkeit gegeben, die Frage der Ostjuden auf den Weg der Lösung zu führen durch Schaffung eines Siedlungsgebietes für die litauischen Juden im Gebiet Bjalystok des Gouvernements Grodno. Ein entsprechendes Element ist unter den litauischen Juden vorhanden. Die Stadt Bjalystok aber baue man mit seiner auf deutschen Schultern aufgewachsenen Industrie als ein Umschlagplatz des deutsch-russischen Handels und Verkehrs durch Anlage west-östlicher Eisenbahnen und Anschluß an die Wasserwege Ostpreußens und der Ukraina aus. Dies Gebiet werde im übrigen ebenso behandelt, wie das abgetrennte polnische. Dies scheint mir ein praktisch durchführbares Programm zu sein, um die Zukunft der deutscheu Ostmark und den ungestörten Zusammenhang des Baltikums mit den deutschen Stammlanden auch dem schwersten Anprall der slawischen Woge gegenüber sicherzustellen. Darauf kommt es an, nicht auf den Erwerb polnischen Bodens. Der ist Mittel zum Zweck und wird höchst ungern erworben. Je genüg¬ samer wir im Landerwerb im Osten sein können, um so eher werden wir auch zum Ziele kommen. Freilich, ohne Landzuwachs geht es nicht. Darin liegen eben die Schwierigkeiten! Ich sehe keinen anderen Weg, der Aussicht hätte, wirksam zu sein, als die Sprengung des Zusammenhanges zwischen preußischen und russischen Polen und Polen und Litauen. Im übrigen wird die sicherste Gewähr für eine Deckung, die wir im Osten in der polnischen Ecke gewinnen können, immer das Vertrauen auf die eigene Kraft bleiben. Voraussetzung für eine aussichtsvolle Wendung in der Polenfrage bleibt aber Österreichs Stellungnahme zu den polnischen Dingen. Österreich sollte zu seinem und unserem Besten von der Teilnahme an der Polenpolitik außerhalb Galiziens zurücktreten. Es gab bereits einen Augenblick im Weltkriege, wo Habs¬ burg zu einem solchen Schritt entschlossen war. Ich verkenne dennoch nicht die Schwierigkeiten innerpolitischer Art bei Habsburg, die sich einer solchen Forderung entgegenstellen. Manches Imponderabile ist zu überwinden. Andererseits aber harren noch so ernste und große Aufgaben der Lösung durch Habsburg vor der Polenfrage, daß es einer zielbewußter und geschickten deutschen Diplomatie nicht unmöglich sein sollte, der Wiener Regierung Vorteile zu verschaffen, die die Preis¬ gabe ihrer polnischen Interessen mehr als ausgleichen. An der Adria, in der südslawischen Frage und bei den mitteleuropäischen Dingen sind genug Punkte vorhanden, wo Deutschland sich dem Bundesgenossen erkenntlich für geleistete Dienste in Polen erweisen kann. Daß sich im übrigen der Verwirklichung des vorgetragenen Programms Hindernisse in den Weg stellen, die manchen vielleicht unüberwindlich erscheinen werden, ist selbstverständlich/ Nach den Leistungen des deutschen Volkes und seiner Führer in diesem gewaltigsten aller Kriege, gibt es für mich nichts mehr, was wir auf dem Kon¬ tinente und angelehnt an unsere Heimaterde nicht vollbringen könnten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/164>, abgerufen am 18.05.2024.