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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Wasserhund Mitteleuropa

Von demokratischer und slawischer Seite ist seit jeher als ein wichtiger
Grund gegen die Vertiefung des Bündnisses der Mittemächte die Verschiedenheit
der Verfassungen angeführt und insbesondere auf das preußische Wahlrecht als
Stein des Anstoßes hingewiesen worden. Und nun der König von Preußen die
Beseitigung des Hindernisses in die Wege geleitet hat, erweist es sich, daß nicht
eigentlich das Wahlrecht Bedenken einflößt, sondern vielmehr die Tatsache des
Festhaltens am Nationalstaat durch Preußen. Mit einem Wort: die Slawen
würden sich schließlich mit der Vertiefung des Bündnisses zu einem Bunde aus¬
söhnen, sofern ihnen darin größere Bewegungsfreiheit in ihrem Kampfe gegen das
deutsche Element eingeräumt würde. Das ist des Pudels KernI

Nun scheint es, als wüchse der Gedanke des militärisch gestützten wirtschaftenden
Oberstacites mächtig über die'Nationalstaaten hinaus. Tatsächlich überwuchert er
sie nur, ohne die national-kulturellen Probleme zu lösen oder aus der Welt zu
schaffen, mit solchen der Weltwirtschaft, und gibt ihnen Zeit, sich in neuer Kampf¬
front gegeneinander zu ordnen. Die nationalen Kulturkämpfe bleibenI Ihre
internationale Bedeutung tritt nur vorübergehend zurück, um später um so wuchtiger
auf den Problemen der großen Politik zu lasten. Auch unsere Staatsmänner
scheinen sich dem Wahne hinzugeben, als könnten sie die nationalen Kulturkämpfe
aus der großen Politik verschwinden zu machen. Sie können tatsächlich nur vor¬
übergehend zurücktreten. Sie sind aber sofort wieder da, wenn eine größere
Nation ihr Banner wehen läßt und als solche zum Kampf gegen den nach
wirtschaftlichen Gesichtspunkten gebundenen Staatenkomplex aufruft. Dieser Alter-
native entginge die mitteleuropäische Menschheit auch dann nicht, wenn sie sich zu
einem allgemeinen Staatenbunde auf breitester demokratischer Grundlage, wie ihn
die Sozialisten anstreben, zusammenschlösse. Der Nationalitätenkampf bliebe. Nur
würden die Deutschen durch die Macht der Zahl derart zurückgedrängt sein, daß
ihre kulturelle Überlegenheit nicht mehr zur Geltung käme. Bei einer solchen Viel¬
gestaltung junger, aufstrebender Völker, wie sie Mittel- und Osteuropa beherbergt,
wird noch lange Zeit hindurch wirtschaftlicher und nationaler Kampf sich ablösen
und ergänzen, und die Völker mit niederer sozialer Entwicklungsstufe und mit
stärkerer Vermehrung werden gegen die Völker weiterer sozialer Entwicklung und
geringerer Vermehrung aufbegehren und Bündnisse gegen sie schließen. Für diese
Kämpfe, wo das Deutschtum allein gegen alle slawischen Völker zu stehen haben
wird, -- Kämpfe, die schon lange vor dem Ausbruch des Weltkrieges begonnen
hatten und die dem russischen Imperialismus einen starken Nährgehalt lieferten, --
müssen die Positionen der Deutschen schon heute sorgfältig gesichert werden.

Unter der Voraussetzung gut gelungener nationaler Sicherungen im Reich
sowohl wie in Österreich und Ungarn werden auch wir den wirtschaftenden Ober-
staat,- dessen Umrisse durch die Monarchenbesprechung vom 12. Mai wahrnehmbar
geworden sind, mit Freuden begrüßen und an seinem Ausbau kräftig mitwirken.




Wasserhund Mitteleuropa

Von demokratischer und slawischer Seite ist seit jeher als ein wichtiger
Grund gegen die Vertiefung des Bündnisses der Mittemächte die Verschiedenheit
der Verfassungen angeführt und insbesondere auf das preußische Wahlrecht als
Stein des Anstoßes hingewiesen worden. Und nun der König von Preußen die
Beseitigung des Hindernisses in die Wege geleitet hat, erweist es sich, daß nicht
eigentlich das Wahlrecht Bedenken einflößt, sondern vielmehr die Tatsache des
Festhaltens am Nationalstaat durch Preußen. Mit einem Wort: die Slawen
würden sich schließlich mit der Vertiefung des Bündnisses zu einem Bunde aus¬
söhnen, sofern ihnen darin größere Bewegungsfreiheit in ihrem Kampfe gegen das
deutsche Element eingeräumt würde. Das ist des Pudels KernI

Nun scheint es, als wüchse der Gedanke des militärisch gestützten wirtschaftenden
Oberstacites mächtig über die'Nationalstaaten hinaus. Tatsächlich überwuchert er
sie nur, ohne die national-kulturellen Probleme zu lösen oder aus der Welt zu
schaffen, mit solchen der Weltwirtschaft, und gibt ihnen Zeit, sich in neuer Kampf¬
front gegeneinander zu ordnen. Die nationalen Kulturkämpfe bleibenI Ihre
internationale Bedeutung tritt nur vorübergehend zurück, um später um so wuchtiger
auf den Problemen der großen Politik zu lasten. Auch unsere Staatsmänner
scheinen sich dem Wahne hinzugeben, als könnten sie die nationalen Kulturkämpfe
aus der großen Politik verschwinden zu machen. Sie können tatsächlich nur vor¬
übergehend zurücktreten. Sie sind aber sofort wieder da, wenn eine größere
Nation ihr Banner wehen läßt und als solche zum Kampf gegen den nach
wirtschaftlichen Gesichtspunkten gebundenen Staatenkomplex aufruft. Dieser Alter-
native entginge die mitteleuropäische Menschheit auch dann nicht, wenn sie sich zu
einem allgemeinen Staatenbunde auf breitester demokratischer Grundlage, wie ihn
die Sozialisten anstreben, zusammenschlösse. Der Nationalitätenkampf bliebe. Nur
würden die Deutschen durch die Macht der Zahl derart zurückgedrängt sein, daß
ihre kulturelle Überlegenheit nicht mehr zur Geltung käme. Bei einer solchen Viel¬
gestaltung junger, aufstrebender Völker, wie sie Mittel- und Osteuropa beherbergt,
wird noch lange Zeit hindurch wirtschaftlicher und nationaler Kampf sich ablösen
und ergänzen, und die Völker mit niederer sozialer Entwicklungsstufe und mit
stärkerer Vermehrung werden gegen die Völker weiterer sozialer Entwicklung und
geringerer Vermehrung aufbegehren und Bündnisse gegen sie schließen. Für diese
Kämpfe, wo das Deutschtum allein gegen alle slawischen Völker zu stehen haben
wird, — Kämpfe, die schon lange vor dem Ausbruch des Weltkrieges begonnen
hatten und die dem russischen Imperialismus einen starken Nährgehalt lieferten, —
müssen die Positionen der Deutschen schon heute sorgfältig gesichert werden.

Unter der Voraussetzung gut gelungener nationaler Sicherungen im Reich
sowohl wie in Österreich und Ungarn werden auch wir den wirtschaftenden Ober-
staat,- dessen Umrisse durch die Monarchenbesprechung vom 12. Mai wahrnehmbar
geworden sind, mit Freuden begrüßen und an seinem Ausbau kräftig mitwirken.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/212>, abgerufen am 25.05.2024.