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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Zur römischen Frage

Da wir indessen mit unseren Mahnungen nichts für die Beendigung der unsäg¬
lichen Leiden erreicht haben, so wollen wir uns im Gebete ganz an Gott den
Herrn wenden; der Friede ist ja nicht so sehr eine Frucht menschlicher Bemühung
als ein Geschenk der göttlichen Güte" (1. Januar 1918; "Kölnische Volkszeitung"
vom 24. Februar 1918 Ur. 155).

Aus diesem Briefe spricht die Resignation, und es ist nicht schwer, ihre
Gründe zu erkennen. Einmal: die päpstliche Mahnung an die Regierungen vom
1. August 1917 war wohl von den Staaten des Vierbundes beantwortet worden,
dazu vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, nicht aber von den
europäischen Staaten der Entente, von Italien, England und Frankreich" die seit
dem Frühjahr 1917 auf das Ausscheiden Rußlands aus ihrem Kreise, auf den
Zusammenbruch der Regierung des Zaren sich gefaßt machen mußten. Dazu kam:
gegen Ende November 1917 veröffentlichte die russische Zeitung "Jswestija" den
Wortlaut jenes Londoner Vertrages, durch den am 26. April 1915 Italien sich an
England, Frankreich und Rußlar-d verkauft hatte. Es ergab sich, daß Italien,
das im Jahre 1899 die Zulassung des Papstes zur Haager Friedenskonferenz ver¬
eitelt hatte, diesmal sich treu geblieben war. Es wollte und will nichts wissen von
einer Zulassung von Vertretern des päpstlichen Stuhles "zu irgendwelchen Schritten
betreffend den Abschluß eines Friedens oder die Regulierung von Fragen, die mit
dem gegenwärtigen Krieg zusammenhängen". Und endlich: diesem selben Italien
brachte die gewaltige Offensive der Deutschen und Österreicher eine schwere Nieder¬
lage, drohte die Gefahr, zum Sonderfrieden gezwungen zu werden, also die
militärische und politische Vernichtung nach Art von Rumänien.

Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche hat bisher in mehr als
schwieriger Lage sich der Neutralität zu befleißigen getrachtet. Als geborener
Italiener konnte und kann Benedikt der Fünfzehnte die Ausschaltung seines Vater¬
landes aus -dem Areopag der europäischen Mächte nicht wünschen. Eine noch¬
malige Friedenskundgebung wäre ihm von den italienischen papftfeindlichen Par¬
teien und Wortführern als Zeichen der Neutralitätsverletzung gedeutet worden,
hätte ihre niemals ruhende Wühlarbeit gegen den Vatikan gesteigert, diesen also
in seinem Bestände gefährdet. Benedikt der Fünfzehnte konnte nicht anders als seinen
Lerzichtauf jeden weiteren offiziellen Schritt zurHerbeiführung des Friedens bekunden.

Es gilt überdies darauf zu verweisen, daß in seinem Schreiben zugleich das
Eingeständnis beschlossen liegt, von sich aus nichts mehr zur Lösung der römischen
Frage tun zu können. Im Herbst 1915 noch sind, wie angenommen werden darf,
unverbindliche Besprechungen zwischen Vertrauensmännern des Vatikans und des
Quirinals gepflogen worden, bie auf eine Klärung des Verhältnisses zwischen Papst
und Italien abzielten. Auf welche Punkte immer sie sich richteten, jedenfalls sind
die Verhandlungen gescheitert, einerlei durch wessen Schuld. Truge nicht alles,
so besteht wie vordem die Erklärung des Kardinalstaatssekretärs Gaspnrri vom
28. Juni 1915 zu Recht: "Wenn es dein Heiligen Vater auch mit Rücksicht auf
seine Neutralität fernliegt, der (italienischen) Regierung irgendwelche Schwierig¬
keiten bereiten zu wollen, so setzt er vielmehr all sein Vertrauen auf Gott. Er erwartet
eine angemessene Gestaltung nicht von den fremden Waffen, sondern vom Sieg
des Gerechtigkeitssinnes, welcher wie er hofft sich im italienischen Volke, seinen
wahren Interessen entsprechend, mehr und mehr durchsetzen wird" ("Stimmen der
Zeit" 91, 1916, S. 573). Die Lösung der römischen Frage, so dürfen diese
Worts gedeutet werden, soll kein Kriegsziel sein, weder der Entente noch des Vier¬
bundes. Sie ist eine Aufgabe des Papstes und Italiens allein, bedarf also keiner
Begutachtung oder Billigung durch andere Mächte. Nur der Papst kann ent¬
scheiden, in welchen: Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen sie statthaft ist.
Wann und wie immer seine Entscheidung fällt, ihr zu gehorchen und sie als un¬
umstößlich zu achten, ist Gehorsamspflicht aller Katholiken der Welt. Sie wird
die Kirche und daS Papsttum binden sür alle Zukunft.

Die Erklärung des Kardinalstaatssekretärs enthielt und enthält noch heute
Mahnungen an mehr als eine Seite. Zunächst an alle die, deren begreiflicher


Zur römischen Frage

Da wir indessen mit unseren Mahnungen nichts für die Beendigung der unsäg¬
lichen Leiden erreicht haben, so wollen wir uns im Gebete ganz an Gott den
Herrn wenden; der Friede ist ja nicht so sehr eine Frucht menschlicher Bemühung
als ein Geschenk der göttlichen Güte" (1. Januar 1918; „Kölnische Volkszeitung"
vom 24. Februar 1918 Ur. 155).

Aus diesem Briefe spricht die Resignation, und es ist nicht schwer, ihre
Gründe zu erkennen. Einmal: die päpstliche Mahnung an die Regierungen vom
1. August 1917 war wohl von den Staaten des Vierbundes beantwortet worden,
dazu vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, nicht aber von den
europäischen Staaten der Entente, von Italien, England und Frankreich» die seit
dem Frühjahr 1917 auf das Ausscheiden Rußlands aus ihrem Kreise, auf den
Zusammenbruch der Regierung des Zaren sich gefaßt machen mußten. Dazu kam:
gegen Ende November 1917 veröffentlichte die russische Zeitung „Jswestija" den
Wortlaut jenes Londoner Vertrages, durch den am 26. April 1915 Italien sich an
England, Frankreich und Rußlar-d verkauft hatte. Es ergab sich, daß Italien,
das im Jahre 1899 die Zulassung des Papstes zur Haager Friedenskonferenz ver¬
eitelt hatte, diesmal sich treu geblieben war. Es wollte und will nichts wissen von
einer Zulassung von Vertretern des päpstlichen Stuhles „zu irgendwelchen Schritten
betreffend den Abschluß eines Friedens oder die Regulierung von Fragen, die mit
dem gegenwärtigen Krieg zusammenhängen". Und endlich: diesem selben Italien
brachte die gewaltige Offensive der Deutschen und Österreicher eine schwere Nieder¬
lage, drohte die Gefahr, zum Sonderfrieden gezwungen zu werden, also die
militärische und politische Vernichtung nach Art von Rumänien.

Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche hat bisher in mehr als
schwieriger Lage sich der Neutralität zu befleißigen getrachtet. Als geborener
Italiener konnte und kann Benedikt der Fünfzehnte die Ausschaltung seines Vater¬
landes aus -dem Areopag der europäischen Mächte nicht wünschen. Eine noch¬
malige Friedenskundgebung wäre ihm von den italienischen papftfeindlichen Par¬
teien und Wortführern als Zeichen der Neutralitätsverletzung gedeutet worden,
hätte ihre niemals ruhende Wühlarbeit gegen den Vatikan gesteigert, diesen also
in seinem Bestände gefährdet. Benedikt der Fünfzehnte konnte nicht anders als seinen
Lerzichtauf jeden weiteren offiziellen Schritt zurHerbeiführung des Friedens bekunden.

Es gilt überdies darauf zu verweisen, daß in seinem Schreiben zugleich das
Eingeständnis beschlossen liegt, von sich aus nichts mehr zur Lösung der römischen
Frage tun zu können. Im Herbst 1915 noch sind, wie angenommen werden darf,
unverbindliche Besprechungen zwischen Vertrauensmännern des Vatikans und des
Quirinals gepflogen worden, bie auf eine Klärung des Verhältnisses zwischen Papst
und Italien abzielten. Auf welche Punkte immer sie sich richteten, jedenfalls sind
die Verhandlungen gescheitert, einerlei durch wessen Schuld. Truge nicht alles,
so besteht wie vordem die Erklärung des Kardinalstaatssekretärs Gaspnrri vom
28. Juni 1915 zu Recht: „Wenn es dein Heiligen Vater auch mit Rücksicht auf
seine Neutralität fernliegt, der (italienischen) Regierung irgendwelche Schwierig¬
keiten bereiten zu wollen, so setzt er vielmehr all sein Vertrauen auf Gott. Er erwartet
eine angemessene Gestaltung nicht von den fremden Waffen, sondern vom Sieg
des Gerechtigkeitssinnes, welcher wie er hofft sich im italienischen Volke, seinen
wahren Interessen entsprechend, mehr und mehr durchsetzen wird" („Stimmen der
Zeit" 91, 1916, S. 573). Die Lösung der römischen Frage, so dürfen diese
Worts gedeutet werden, soll kein Kriegsziel sein, weder der Entente noch des Vier¬
bundes. Sie ist eine Aufgabe des Papstes und Italiens allein, bedarf also keiner
Begutachtung oder Billigung durch andere Mächte. Nur der Papst kann ent¬
scheiden, in welchen: Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen sie statthaft ist.
Wann und wie immer seine Entscheidung fällt, ihr zu gehorchen und sie als un¬
umstößlich zu achten, ist Gehorsamspflicht aller Katholiken der Welt. Sie wird
die Kirche und daS Papsttum binden sür alle Zukunft.

Die Erklärung des Kardinalstaatssekretärs enthielt und enthält noch heute
Mahnungen an mehr als eine Seite. Zunächst an alle die, deren begreiflicher


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[0022] Zur römischen Frage Da wir indessen mit unseren Mahnungen nichts für die Beendigung der unsäg¬ lichen Leiden erreicht haben, so wollen wir uns im Gebete ganz an Gott den Herrn wenden; der Friede ist ja nicht so sehr eine Frucht menschlicher Bemühung als ein Geschenk der göttlichen Güte" (1. Januar 1918; „Kölnische Volkszeitung" vom 24. Februar 1918 Ur. 155). Aus diesem Briefe spricht die Resignation, und es ist nicht schwer, ihre Gründe zu erkennen. Einmal: die päpstliche Mahnung an die Regierungen vom 1. August 1917 war wohl von den Staaten des Vierbundes beantwortet worden, dazu vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, nicht aber von den europäischen Staaten der Entente, von Italien, England und Frankreich» die seit dem Frühjahr 1917 auf das Ausscheiden Rußlands aus ihrem Kreise, auf den Zusammenbruch der Regierung des Zaren sich gefaßt machen mußten. Dazu kam: gegen Ende November 1917 veröffentlichte die russische Zeitung „Jswestija" den Wortlaut jenes Londoner Vertrages, durch den am 26. April 1915 Italien sich an England, Frankreich und Rußlar-d verkauft hatte. Es ergab sich, daß Italien, das im Jahre 1899 die Zulassung des Papstes zur Haager Friedenskonferenz ver¬ eitelt hatte, diesmal sich treu geblieben war. Es wollte und will nichts wissen von einer Zulassung von Vertretern des päpstlichen Stuhles „zu irgendwelchen Schritten betreffend den Abschluß eines Friedens oder die Regulierung von Fragen, die mit dem gegenwärtigen Krieg zusammenhängen". Und endlich: diesem selben Italien brachte die gewaltige Offensive der Deutschen und Österreicher eine schwere Nieder¬ lage, drohte die Gefahr, zum Sonderfrieden gezwungen zu werden, also die militärische und politische Vernichtung nach Art von Rumänien. Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche hat bisher in mehr als schwieriger Lage sich der Neutralität zu befleißigen getrachtet. Als geborener Italiener konnte und kann Benedikt der Fünfzehnte die Ausschaltung seines Vater¬ landes aus -dem Areopag der europäischen Mächte nicht wünschen. Eine noch¬ malige Friedenskundgebung wäre ihm von den italienischen papftfeindlichen Par¬ teien und Wortführern als Zeichen der Neutralitätsverletzung gedeutet worden, hätte ihre niemals ruhende Wühlarbeit gegen den Vatikan gesteigert, diesen also in seinem Bestände gefährdet. Benedikt der Fünfzehnte konnte nicht anders als seinen Lerzichtauf jeden weiteren offiziellen Schritt zurHerbeiführung des Friedens bekunden. Es gilt überdies darauf zu verweisen, daß in seinem Schreiben zugleich das Eingeständnis beschlossen liegt, von sich aus nichts mehr zur Lösung der römischen Frage tun zu können. Im Herbst 1915 noch sind, wie angenommen werden darf, unverbindliche Besprechungen zwischen Vertrauensmännern des Vatikans und des Quirinals gepflogen worden, bie auf eine Klärung des Verhältnisses zwischen Papst und Italien abzielten. Auf welche Punkte immer sie sich richteten, jedenfalls sind die Verhandlungen gescheitert, einerlei durch wessen Schuld. Truge nicht alles, so besteht wie vordem die Erklärung des Kardinalstaatssekretärs Gaspnrri vom 28. Juni 1915 zu Recht: „Wenn es dein Heiligen Vater auch mit Rücksicht auf seine Neutralität fernliegt, der (italienischen) Regierung irgendwelche Schwierig¬ keiten bereiten zu wollen, so setzt er vielmehr all sein Vertrauen auf Gott. Er erwartet eine angemessene Gestaltung nicht von den fremden Waffen, sondern vom Sieg des Gerechtigkeitssinnes, welcher wie er hofft sich im italienischen Volke, seinen wahren Interessen entsprechend, mehr und mehr durchsetzen wird" („Stimmen der Zeit" 91, 1916, S. 573). Die Lösung der römischen Frage, so dürfen diese Worts gedeutet werden, soll kein Kriegsziel sein, weder der Entente noch des Vier¬ bundes. Sie ist eine Aufgabe des Papstes und Italiens allein, bedarf also keiner Begutachtung oder Billigung durch andere Mächte. Nur der Papst kann ent¬ scheiden, in welchen: Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen sie statthaft ist. Wann und wie immer seine Entscheidung fällt, ihr zu gehorchen und sie als un¬ umstößlich zu achten, ist Gehorsamspflicht aller Katholiken der Welt. Sie wird die Kirche und daS Papsttum binden sür alle Zukunft. Die Erklärung des Kardinalstaatssekretärs enthielt und enthält noch heute Mahnungen an mehr als eine Seite. Zunächst an alle die, deren begreiflicher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/22>, abgerufen am 25.05.2024.