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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Zur römischen Frage

Wunsch es war und ist, Italien für seinen Eintritt in den Krieg durch Aufrollung
der römischen Frage zu bestrafen. Weiterhin an alle, die in Aufsätzen und Flug¬
schriften diesen oder jenen Vorschlag zur Lösung des Problems machten. Es kann
dahingestellt bleiben, ob der eine oder andere Artikel eine Art Fühler war, der
erkunden sollte, wie weit Rom das Maß seiner Forderungen würde ausdehnen
können --, sicher ist, daß die erregte und erregende Publizistik für die Kurie auch
ungelegen war, weil sie deren Haupt fast nur als im Schutze des Vierbundes
sicher hinstellte, es also aus seiner Neutralität herauszureißen drohte, die es, an¬
gesichts der papstfeindlichen Strömungen im Lande nicht preisgeben durfte. Wer
sich der Mühe unterzogen hat, der Literatur über die römische Frage in den
Jahren 1914 bis 1917 nachzugehen, kann sich der Meinung nicht verschließen: je
lauter sie Forderungen für den Papst und seine wie immer zu sichernde weltliche
Souveränität auf Grund eines größeren oder kleineren Landbesitzes erhob, um so
mehr erweckte sie Erwartungen, die ohne Waffengewalt nicht durchführbar waren,
um so mehr anch erschwerte sie insonderheit den citramontanen Katholiken den
Gehorsam gegenüber einer noch zu erwartenden päpstlichen Entscheidung, die den
Umfang dessen, was an unabhängigem Gebiet dem Papst nötig sein soll, einzig
und allein im Verein mit dem italienischen Volk zu bestimmen vermag. Wie die
allgemein politische Lage in Europa und die Dinge aus der Apenninenhalbinsel
sich gestaltet haben, sieht sich die diplomatische Kunst der Kurie vor einer Aufgabe,
wie sie nicht größer gedacht werden kann. Auf ihr lastet die Pflicht zu vorsichtigster
Behutsamkeit, sorgfältigster Erwägung, peinlichster Rücksicht nicht allein auf die
befehdenden italienischen Parteien, sondern auch auf das papstfeindliche Frankreich,
auf die papsttreuen Katholiken im Deutschen Reiche und in Osterreich - Ungarn.
Haben nicht die Generalversammlungen der Katholiken für den Papst eine Be¬
freiung aus seiner Gefangenschaft, als Mittel dazu einen Kirchenstaat herbei¬
gewünscht? Haben sie nicht, seitdem in Leos des Dreizehnter (f 1903) letzten
Lebensjahren eine Annäherung zwischen Vatikan und Quirinal sich anzubahnen
schien, erklärt, nur dann sei die Freiheit und Unabhängigkeit des Papstes als
verbürgt anzusehen, "wenn ein Zustand hergestellt sein wird, welchem auch der
Papst selbst seine Zustimmung hat geben können?"

Schafft aber die päpstliche Entscheidung die römische Frage aus der Welt,
verhindert sie als päpstliche Willensäußerung die Kritik an ihrem Inhalt, so ver¬
mag sie nicht das Recht und die Pflicht der historischen Wissenschaft aufzuheben,
sich rückwärtsschauend mit jenem Problem zu befassen, um sein Werden, Wesen
und schließliches Ende zu erkunden. Es durchzieht die Geschichte des Papsttums,
seit die Bischöfe vou Rom Landbesitz erwarben, seit sie im achten Jahrhundert mit
Hilfe des fränkischen Königtums der Karolinger sich einen Staat schufen. Ost ist
versucht worden, die wirrenreiche Entwicklung des Patrimonium Petri, seine Ver¬
fassung und seine Verwaltung zu schildern --, abschließend ist noch keine Dar¬
stellung, da ihr Verfasser fast zuviele Fäden in starker Hand halten muß, um
jedem einzelnen die ihm gebührende Stell" im Geflecht der Geschichte zu sichern.
Immer war das Papsttum eine Zloria nullum. aber auch eine Zloria ciel monclv.
und eben diese Spannung zwischen italienischer Nationalität und kirchlichem Uni¬
versalismus hat der römischen Frage ihre Bedeutung verliehen. Italien ohne
das Papsttum, das Papsttum ohne Rom, das eine ist undenkbar wie das andere.
Während der größte aller Päpste, Gregor der Siebente (-f 1085). außerhalb Roms
starb und in Salerno seine letzte Ruhestätte fand, warf der römische Pöbel mit
Steinen nach der Bahre des in Civita Castellana verschiedenen Alexander des Dritten
(f 1181), des Vorkämpfers der italienischen Nation gegen den Imperialismus
Friedrichs des Rotbarts. Mehr als ein Papst des dreizehnten Jahrhunderts konnte
während seines Pontifikats die ewige Stadt nicht betreten, die in: vierzehnten Jahr¬
hundert, dem eines Cota ti Nienzv (f 1354) und der babylonischen Gefangenschaft
der Päpste in Avignon, verkam, bis erst die Beendigung des Schisma die Kurie
an ihren altgeheiligten Sitz zurückkehren ließ. Um die Wende des fünfzehnten und
sechzehnten Jahrhunderts wurde der Rovere Julius der Zweite ( f 1503) der Neu-


Zur römischen Frage

Wunsch es war und ist, Italien für seinen Eintritt in den Krieg durch Aufrollung
der römischen Frage zu bestrafen. Weiterhin an alle, die in Aufsätzen und Flug¬
schriften diesen oder jenen Vorschlag zur Lösung des Problems machten. Es kann
dahingestellt bleiben, ob der eine oder andere Artikel eine Art Fühler war, der
erkunden sollte, wie weit Rom das Maß seiner Forderungen würde ausdehnen
können —, sicher ist, daß die erregte und erregende Publizistik für die Kurie auch
ungelegen war, weil sie deren Haupt fast nur als im Schutze des Vierbundes
sicher hinstellte, es also aus seiner Neutralität herauszureißen drohte, die es, an¬
gesichts der papstfeindlichen Strömungen im Lande nicht preisgeben durfte. Wer
sich der Mühe unterzogen hat, der Literatur über die römische Frage in den
Jahren 1914 bis 1917 nachzugehen, kann sich der Meinung nicht verschließen: je
lauter sie Forderungen für den Papst und seine wie immer zu sichernde weltliche
Souveränität auf Grund eines größeren oder kleineren Landbesitzes erhob, um so
mehr erweckte sie Erwartungen, die ohne Waffengewalt nicht durchführbar waren,
um so mehr anch erschwerte sie insonderheit den citramontanen Katholiken den
Gehorsam gegenüber einer noch zu erwartenden päpstlichen Entscheidung, die den
Umfang dessen, was an unabhängigem Gebiet dem Papst nötig sein soll, einzig
und allein im Verein mit dem italienischen Volk zu bestimmen vermag. Wie die
allgemein politische Lage in Europa und die Dinge aus der Apenninenhalbinsel
sich gestaltet haben, sieht sich die diplomatische Kunst der Kurie vor einer Aufgabe,
wie sie nicht größer gedacht werden kann. Auf ihr lastet die Pflicht zu vorsichtigster
Behutsamkeit, sorgfältigster Erwägung, peinlichster Rücksicht nicht allein auf die
befehdenden italienischen Parteien, sondern auch auf das papstfeindliche Frankreich,
auf die papsttreuen Katholiken im Deutschen Reiche und in Osterreich - Ungarn.
Haben nicht die Generalversammlungen der Katholiken für den Papst eine Be¬
freiung aus seiner Gefangenschaft, als Mittel dazu einen Kirchenstaat herbei¬
gewünscht? Haben sie nicht, seitdem in Leos des Dreizehnter (f 1903) letzten
Lebensjahren eine Annäherung zwischen Vatikan und Quirinal sich anzubahnen
schien, erklärt, nur dann sei die Freiheit und Unabhängigkeit des Papstes als
verbürgt anzusehen, „wenn ein Zustand hergestellt sein wird, welchem auch der
Papst selbst seine Zustimmung hat geben können?"

Schafft aber die päpstliche Entscheidung die römische Frage aus der Welt,
verhindert sie als päpstliche Willensäußerung die Kritik an ihrem Inhalt, so ver¬
mag sie nicht das Recht und die Pflicht der historischen Wissenschaft aufzuheben,
sich rückwärtsschauend mit jenem Problem zu befassen, um sein Werden, Wesen
und schließliches Ende zu erkunden. Es durchzieht die Geschichte des Papsttums,
seit die Bischöfe vou Rom Landbesitz erwarben, seit sie im achten Jahrhundert mit
Hilfe des fränkischen Königtums der Karolinger sich einen Staat schufen. Ost ist
versucht worden, die wirrenreiche Entwicklung des Patrimonium Petri, seine Ver¬
fassung und seine Verwaltung zu schildern —, abschließend ist noch keine Dar¬
stellung, da ihr Verfasser fast zuviele Fäden in starker Hand halten muß, um
jedem einzelnen die ihm gebührende Stell« im Geflecht der Geschichte zu sichern.
Immer war das Papsttum eine Zloria nullum. aber auch eine Zloria ciel monclv.
und eben diese Spannung zwischen italienischer Nationalität und kirchlichem Uni¬
versalismus hat der römischen Frage ihre Bedeutung verliehen. Italien ohne
das Papsttum, das Papsttum ohne Rom, das eine ist undenkbar wie das andere.
Während der größte aller Päpste, Gregor der Siebente (-f 1085). außerhalb Roms
starb und in Salerno seine letzte Ruhestätte fand, warf der römische Pöbel mit
Steinen nach der Bahre des in Civita Castellana verschiedenen Alexander des Dritten
(f 1181), des Vorkämpfers der italienischen Nation gegen den Imperialismus
Friedrichs des Rotbarts. Mehr als ein Papst des dreizehnten Jahrhunderts konnte
während seines Pontifikats die ewige Stadt nicht betreten, die in: vierzehnten Jahr¬
hundert, dem eines Cota ti Nienzv (f 1354) und der babylonischen Gefangenschaft
der Päpste in Avignon, verkam, bis erst die Beendigung des Schisma die Kurie
an ihren altgeheiligten Sitz zurückkehren ließ. Um die Wende des fünfzehnten und
sechzehnten Jahrhunderts wurde der Rovere Julius der Zweite ( f 1503) der Neu-


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[0023] Zur römischen Frage Wunsch es war und ist, Italien für seinen Eintritt in den Krieg durch Aufrollung der römischen Frage zu bestrafen. Weiterhin an alle, die in Aufsätzen und Flug¬ schriften diesen oder jenen Vorschlag zur Lösung des Problems machten. Es kann dahingestellt bleiben, ob der eine oder andere Artikel eine Art Fühler war, der erkunden sollte, wie weit Rom das Maß seiner Forderungen würde ausdehnen können —, sicher ist, daß die erregte und erregende Publizistik für die Kurie auch ungelegen war, weil sie deren Haupt fast nur als im Schutze des Vierbundes sicher hinstellte, es also aus seiner Neutralität herauszureißen drohte, die es, an¬ gesichts der papstfeindlichen Strömungen im Lande nicht preisgeben durfte. Wer sich der Mühe unterzogen hat, der Literatur über die römische Frage in den Jahren 1914 bis 1917 nachzugehen, kann sich der Meinung nicht verschließen: je lauter sie Forderungen für den Papst und seine wie immer zu sichernde weltliche Souveränität auf Grund eines größeren oder kleineren Landbesitzes erhob, um so mehr erweckte sie Erwartungen, die ohne Waffengewalt nicht durchführbar waren, um so mehr anch erschwerte sie insonderheit den citramontanen Katholiken den Gehorsam gegenüber einer noch zu erwartenden päpstlichen Entscheidung, die den Umfang dessen, was an unabhängigem Gebiet dem Papst nötig sein soll, einzig und allein im Verein mit dem italienischen Volk zu bestimmen vermag. Wie die allgemein politische Lage in Europa und die Dinge aus der Apenninenhalbinsel sich gestaltet haben, sieht sich die diplomatische Kunst der Kurie vor einer Aufgabe, wie sie nicht größer gedacht werden kann. Auf ihr lastet die Pflicht zu vorsichtigster Behutsamkeit, sorgfältigster Erwägung, peinlichster Rücksicht nicht allein auf die befehdenden italienischen Parteien, sondern auch auf das papstfeindliche Frankreich, auf die papsttreuen Katholiken im Deutschen Reiche und in Osterreich - Ungarn. Haben nicht die Generalversammlungen der Katholiken für den Papst eine Be¬ freiung aus seiner Gefangenschaft, als Mittel dazu einen Kirchenstaat herbei¬ gewünscht? Haben sie nicht, seitdem in Leos des Dreizehnter (f 1903) letzten Lebensjahren eine Annäherung zwischen Vatikan und Quirinal sich anzubahnen schien, erklärt, nur dann sei die Freiheit und Unabhängigkeit des Papstes als verbürgt anzusehen, „wenn ein Zustand hergestellt sein wird, welchem auch der Papst selbst seine Zustimmung hat geben können?" Schafft aber die päpstliche Entscheidung die römische Frage aus der Welt, verhindert sie als päpstliche Willensäußerung die Kritik an ihrem Inhalt, so ver¬ mag sie nicht das Recht und die Pflicht der historischen Wissenschaft aufzuheben, sich rückwärtsschauend mit jenem Problem zu befassen, um sein Werden, Wesen und schließliches Ende zu erkunden. Es durchzieht die Geschichte des Papsttums, seit die Bischöfe vou Rom Landbesitz erwarben, seit sie im achten Jahrhundert mit Hilfe des fränkischen Königtums der Karolinger sich einen Staat schufen. Ost ist versucht worden, die wirrenreiche Entwicklung des Patrimonium Petri, seine Ver¬ fassung und seine Verwaltung zu schildern —, abschließend ist noch keine Dar¬ stellung, da ihr Verfasser fast zuviele Fäden in starker Hand halten muß, um jedem einzelnen die ihm gebührende Stell« im Geflecht der Geschichte zu sichern. Immer war das Papsttum eine Zloria nullum. aber auch eine Zloria ciel monclv. und eben diese Spannung zwischen italienischer Nationalität und kirchlichem Uni¬ versalismus hat der römischen Frage ihre Bedeutung verliehen. Italien ohne das Papsttum, das Papsttum ohne Rom, das eine ist undenkbar wie das andere. Während der größte aller Päpste, Gregor der Siebente (-f 1085). außerhalb Roms starb und in Salerno seine letzte Ruhestätte fand, warf der römische Pöbel mit Steinen nach der Bahre des in Civita Castellana verschiedenen Alexander des Dritten (f 1181), des Vorkämpfers der italienischen Nation gegen den Imperialismus Friedrichs des Rotbarts. Mehr als ein Papst des dreizehnten Jahrhunderts konnte während seines Pontifikats die ewige Stadt nicht betreten, die in: vierzehnten Jahr¬ hundert, dem eines Cota ti Nienzv (f 1354) und der babylonischen Gefangenschaft der Päpste in Avignon, verkam, bis erst die Beendigung des Schisma die Kurie an ihren altgeheiligten Sitz zurückkehren ließ. Um die Wende des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts wurde der Rovere Julius der Zweite ( f 1503) der Neu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/23>, abgerufen am 17.06.2024.