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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Zur Vertiefung des Bündnisses

Übereinstimmung mit dem Vielverband und der österreichischen Sozialdemokratie
die Verwandlung des Einheitsstaates mindestens in einen "Bundesstaat" ver¬
langen, aufs gefährlichste ermutigt, es zeigt sich dann auch sogleich, daß der ge¬
sunde Sinn der deutschen Bevölkerung, allen deutsch sprechenden Nurösterreichern
oder anderen. strebend-Bemühten zum Trotz, jede Entfernung von Deutschland
mit einer für die lavierenden Regierungen unbequemen Stärkung des National-
gefühles erwidert. Merkwürdigerweise rufen die deutschen Kundgebungen, sofern
sie nur genügend kräftig den Willen zum Volkszusammenhang betonen, jedesmal
gewisse offizielle Kreise schneller auf den Plan als jahrelange vielverbcmdsfreund-
liche, offen hochverräterische Wühlereien, der Slawen es vermochten. Dabei ist es
doch schon durch die Lage der Deutsch-Österreicher gegeben, daß von einer eigent¬
lichen Jrredenta bei ihnen nicht die Rede sein kann, sofern sie nicht tatsächlich zur
Verzweiflung getrieben werden. Sie werden immer, solange dieser Weg ihnen
die Möglichkeit zur Erhaltung ihres völkischen Daseins gewährt, nur ein starkes,
mit Deutschland verbündetes Osterreich anstreben, während alle slawischen Pläne,
wie sie seit der Amnestie offen verkündet, seit Beginn des Krieges heimlich gepflegt
wurden, notwendigerweise die Zerreißung der Monarchie zur Folge haben müßten,
wenn sie durchdrängen.

Da nun die Deutsch-Österreicher immer wieder betonen, daß sie als die
Grundlage eines starken Österreichs das Bündnis mit Deutschland ansehen, hat
sich allmählich bei den österreichischen Regierungen die Anschauung festgesetzt, daß
sowohl die Stärkung des Staatszusammenhcmges als auch die Vertiefung des
Bündnisses ein Zugeständnis an die Deutsch-Österreicher bedeute, für das sie in
verschiedenen Münzsorten politisch und wirtschaftlich ihrerseits zahlen müßten.
Insofern, als die Österreicher über das ganze Reich verstreut wohnen und nicht
als Böhmen, Mährer, Steirer usw., sondern nur als Deutsch-Österreicher und
als Angehörige des Gesamtdeutschtums etwas bedeuten können, kommt ihnen frei¬
lich ein einheitlicheres Osterreich und das Bündnis mit Deutschland zustatten.
Über es liegt doch auf der Hand, daß sie dafür aus eine Möglichkeit verzichten
müssen, welche die kleinen Völker ununterbrochen als ihr "Selbstbestimmungsrecht"
verkünden: auf die Möglichkeit zum staatlichen Zusammenschluß aller Volksange¬
hörigen. Dieser Verzicht kann ihnen zwar auch nicht als Verdienst angerechnet
werden, er ist aber doch unzweifelhaft kennzeichnend für die Grenzen dessen, was
man vom Deutschtum an völkischer Selbstaufopferung fordern kann. Das Bündnis
und eine gewisse Einheit Österreichs bedeuten gewissermaßen das Mindestmaß an
Lebensnotwendigkeiten des deutschen Volkes in Österreich, das nicht vermindert
werden könnte, ohne daß nicht nur Teile, sondern das Ganze der deutschen Voll-
heit sich lebensgefährlich bedroht fühlen und zur Wehr setzen müßte.

Wenn deshalb etwa die Beratungen über das Bündnis nebenbei demselben
Zwecke dienen sollten wie die Kreishaupimannschaften in Böhmen: der Beruhigung
der deutschen Bevölkerung -- so darf man weder in Deutschland noch in Oster¬
reich darüber im unklaren sein, daß das Deutschtum in Österreich noch ganz
anderer Befestigungen und Sicherungen bedarf, um seiner Aufgabe als Träger
des Bündnisses nachkommen zu können. Das Wichtigste, von dem, was nottut,
muß es freilich selbst leisten. Die Erstarkung der deutschen Volksräte und
die Bemühungen, sie zusammenzuschließen, weisen den richtigen Weg (sieh
die Aufsätze "Sammlung", "Zur Bündnisfrage" und "Vertrauen zu
Volksgenossen!" in Heft 1, 8 und 9 der "Deutschen Arbeit"). Die Volksräte
stellen Zeugnisse deutscher Selbstverwaltung dar, die schon rein theoretisch die Be¬
achtung der deutschen Öffentlichkeit verdienten. Sie vereinigen Vertreter der
Parteien mit denen der völkischen Vereine und der in Osterreich bekanntlich außer¬
ordentlich ausgebauten Selbstverwaltung in Bezirk und Gemeinde. Diese Volks¬
räte bilden eine gerade in Osterreich sehr notwendige Ergänzung der deutschen
parlamentarischen Vertretung. Bei dem unendlich verwickelten Zusammenwirken
wirtschaftlicher, allgemeinpolitischer und nationalpolitischer Kräfte im österreichischen
Reichsrat geraten die deutschen Parteien immer wieder in Konflikte zwischen


Zur Vertiefung des Bündnisses

Übereinstimmung mit dem Vielverband und der österreichischen Sozialdemokratie
die Verwandlung des Einheitsstaates mindestens in einen „Bundesstaat" ver¬
langen, aufs gefährlichste ermutigt, es zeigt sich dann auch sogleich, daß der ge¬
sunde Sinn der deutschen Bevölkerung, allen deutsch sprechenden Nurösterreichern
oder anderen. strebend-Bemühten zum Trotz, jede Entfernung von Deutschland
mit einer für die lavierenden Regierungen unbequemen Stärkung des National-
gefühles erwidert. Merkwürdigerweise rufen die deutschen Kundgebungen, sofern
sie nur genügend kräftig den Willen zum Volkszusammenhang betonen, jedesmal
gewisse offizielle Kreise schneller auf den Plan als jahrelange vielverbcmdsfreund-
liche, offen hochverräterische Wühlereien, der Slawen es vermochten. Dabei ist es
doch schon durch die Lage der Deutsch-Österreicher gegeben, daß von einer eigent¬
lichen Jrredenta bei ihnen nicht die Rede sein kann, sofern sie nicht tatsächlich zur
Verzweiflung getrieben werden. Sie werden immer, solange dieser Weg ihnen
die Möglichkeit zur Erhaltung ihres völkischen Daseins gewährt, nur ein starkes,
mit Deutschland verbündetes Osterreich anstreben, während alle slawischen Pläne,
wie sie seit der Amnestie offen verkündet, seit Beginn des Krieges heimlich gepflegt
wurden, notwendigerweise die Zerreißung der Monarchie zur Folge haben müßten,
wenn sie durchdrängen.

Da nun die Deutsch-Österreicher immer wieder betonen, daß sie als die
Grundlage eines starken Österreichs das Bündnis mit Deutschland ansehen, hat
sich allmählich bei den österreichischen Regierungen die Anschauung festgesetzt, daß
sowohl die Stärkung des Staatszusammenhcmges als auch die Vertiefung des
Bündnisses ein Zugeständnis an die Deutsch-Österreicher bedeute, für das sie in
verschiedenen Münzsorten politisch und wirtschaftlich ihrerseits zahlen müßten.
Insofern, als die Österreicher über das ganze Reich verstreut wohnen und nicht
als Böhmen, Mährer, Steirer usw., sondern nur als Deutsch-Österreicher und
als Angehörige des Gesamtdeutschtums etwas bedeuten können, kommt ihnen frei¬
lich ein einheitlicheres Osterreich und das Bündnis mit Deutschland zustatten.
Über es liegt doch auf der Hand, daß sie dafür aus eine Möglichkeit verzichten
müssen, welche die kleinen Völker ununterbrochen als ihr „Selbstbestimmungsrecht"
verkünden: auf die Möglichkeit zum staatlichen Zusammenschluß aller Volksange¬
hörigen. Dieser Verzicht kann ihnen zwar auch nicht als Verdienst angerechnet
werden, er ist aber doch unzweifelhaft kennzeichnend für die Grenzen dessen, was
man vom Deutschtum an völkischer Selbstaufopferung fordern kann. Das Bündnis
und eine gewisse Einheit Österreichs bedeuten gewissermaßen das Mindestmaß an
Lebensnotwendigkeiten des deutschen Volkes in Österreich, das nicht vermindert
werden könnte, ohne daß nicht nur Teile, sondern das Ganze der deutschen Voll-
heit sich lebensgefährlich bedroht fühlen und zur Wehr setzen müßte.

Wenn deshalb etwa die Beratungen über das Bündnis nebenbei demselben
Zwecke dienen sollten wie die Kreishaupimannschaften in Böhmen: der Beruhigung
der deutschen Bevölkerung — so darf man weder in Deutschland noch in Oster¬
reich darüber im unklaren sein, daß das Deutschtum in Österreich noch ganz
anderer Befestigungen und Sicherungen bedarf, um seiner Aufgabe als Träger
des Bündnisses nachkommen zu können. Das Wichtigste, von dem, was nottut,
muß es freilich selbst leisten. Die Erstarkung der deutschen Volksräte und
die Bemühungen, sie zusammenzuschließen, weisen den richtigen Weg (sieh
die Aufsätze „Sammlung", „Zur Bündnisfrage" und „Vertrauen zu
Volksgenossen!" in Heft 1, 8 und 9 der „Deutschen Arbeit"). Die Volksräte
stellen Zeugnisse deutscher Selbstverwaltung dar, die schon rein theoretisch die Be¬
achtung der deutschen Öffentlichkeit verdienten. Sie vereinigen Vertreter der
Parteien mit denen der völkischen Vereine und der in Osterreich bekanntlich außer¬
ordentlich ausgebauten Selbstverwaltung in Bezirk und Gemeinde. Diese Volks¬
räte bilden eine gerade in Osterreich sehr notwendige Ergänzung der deutschen
parlamentarischen Vertretung. Bei dem unendlich verwickelten Zusammenwirken
wirtschaftlicher, allgemeinpolitischer und nationalpolitischer Kräfte im österreichischen
Reichsrat geraten die deutschen Parteien immer wieder in Konflikte zwischen


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[0236] Zur Vertiefung des Bündnisses Übereinstimmung mit dem Vielverband und der österreichischen Sozialdemokratie die Verwandlung des Einheitsstaates mindestens in einen „Bundesstaat" ver¬ langen, aufs gefährlichste ermutigt, es zeigt sich dann auch sogleich, daß der ge¬ sunde Sinn der deutschen Bevölkerung, allen deutsch sprechenden Nurösterreichern oder anderen. strebend-Bemühten zum Trotz, jede Entfernung von Deutschland mit einer für die lavierenden Regierungen unbequemen Stärkung des National- gefühles erwidert. Merkwürdigerweise rufen die deutschen Kundgebungen, sofern sie nur genügend kräftig den Willen zum Volkszusammenhang betonen, jedesmal gewisse offizielle Kreise schneller auf den Plan als jahrelange vielverbcmdsfreund- liche, offen hochverräterische Wühlereien, der Slawen es vermochten. Dabei ist es doch schon durch die Lage der Deutsch-Österreicher gegeben, daß von einer eigent¬ lichen Jrredenta bei ihnen nicht die Rede sein kann, sofern sie nicht tatsächlich zur Verzweiflung getrieben werden. Sie werden immer, solange dieser Weg ihnen die Möglichkeit zur Erhaltung ihres völkischen Daseins gewährt, nur ein starkes, mit Deutschland verbündetes Osterreich anstreben, während alle slawischen Pläne, wie sie seit der Amnestie offen verkündet, seit Beginn des Krieges heimlich gepflegt wurden, notwendigerweise die Zerreißung der Monarchie zur Folge haben müßten, wenn sie durchdrängen. Da nun die Deutsch-Österreicher immer wieder betonen, daß sie als die Grundlage eines starken Österreichs das Bündnis mit Deutschland ansehen, hat sich allmählich bei den österreichischen Regierungen die Anschauung festgesetzt, daß sowohl die Stärkung des Staatszusammenhcmges als auch die Vertiefung des Bündnisses ein Zugeständnis an die Deutsch-Österreicher bedeute, für das sie in verschiedenen Münzsorten politisch und wirtschaftlich ihrerseits zahlen müßten. Insofern, als die Österreicher über das ganze Reich verstreut wohnen und nicht als Böhmen, Mährer, Steirer usw., sondern nur als Deutsch-Österreicher und als Angehörige des Gesamtdeutschtums etwas bedeuten können, kommt ihnen frei¬ lich ein einheitlicheres Osterreich und das Bündnis mit Deutschland zustatten. Über es liegt doch auf der Hand, daß sie dafür aus eine Möglichkeit verzichten müssen, welche die kleinen Völker ununterbrochen als ihr „Selbstbestimmungsrecht" verkünden: auf die Möglichkeit zum staatlichen Zusammenschluß aller Volksange¬ hörigen. Dieser Verzicht kann ihnen zwar auch nicht als Verdienst angerechnet werden, er ist aber doch unzweifelhaft kennzeichnend für die Grenzen dessen, was man vom Deutschtum an völkischer Selbstaufopferung fordern kann. Das Bündnis und eine gewisse Einheit Österreichs bedeuten gewissermaßen das Mindestmaß an Lebensnotwendigkeiten des deutschen Volkes in Österreich, das nicht vermindert werden könnte, ohne daß nicht nur Teile, sondern das Ganze der deutschen Voll- heit sich lebensgefährlich bedroht fühlen und zur Wehr setzen müßte. Wenn deshalb etwa die Beratungen über das Bündnis nebenbei demselben Zwecke dienen sollten wie die Kreishaupimannschaften in Böhmen: der Beruhigung der deutschen Bevölkerung — so darf man weder in Deutschland noch in Oster¬ reich darüber im unklaren sein, daß das Deutschtum in Österreich noch ganz anderer Befestigungen und Sicherungen bedarf, um seiner Aufgabe als Träger des Bündnisses nachkommen zu können. Das Wichtigste, von dem, was nottut, muß es freilich selbst leisten. Die Erstarkung der deutschen Volksräte und die Bemühungen, sie zusammenzuschließen, weisen den richtigen Weg (sieh die Aufsätze „Sammlung", „Zur Bündnisfrage" und „Vertrauen zu Volksgenossen!" in Heft 1, 8 und 9 der „Deutschen Arbeit"). Die Volksräte stellen Zeugnisse deutscher Selbstverwaltung dar, die schon rein theoretisch die Be¬ achtung der deutschen Öffentlichkeit verdienten. Sie vereinigen Vertreter der Parteien mit denen der völkischen Vereine und der in Osterreich bekanntlich außer¬ ordentlich ausgebauten Selbstverwaltung in Bezirk und Gemeinde. Diese Volks¬ räte bilden eine gerade in Osterreich sehr notwendige Ergänzung der deutschen parlamentarischen Vertretung. Bei dem unendlich verwickelten Zusammenwirken wirtschaftlicher, allgemeinpolitischer und nationalpolitischer Kräfte im österreichischen Reichsrat geraten die deutschen Parteien immer wieder in Konflikte zwischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/236>, abgerufen am 25.05.2024.