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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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allgemeinpolitischen Aufgaben, die den Gesamtstaat betreffen, und nationalpolitischen,
die nur das eigene Volt angehen. Um ein Beispiel aus der jüngsten Vergangen¬
heit zu wählen: bei den Abstimmungen über den Staatshaushalt hätten die
deutschen Parteien in dem Verhalten der Regierung, das sich seit der Begnadigung
der slawischen Hochverräter immer deutlicher deutschfeindlich gestaltete, das die
deutschen Notstandsgebiete der tschechischen Aushungerungspolitik preisgab und
dem südslawischen "Imperialismus" Vorschub leistete, vielfachen Grund zum
Widerstand gefunden. Aber es war für sie unmöglich, dem Staate, der an der
Seite Deutschlands seinen Lebenskampf auskämpft, die notwendigsten Bedürfnisse
zu verkürzen -- selbst wenn sie dadurch eine dem Deutschtum durch ihre Schwäche
außerordentlich schädliche Regierung stützten. Die Maschine des Parlamentarismus
hat ihre besonderen Gesetze, denen auch die deutschen Abgeordneten gehorchen
müssen, wenn sie nicht die Verantwortung für die Zerstörung dieser Maschine auf
sich nehmen wollen. Diese Bindung der deutschen Abgeordneten ist für die
deutsche Nationalpolitik um so gefährlicher, als ihr die Slawen nicht unterliegen.
Ihrer Opposition sind keine Grenzen gesetzt, als Feinde des Bündnisses mit
Deutschland und als mehr oder minder bewußte Anhänger des Vielverbandes
brauchen sie die Verantwortung, die ihnen aus Schädigungen des Bündnisses und
des Staates erwachsen, nicht zu scheuen, da ihnen ja keine Autorität aufgezwungen
wird, die über der ihrer Wähler stünde und sie im Namen des Staates zur
Rechenschaft ziehen könnte. Der Volkswille wird also bei den Deutschen gewisser¬
maßen durch den parlamentarischen Mechanismus verzerrt zum Ausdruck gebracht.
Seine Ausprägung findet er in den Volksräten, die zwar keine gesetzgeberische
Gewalt haben, sondern nur mittelbar einen Druck auf den Reichsrat ausüben
können, dafür aber von den Abhängigkeiten, die dieser auferlegt, frei sind. So
erfüllen die Volksräte eine durch die eigenartige Lage der deutschen parlamentarischen
Vertretung gestellte Aufgabe. Dazu kommt noch eine Nebenaufgabe: die Volks¬
räte ersetzen bis zu einem gewissen Grade, indem sie eine volkische öffentliche
Meinung bilden helfen, freilich unvollkommen, die fehlende völkische Presse. Be¬
kanntlich hat ja das bundestreue und den Staat in seinen wesentlichen Leistungen
stützende deutsche Bürgertum bis jetzt keine großen Zeitungen in Osterreich, sondern
nur eine verhältnißmäßig reiche Provinzpresse. Die Volksräte geben nun in
schwierigen Lagen sehr oft die Richtlinien für das nationalpolitische Verhalten,
die von den Abgeordneten besser in den Volksräten als im Parlament und von
der "großen" Geschäftspresse gar nicht gegeben werden können. Daneben leisten
die Volksräte sehr viel fruchtbare Arbeit auf rein organisatorischem, wirtschaftlichem
Gebiete und durch unmittelbare praktische Arbeit. Es bedeutet nach alledem ein
Zeichen für das Erstarken der politischen Kräfte in Deutsch-Österreich, daß die
deutschen Volksräte den Zusammenschluß und die Gründung einer gemeinsamen
Arbeitsstelle beschlossen haben. Ferner sind neue Volksräte in Tirol und Mittel-
steiermark gegründet worden, und die schon bestehenden in Böhmen, Mähren,
Wien und Niederösterreich, Untersteiermark, Körnten, Trieft haben überall durch
sehr wirkungsvolle Volkstage dem Volksempfinden so kräftigen Ausdruck gegeben,
daß auf die Abgeordneten und durch diese aus die Regierung ein sehr nützlicher
Druck ausgeübt wurde, der neuerdings eben in jenen Versuchen der Regierung zu
einer energischeren Staatsführung zum Ausdruck kommt.

Durch eine g-rößere Vereinheitlichung der deutsch-österreichischen Politik wird
auch eine bessere Grundlage zu ihrem Verständnis im Reiche geschaffen werden
und damit zur Verwirklichung der zweiten Forderung, die für die Stärkung des
Bündnisses gestellt werden muß. Bekanntlich bemüht sich der Vielverband nach
Kräften, die mancherlei Abneigungen gegen das Deutschtum, die in Österreich be-
stehen, zu stärken. Auch unter der deutsch sprechenden Bevölkerung, mag in ihr
auch das gesunde Gesamtvolksgefühl unbedingt herrschen, gibt es doch allerlei
"demokratische", hochfeudale, "pazifistische", "alt-" und "neuösterreichische", lite¬
rarische und bolschewikische Elemente, die von der Abneigung gegen daß "Preu-
Kentum" oder das "Junkertum" oder (das im Beruf des Prügelknaben mehr und


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allgemeinpolitischen Aufgaben, die den Gesamtstaat betreffen, und nationalpolitischen,
die nur das eigene Volt angehen. Um ein Beispiel aus der jüngsten Vergangen¬
heit zu wählen: bei den Abstimmungen über den Staatshaushalt hätten die
deutschen Parteien in dem Verhalten der Regierung, das sich seit der Begnadigung
der slawischen Hochverräter immer deutlicher deutschfeindlich gestaltete, das die
deutschen Notstandsgebiete der tschechischen Aushungerungspolitik preisgab und
dem südslawischen „Imperialismus" Vorschub leistete, vielfachen Grund zum
Widerstand gefunden. Aber es war für sie unmöglich, dem Staate, der an der
Seite Deutschlands seinen Lebenskampf auskämpft, die notwendigsten Bedürfnisse
zu verkürzen — selbst wenn sie dadurch eine dem Deutschtum durch ihre Schwäche
außerordentlich schädliche Regierung stützten. Die Maschine des Parlamentarismus
hat ihre besonderen Gesetze, denen auch die deutschen Abgeordneten gehorchen
müssen, wenn sie nicht die Verantwortung für die Zerstörung dieser Maschine auf
sich nehmen wollen. Diese Bindung der deutschen Abgeordneten ist für die
deutsche Nationalpolitik um so gefährlicher, als ihr die Slawen nicht unterliegen.
Ihrer Opposition sind keine Grenzen gesetzt, als Feinde des Bündnisses mit
Deutschland und als mehr oder minder bewußte Anhänger des Vielverbandes
brauchen sie die Verantwortung, die ihnen aus Schädigungen des Bündnisses und
des Staates erwachsen, nicht zu scheuen, da ihnen ja keine Autorität aufgezwungen
wird, die über der ihrer Wähler stünde und sie im Namen des Staates zur
Rechenschaft ziehen könnte. Der Volkswille wird also bei den Deutschen gewisser¬
maßen durch den parlamentarischen Mechanismus verzerrt zum Ausdruck gebracht.
Seine Ausprägung findet er in den Volksräten, die zwar keine gesetzgeberische
Gewalt haben, sondern nur mittelbar einen Druck auf den Reichsrat ausüben
können, dafür aber von den Abhängigkeiten, die dieser auferlegt, frei sind. So
erfüllen die Volksräte eine durch die eigenartige Lage der deutschen parlamentarischen
Vertretung gestellte Aufgabe. Dazu kommt noch eine Nebenaufgabe: die Volks¬
räte ersetzen bis zu einem gewissen Grade, indem sie eine volkische öffentliche
Meinung bilden helfen, freilich unvollkommen, die fehlende völkische Presse. Be¬
kanntlich hat ja das bundestreue und den Staat in seinen wesentlichen Leistungen
stützende deutsche Bürgertum bis jetzt keine großen Zeitungen in Osterreich, sondern
nur eine verhältnißmäßig reiche Provinzpresse. Die Volksräte geben nun in
schwierigen Lagen sehr oft die Richtlinien für das nationalpolitische Verhalten,
die von den Abgeordneten besser in den Volksräten als im Parlament und von
der „großen" Geschäftspresse gar nicht gegeben werden können. Daneben leisten
die Volksräte sehr viel fruchtbare Arbeit auf rein organisatorischem, wirtschaftlichem
Gebiete und durch unmittelbare praktische Arbeit. Es bedeutet nach alledem ein
Zeichen für das Erstarken der politischen Kräfte in Deutsch-Österreich, daß die
deutschen Volksräte den Zusammenschluß und die Gründung einer gemeinsamen
Arbeitsstelle beschlossen haben. Ferner sind neue Volksräte in Tirol und Mittel-
steiermark gegründet worden, und die schon bestehenden in Böhmen, Mähren,
Wien und Niederösterreich, Untersteiermark, Körnten, Trieft haben überall durch
sehr wirkungsvolle Volkstage dem Volksempfinden so kräftigen Ausdruck gegeben,
daß auf die Abgeordneten und durch diese aus die Regierung ein sehr nützlicher
Druck ausgeübt wurde, der neuerdings eben in jenen Versuchen der Regierung zu
einer energischeren Staatsführung zum Ausdruck kommt.

Durch eine g-rößere Vereinheitlichung der deutsch-österreichischen Politik wird
auch eine bessere Grundlage zu ihrem Verständnis im Reiche geschaffen werden
und damit zur Verwirklichung der zweiten Forderung, die für die Stärkung des
Bündnisses gestellt werden muß. Bekanntlich bemüht sich der Vielverband nach
Kräften, die mancherlei Abneigungen gegen das Deutschtum, die in Österreich be-
stehen, zu stärken. Auch unter der deutsch sprechenden Bevölkerung, mag in ihr
auch das gesunde Gesamtvolksgefühl unbedingt herrschen, gibt es doch allerlei
»demokratische", hochfeudale, „pazifistische", „alt-" und „neuösterreichische", lite¬
rarische und bolschewikische Elemente, die von der Abneigung gegen daß „Preu-
Kentum" oder das „Junkertum" oder (das im Beruf des Prügelknaben mehr und


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[0237] Zur Vertiefung des Bündnisses allgemeinpolitischen Aufgaben, die den Gesamtstaat betreffen, und nationalpolitischen, die nur das eigene Volt angehen. Um ein Beispiel aus der jüngsten Vergangen¬ heit zu wählen: bei den Abstimmungen über den Staatshaushalt hätten die deutschen Parteien in dem Verhalten der Regierung, das sich seit der Begnadigung der slawischen Hochverräter immer deutlicher deutschfeindlich gestaltete, das die deutschen Notstandsgebiete der tschechischen Aushungerungspolitik preisgab und dem südslawischen „Imperialismus" Vorschub leistete, vielfachen Grund zum Widerstand gefunden. Aber es war für sie unmöglich, dem Staate, der an der Seite Deutschlands seinen Lebenskampf auskämpft, die notwendigsten Bedürfnisse zu verkürzen — selbst wenn sie dadurch eine dem Deutschtum durch ihre Schwäche außerordentlich schädliche Regierung stützten. Die Maschine des Parlamentarismus hat ihre besonderen Gesetze, denen auch die deutschen Abgeordneten gehorchen müssen, wenn sie nicht die Verantwortung für die Zerstörung dieser Maschine auf sich nehmen wollen. Diese Bindung der deutschen Abgeordneten ist für die deutsche Nationalpolitik um so gefährlicher, als ihr die Slawen nicht unterliegen. Ihrer Opposition sind keine Grenzen gesetzt, als Feinde des Bündnisses mit Deutschland und als mehr oder minder bewußte Anhänger des Vielverbandes brauchen sie die Verantwortung, die ihnen aus Schädigungen des Bündnisses und des Staates erwachsen, nicht zu scheuen, da ihnen ja keine Autorität aufgezwungen wird, die über der ihrer Wähler stünde und sie im Namen des Staates zur Rechenschaft ziehen könnte. Der Volkswille wird also bei den Deutschen gewisser¬ maßen durch den parlamentarischen Mechanismus verzerrt zum Ausdruck gebracht. Seine Ausprägung findet er in den Volksräten, die zwar keine gesetzgeberische Gewalt haben, sondern nur mittelbar einen Druck auf den Reichsrat ausüben können, dafür aber von den Abhängigkeiten, die dieser auferlegt, frei sind. So erfüllen die Volksräte eine durch die eigenartige Lage der deutschen parlamentarischen Vertretung gestellte Aufgabe. Dazu kommt noch eine Nebenaufgabe: die Volks¬ räte ersetzen bis zu einem gewissen Grade, indem sie eine volkische öffentliche Meinung bilden helfen, freilich unvollkommen, die fehlende völkische Presse. Be¬ kanntlich hat ja das bundestreue und den Staat in seinen wesentlichen Leistungen stützende deutsche Bürgertum bis jetzt keine großen Zeitungen in Osterreich, sondern nur eine verhältnißmäßig reiche Provinzpresse. Die Volksräte geben nun in schwierigen Lagen sehr oft die Richtlinien für das nationalpolitische Verhalten, die von den Abgeordneten besser in den Volksräten als im Parlament und von der „großen" Geschäftspresse gar nicht gegeben werden können. Daneben leisten die Volksräte sehr viel fruchtbare Arbeit auf rein organisatorischem, wirtschaftlichem Gebiete und durch unmittelbare praktische Arbeit. Es bedeutet nach alledem ein Zeichen für das Erstarken der politischen Kräfte in Deutsch-Österreich, daß die deutschen Volksräte den Zusammenschluß und die Gründung einer gemeinsamen Arbeitsstelle beschlossen haben. Ferner sind neue Volksräte in Tirol und Mittel- steiermark gegründet worden, und die schon bestehenden in Böhmen, Mähren, Wien und Niederösterreich, Untersteiermark, Körnten, Trieft haben überall durch sehr wirkungsvolle Volkstage dem Volksempfinden so kräftigen Ausdruck gegeben, daß auf die Abgeordneten und durch diese aus die Regierung ein sehr nützlicher Druck ausgeübt wurde, der neuerdings eben in jenen Versuchen der Regierung zu einer energischeren Staatsführung zum Ausdruck kommt. Durch eine g-rößere Vereinheitlichung der deutsch-österreichischen Politik wird auch eine bessere Grundlage zu ihrem Verständnis im Reiche geschaffen werden und damit zur Verwirklichung der zweiten Forderung, die für die Stärkung des Bündnisses gestellt werden muß. Bekanntlich bemüht sich der Vielverband nach Kräften, die mancherlei Abneigungen gegen das Deutschtum, die in Österreich be- stehen, zu stärken. Auch unter der deutsch sprechenden Bevölkerung, mag in ihr auch das gesunde Gesamtvolksgefühl unbedingt herrschen, gibt es doch allerlei »demokratische", hochfeudale, „pazifistische", „alt-" und „neuösterreichische", lite¬ rarische und bolschewikische Elemente, die von der Abneigung gegen daß „Preu- Kentum" oder das „Junkertum" oder (das im Beruf des Prügelknaben mehr und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/237>, abgerufen am 17.06.2024.