Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.Die Machtfrage in Preußen einer stark aufgewühlten Stimmung zu rechnen haben, einer Stimmung, die von Die Abstimmungen im Abgeordnetenhause haben der Negierung bewiesen, Die Machtfrage in Preußen einer stark aufgewühlten Stimmung zu rechnen haben, einer Stimmung, die von Die Abstimmungen im Abgeordnetenhause haben der Negierung bewiesen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0306" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333789"/> <fw type="header" place="top"> Die Machtfrage in Preußen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1184" prev="#ID_1183"> einer stark aufgewühlten Stimmung zu rechnen haben, einer Stimmung, die von<lb/> allen denen nur zu gern genutzt wird, die eigensüchtige Zwecke verfolgen: Einzel¬<lb/> personen und Parteien!. .. ich brauche nicht deutlicher zu werden. Gewisse Präludien<lb/> hörten wir kürzlich in den Neichstagsreden des Freisinnigen Herrn Hcmszmcmn<lb/> und des Unabhängigen Herrn Cohn. Mit der Befreiung Polens, Litauens, Finnlands,<lb/> ja selbst der Baltischen Provinzen und dem Petroleumvertrage wird die Regierung<lb/> zunächst nicht glänzen können, wo die ganze finanzielle Last des Krieges trotzdem den<lb/> heimgekehrten Siegern aufgebürdet wird und Steuern und Monopole, Verkehrs¬<lb/> beschränkungen und wirtschaftliche Reglementierung jede Lust sich zu betätigen er¬<lb/> heblich hemmen werden. Und dazu ein Landtag, in dein schärfer noch wie im<lb/> Reichstage Polen und Sozialdemokraten daS Wort führen und ihre Sonderinteresscn<lb/> unter dem Deckmantel der Nächstenliebe vertreten! Wir bekämen gerade das, was jeder<lb/> weiterblickende Politiker und Staatsmann verhindern möchte: die Revolution oder<lb/> eine Militärdiktatur mit allen ihren ernsten Begleiterscheinungen! Herr Korfanty<lb/> soll sich kürzlich einem ukrainischen Sozialisten gegenüber dahin geäußert haben,<lb/> vom polnischen Standpunkte aus sei die Lage umso besser, je toller es herginge,<lb/> d. h. je größer auf der einen Seite der Zwang, auf der andern die Unzufrieden¬<lb/> heit sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1185"> Die Abstimmungen im Abgeordnetenhause haben der Negierung bewiesen,<lb/> daß die Zahl derer ständig im wachsen begriffen ist, die die hier angedeuteten<lb/> Gefahren in ihrem vollen Umfange zu begreifen beginnen, welche in der zu<lb/> dieses Zeit eingebrachten Wahlreform liegen. Die Negierung sollte sich den ge¬<lb/> sunden, starken Instinkten anvertrauen, die ihr aus der Haltung der bürgerlichen<lb/> Parteien entgegenströmen, und nicht jenen nervösen Stimmungen aus dem Sommer<lb/> 1917. Der Arbeiter, der aus Frankreich, Rußland, Syrien und von allen Meeren<lb/> nach so langer Abwesenheit heimkehrt, will zunächst Arbeitsgelegenheit und Brot<lb/> haben, nicht aber das Stimmrecht für den Landtag. — das ist eine Forderung<lb/> der Heimkrieger. Der Bauer, der die Etappengüter in Frankreich, Flandern<lb/> und Litauen beackert hat, will sein eignes Land wieder nach allen Regeln der<lb/> Kunst bewirtschaften; auch ihm liegt der Wunsch nach politischen Rechten<lb/> ferner. Der Kaufmann will aus der Kriegswirtschaft und all dem demoralisierenden<lb/> Staatssozialismus hinaus, will seine persönliche Tüchtigkeit wieder wirken<lb/> lassen und sein Gewerbe wieder ehrbar machen. Und wir andern, der<lb/> gebildete Mittelstand, wir sind durch den Sozialismus schon so ausgeplündert,<lb/> daß uns garnicht danach gelüstet, weiter einer sozialistischen Regierungskunst mit<lb/> ihren uferlosen Experimenten ausgeliefert zu werden. Bis auf einige Ehrgeizige,<lb/> die sich von der Demokratisierung des preußischen Wahlrechtes den Einzug in das<lb/> Abgeordnetenhaus versprechen, haben auch wir es wirklich nicht eilig mit der Reform.<lb/> Ordnung wollen wir, Wiederaufbau der Schulen, um unsere arme vernachlässigte<lb/> Jugend zu tüchtigen moralischen Menschen zu erziehen, nicht Experimente! So<lb/> steht es am Anfang des einunddreißigsten Negierungsjahres des Königs von<lb/> Preußen. So sehen die Machtfragen aus, um die im preußischen Abgeordneten¬<lb/> hause gekämpft wird, — nicht sind es Parteifragen, sondern Fragen um die Zukunft<lb/> von Nation und Staat.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0306]
Die Machtfrage in Preußen
einer stark aufgewühlten Stimmung zu rechnen haben, einer Stimmung, die von
allen denen nur zu gern genutzt wird, die eigensüchtige Zwecke verfolgen: Einzel¬
personen und Parteien!. .. ich brauche nicht deutlicher zu werden. Gewisse Präludien
hörten wir kürzlich in den Neichstagsreden des Freisinnigen Herrn Hcmszmcmn
und des Unabhängigen Herrn Cohn. Mit der Befreiung Polens, Litauens, Finnlands,
ja selbst der Baltischen Provinzen und dem Petroleumvertrage wird die Regierung
zunächst nicht glänzen können, wo die ganze finanzielle Last des Krieges trotzdem den
heimgekehrten Siegern aufgebürdet wird und Steuern und Monopole, Verkehrs¬
beschränkungen und wirtschaftliche Reglementierung jede Lust sich zu betätigen er¬
heblich hemmen werden. Und dazu ein Landtag, in dein schärfer noch wie im
Reichstage Polen und Sozialdemokraten daS Wort führen und ihre Sonderinteresscn
unter dem Deckmantel der Nächstenliebe vertreten! Wir bekämen gerade das, was jeder
weiterblickende Politiker und Staatsmann verhindern möchte: die Revolution oder
eine Militärdiktatur mit allen ihren ernsten Begleiterscheinungen! Herr Korfanty
soll sich kürzlich einem ukrainischen Sozialisten gegenüber dahin geäußert haben,
vom polnischen Standpunkte aus sei die Lage umso besser, je toller es herginge,
d. h. je größer auf der einen Seite der Zwang, auf der andern die Unzufrieden¬
heit sei.
Die Abstimmungen im Abgeordnetenhause haben der Negierung bewiesen,
daß die Zahl derer ständig im wachsen begriffen ist, die die hier angedeuteten
Gefahren in ihrem vollen Umfange zu begreifen beginnen, welche in der zu
dieses Zeit eingebrachten Wahlreform liegen. Die Negierung sollte sich den ge¬
sunden, starken Instinkten anvertrauen, die ihr aus der Haltung der bürgerlichen
Parteien entgegenströmen, und nicht jenen nervösen Stimmungen aus dem Sommer
1917. Der Arbeiter, der aus Frankreich, Rußland, Syrien und von allen Meeren
nach so langer Abwesenheit heimkehrt, will zunächst Arbeitsgelegenheit und Brot
haben, nicht aber das Stimmrecht für den Landtag. — das ist eine Forderung
der Heimkrieger. Der Bauer, der die Etappengüter in Frankreich, Flandern
und Litauen beackert hat, will sein eignes Land wieder nach allen Regeln der
Kunst bewirtschaften; auch ihm liegt der Wunsch nach politischen Rechten
ferner. Der Kaufmann will aus der Kriegswirtschaft und all dem demoralisierenden
Staatssozialismus hinaus, will seine persönliche Tüchtigkeit wieder wirken
lassen und sein Gewerbe wieder ehrbar machen. Und wir andern, der
gebildete Mittelstand, wir sind durch den Sozialismus schon so ausgeplündert,
daß uns garnicht danach gelüstet, weiter einer sozialistischen Regierungskunst mit
ihren uferlosen Experimenten ausgeliefert zu werden. Bis auf einige Ehrgeizige,
die sich von der Demokratisierung des preußischen Wahlrechtes den Einzug in das
Abgeordnetenhaus versprechen, haben auch wir es wirklich nicht eilig mit der Reform.
Ordnung wollen wir, Wiederaufbau der Schulen, um unsere arme vernachlässigte
Jugend zu tüchtigen moralischen Menschen zu erziehen, nicht Experimente! So
steht es am Anfang des einunddreißigsten Negierungsjahres des Königs von
Preußen. So sehen die Machtfragen aus, um die im preußischen Abgeordneten¬
hause gekämpft wird, — nicht sind es Parteifragen, sondern Fragen um die Zukunft
von Nation und Staat.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |