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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Umgestaltung Gcsterreich- Ungarns

Aussichten auf seine Verwirklichung auseinandergehen, wird es immer lauter von
der Bevölkerung erhoben und die deutsche Sozialdemokratie ist rasch von der
bedingungsweisen Forderung nach der Vereinigung mit Deutschland zur
unbedingten übergegangen. Sie hat das Wort von der "großdeutschen Republik"
geprägt. Der Anschluß an das Gesamtvolk erscheint auch ihr als der sicherste
Schutz gegen alle Bestrebungen, die auf Reststaat, Bundesstaat oder Auslieferung
der Ostmarkdeutschen an einen Austroslawismus hinzielen' und die über Nacht
wieder an Kraft gewinnen können, wenn die auswärtige Lage oder die Diplomatie
unserer Kriegsgegner sie begünstigt. Sagt man doch, daß manche Slawenführer
der Kraft der Nationalstaaten mißtrauen und deshalb als letztes Ziel doch wieder
ein festeres Gefüge anstreben, in dem sie den Deutschen gemeinsam das Joch auf¬
erlegen. Ernste Politiker versichern, daß Kramarsch in Paris für einen solchen
Vundesstaat und für die Dynastie wirke, der er persönlich und für seine Sache
Dank schuldet. Denn die Amnestie war die volle Kapitulation vor dem
tschechischen und südslawischen Nationalstaatsprogramm, nachdem ihr mit der
"voraussetzungslosen Einberufung des Abgeordnetenhauses die halbe voran¬
gegangen war.

Dem politischen Geographen, der Österreich-Ungarns > Boden als eine
natürliche Einheit innerhalb des größeren Ganzen "Mitteleuropa" ansieht, der die
Nachwirkung einer Fülle von geographischen Gegebenheiten und das Ergebnis
einer jahrhundertelangen (freilich in den letzten Dezennien in Stillstand
gekommenen geschichtlichen Entwicklung der Monarchie für solide Grundlagen
eines Ttaatöbaus hält, liegt der Gedanke nahe, daß die neuen politischen Gebilde
wieder nach engeren wirtschaftlichen und dann auch politischen Beziehungen
streben werden, sobald die derzeitige Gegnerschaft und Entfremdung erst vor
gemeinsamen Lebensbedürfnissen zurücktritt. Das Nationalitätenprinzip ist
-- wie schon die Gvenzsorderungen der Tschechen und Südslawen zeigen -- nicht
vollkommen auf der politischen Karte zu verwirklichen, und wenn es heute Trumpf
ist, so mischen doch diejenigen, die es am lautesten sür ihre Forderungen anrufen,
ihm eine gute Dosis von unverhüllten Imperialismus bei. Es führt also nicht zu
klagloser Abgrenzung und dauerndem Frieden der Völker, sondern wo die Einsicht
zu einverständlichem Ausgleich fehlt oder die Sprachmengung einen solchen ver-
eitelt,'zu neuer Unbill und neuen Klagen. Das muß die gegenseitige Abneigung
der neuen Staatsnationen verstärken und dauerhafter machen, und es ist daher
wahrscheinlich, daß die eine wie die andere ihren wirtschaftlichen Anschluß und
ihre politischen Freundschaften lieber außer- als innerhalb des Nahmens sucht,
der sie bisher zusammenhielt. Diese Gefühlsmomente weisen eher aus einen
späteren wirtschaftlichen Zusammenschluß eines engeren oder weiteren "Mittel¬
europa" hiu, als auf eine Neubelebung des engeren historischen Österreich-Ungarn
oder gar Österreichs.

Steht eine solche außerhalb des derzeitigen Gedankenkreises der meisten
Deutschösterreicher, so drängt sich in diesen immer mehr die Notwendigkeit einer
Verständigung mit den Nachbarn über die drängenden Fragen des Augenblicks.
Hier steht die Ernährungsfrage voran, sowohl um ihrer selbst willen, als auch
wegen ihrer Beziehung zu den sozialrevolutionären Bewegungen, die von Nu߬
land ausgehend, alle Staaten bedrohen und durch die Auflösung der österreichisch¬
ungarischen Armee insbesondere für Südösterreich und die serbokroatischen Länder
eine besonders drohende Gestalt annehmen. Die Sozialdemokratie ist ebenso
bedroht von bolschewikischen Gefahren wie Bürgertum und Bauern, um so mehr
je größer die Kriegsgcwinne der organisierten Arbeiter sind. Sie sucht daher
Anschluß an jene, wenn sie auch dabei die Führung zu behaupten sucht, und schiebt
daher auch nationale Forderungen neben demokratisch-politischen in den Vorder¬
grund, auch um die Massen vom Anarchismus auf positive Ziele abzulenken. Die
tschechische und südslawische Absperrung gegen Deutschösterreich, die ihm die
Nahrungsmittel fernhält, um es politisch gefügig zu machen, steigert die inneren
Gefahren für die Ostmark, liegt aber auch nicht im Vorteil der Slawen selbst, die
ihre aufgespeicherten Vorräte doch mich absetzen müssen, und vermehrt auch für sie


Umgestaltung Gcsterreich- Ungarns

Aussichten auf seine Verwirklichung auseinandergehen, wird es immer lauter von
der Bevölkerung erhoben und die deutsche Sozialdemokratie ist rasch von der
bedingungsweisen Forderung nach der Vereinigung mit Deutschland zur
unbedingten übergegangen. Sie hat das Wort von der „großdeutschen Republik"
geprägt. Der Anschluß an das Gesamtvolk erscheint auch ihr als der sicherste
Schutz gegen alle Bestrebungen, die auf Reststaat, Bundesstaat oder Auslieferung
der Ostmarkdeutschen an einen Austroslawismus hinzielen' und die über Nacht
wieder an Kraft gewinnen können, wenn die auswärtige Lage oder die Diplomatie
unserer Kriegsgegner sie begünstigt. Sagt man doch, daß manche Slawenführer
der Kraft der Nationalstaaten mißtrauen und deshalb als letztes Ziel doch wieder
ein festeres Gefüge anstreben, in dem sie den Deutschen gemeinsam das Joch auf¬
erlegen. Ernste Politiker versichern, daß Kramarsch in Paris für einen solchen
Vundesstaat und für die Dynastie wirke, der er persönlich und für seine Sache
Dank schuldet. Denn die Amnestie war die volle Kapitulation vor dem
tschechischen und südslawischen Nationalstaatsprogramm, nachdem ihr mit der
„voraussetzungslosen Einberufung des Abgeordnetenhauses die halbe voran¬
gegangen war.

Dem politischen Geographen, der Österreich-Ungarns > Boden als eine
natürliche Einheit innerhalb des größeren Ganzen „Mitteleuropa" ansieht, der die
Nachwirkung einer Fülle von geographischen Gegebenheiten und das Ergebnis
einer jahrhundertelangen (freilich in den letzten Dezennien in Stillstand
gekommenen geschichtlichen Entwicklung der Monarchie für solide Grundlagen
eines Ttaatöbaus hält, liegt der Gedanke nahe, daß die neuen politischen Gebilde
wieder nach engeren wirtschaftlichen und dann auch politischen Beziehungen
streben werden, sobald die derzeitige Gegnerschaft und Entfremdung erst vor
gemeinsamen Lebensbedürfnissen zurücktritt. Das Nationalitätenprinzip ist
— wie schon die Gvenzsorderungen der Tschechen und Südslawen zeigen — nicht
vollkommen auf der politischen Karte zu verwirklichen, und wenn es heute Trumpf
ist, so mischen doch diejenigen, die es am lautesten sür ihre Forderungen anrufen,
ihm eine gute Dosis von unverhüllten Imperialismus bei. Es führt also nicht zu
klagloser Abgrenzung und dauerndem Frieden der Völker, sondern wo die Einsicht
zu einverständlichem Ausgleich fehlt oder die Sprachmengung einen solchen ver-
eitelt,'zu neuer Unbill und neuen Klagen. Das muß die gegenseitige Abneigung
der neuen Staatsnationen verstärken und dauerhafter machen, und es ist daher
wahrscheinlich, daß die eine wie die andere ihren wirtschaftlichen Anschluß und
ihre politischen Freundschaften lieber außer- als innerhalb des Nahmens sucht,
der sie bisher zusammenhielt. Diese Gefühlsmomente weisen eher aus einen
späteren wirtschaftlichen Zusammenschluß eines engeren oder weiteren „Mittel¬
europa" hiu, als auf eine Neubelebung des engeren historischen Österreich-Ungarn
oder gar Österreichs.

Steht eine solche außerhalb des derzeitigen Gedankenkreises der meisten
Deutschösterreicher, so drängt sich in diesen immer mehr die Notwendigkeit einer
Verständigung mit den Nachbarn über die drängenden Fragen des Augenblicks.
Hier steht die Ernährungsfrage voran, sowohl um ihrer selbst willen, als auch
wegen ihrer Beziehung zu den sozialrevolutionären Bewegungen, die von Nu߬
land ausgehend, alle Staaten bedrohen und durch die Auflösung der österreichisch¬
ungarischen Armee insbesondere für Südösterreich und die serbokroatischen Länder
eine besonders drohende Gestalt annehmen. Die Sozialdemokratie ist ebenso
bedroht von bolschewikischen Gefahren wie Bürgertum und Bauern, um so mehr
je größer die Kriegsgcwinne der organisierten Arbeiter sind. Sie sucht daher
Anschluß an jene, wenn sie auch dabei die Führung zu behaupten sucht, und schiebt
daher auch nationale Forderungen neben demokratisch-politischen in den Vorder¬
grund, auch um die Massen vom Anarchismus auf positive Ziele abzulenken. Die
tschechische und südslawische Absperrung gegen Deutschösterreich, die ihm die
Nahrungsmittel fernhält, um es politisch gefügig zu machen, steigert die inneren
Gefahren für die Ostmark, liegt aber auch nicht im Vorteil der Slawen selbst, die
ihre aufgespeicherten Vorräte doch mich absetzen müssen, und vermehrt auch für sie


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[0188] Umgestaltung Gcsterreich- Ungarns Aussichten auf seine Verwirklichung auseinandergehen, wird es immer lauter von der Bevölkerung erhoben und die deutsche Sozialdemokratie ist rasch von der bedingungsweisen Forderung nach der Vereinigung mit Deutschland zur unbedingten übergegangen. Sie hat das Wort von der „großdeutschen Republik" geprägt. Der Anschluß an das Gesamtvolk erscheint auch ihr als der sicherste Schutz gegen alle Bestrebungen, die auf Reststaat, Bundesstaat oder Auslieferung der Ostmarkdeutschen an einen Austroslawismus hinzielen' und die über Nacht wieder an Kraft gewinnen können, wenn die auswärtige Lage oder die Diplomatie unserer Kriegsgegner sie begünstigt. Sagt man doch, daß manche Slawenführer der Kraft der Nationalstaaten mißtrauen und deshalb als letztes Ziel doch wieder ein festeres Gefüge anstreben, in dem sie den Deutschen gemeinsam das Joch auf¬ erlegen. Ernste Politiker versichern, daß Kramarsch in Paris für einen solchen Vundesstaat und für die Dynastie wirke, der er persönlich und für seine Sache Dank schuldet. Denn die Amnestie war die volle Kapitulation vor dem tschechischen und südslawischen Nationalstaatsprogramm, nachdem ihr mit der „voraussetzungslosen Einberufung des Abgeordnetenhauses die halbe voran¬ gegangen war. Dem politischen Geographen, der Österreich-Ungarns > Boden als eine natürliche Einheit innerhalb des größeren Ganzen „Mitteleuropa" ansieht, der die Nachwirkung einer Fülle von geographischen Gegebenheiten und das Ergebnis einer jahrhundertelangen (freilich in den letzten Dezennien in Stillstand gekommenen geschichtlichen Entwicklung der Monarchie für solide Grundlagen eines Ttaatöbaus hält, liegt der Gedanke nahe, daß die neuen politischen Gebilde wieder nach engeren wirtschaftlichen und dann auch politischen Beziehungen streben werden, sobald die derzeitige Gegnerschaft und Entfremdung erst vor gemeinsamen Lebensbedürfnissen zurücktritt. Das Nationalitätenprinzip ist — wie schon die Gvenzsorderungen der Tschechen und Südslawen zeigen — nicht vollkommen auf der politischen Karte zu verwirklichen, und wenn es heute Trumpf ist, so mischen doch diejenigen, die es am lautesten sür ihre Forderungen anrufen, ihm eine gute Dosis von unverhüllten Imperialismus bei. Es führt also nicht zu klagloser Abgrenzung und dauerndem Frieden der Völker, sondern wo die Einsicht zu einverständlichem Ausgleich fehlt oder die Sprachmengung einen solchen ver- eitelt,'zu neuer Unbill und neuen Klagen. Das muß die gegenseitige Abneigung der neuen Staatsnationen verstärken und dauerhafter machen, und es ist daher wahrscheinlich, daß die eine wie die andere ihren wirtschaftlichen Anschluß und ihre politischen Freundschaften lieber außer- als innerhalb des Nahmens sucht, der sie bisher zusammenhielt. Diese Gefühlsmomente weisen eher aus einen späteren wirtschaftlichen Zusammenschluß eines engeren oder weiteren „Mittel¬ europa" hiu, als auf eine Neubelebung des engeren historischen Österreich-Ungarn oder gar Österreichs. Steht eine solche außerhalb des derzeitigen Gedankenkreises der meisten Deutschösterreicher, so drängt sich in diesen immer mehr die Notwendigkeit einer Verständigung mit den Nachbarn über die drängenden Fragen des Augenblicks. Hier steht die Ernährungsfrage voran, sowohl um ihrer selbst willen, als auch wegen ihrer Beziehung zu den sozialrevolutionären Bewegungen, die von Nu߬ land ausgehend, alle Staaten bedrohen und durch die Auflösung der österreichisch¬ ungarischen Armee insbesondere für Südösterreich und die serbokroatischen Länder eine besonders drohende Gestalt annehmen. Die Sozialdemokratie ist ebenso bedroht von bolschewikischen Gefahren wie Bürgertum und Bauern, um so mehr je größer die Kriegsgcwinne der organisierten Arbeiter sind. Sie sucht daher Anschluß an jene, wenn sie auch dabei die Führung zu behaupten sucht, und schiebt daher auch nationale Forderungen neben demokratisch-politischen in den Vorder¬ grund, auch um die Massen vom Anarchismus auf positive Ziele abzulenken. Die tschechische und südslawische Absperrung gegen Deutschösterreich, die ihm die Nahrungsmittel fernhält, um es politisch gefügig zu machen, steigert die inneren Gefahren für die Ostmark, liegt aber auch nicht im Vorteil der Slawen selbst, die ihre aufgespeicherten Vorräte doch mich absetzen müssen, und vermehrt auch für sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/188>, abgerufen am 16.06.2024.