Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

die Bedrohung durch den Anarchismus, dessen sie selbst sich bereits schwer
erwehren. Findet er heute, national verkleidet, aus den Südslawenländern in das
deutsche Gebiet, so kann er verstärkt aus diesem zurückfinden, um so eher, je voll¬
ständiger ausgesogen es ist. Aber auch die Slawen benötigen Produkte Deutsch¬
österreichs, deren 'Ausfuhr dieses sperren muß, insbesondere die Südslawen z. B.
Eisen, Textilwaren, Papier, Zündhölzer u. a. Auch die gemeinsame geographische
Lage schafft gemeinsame Bedürfnisse benachbarter Länder, seien es' gleichartige,
seien es solche wirtschaftlicher Ergänzung. Braucht das deutsche Hinterland die
slawischen Häfen, so brauchen diese die Warenzufuhr aus jenem. Mit den
Tschechen verbinden sie keine derartigen Fäden, lediglich politische. Dagegen haben
sie in Ungarn und Italienern Gegner, die sie mit den Deutschen' gemeinsam
besser abwehren können. Verständigen sie sich mit Teutschösterreich und treten
sie für dessen Forderungen, wir für ihre, geeint auf dem Friedenskongreß ein, so
gewinnen beide doppeltes Gewicht. Nachbarfeindschaft ist dagegen störender, als
etwa die Feindschaft der räumlich so weit entfernten Tschechen. Deshalb enthalten
scheinbar schroffe Kundgebungen von südslawischer und deutschösterreichischer
Seite so manche Punkte, an die sich Verständignngsversuche anknüpfen lasten, und
in der Tat sind Verhandlungen bereits begonnen. Die im Waffenstillstand
bedungenen weitgehenden Besetzungen südslawischen Gebiets dnrch die Italiener >
oder zu ihren Gunsten dürften in Agram und Laibach Empfindungen auslösen,
die der Verständigung mit den Deutschen zugute kommen. So ist aus eine bessere
Versorgung Deutschösterreichs und einen leidlichen Schutz der deutschen Minder¬
heit im Süden zu hoffen. Schon Anfang November haben ja die Südslawen,
welche den Bahnbetrieb im slowenischen Gebiet übernehmen und die deutschen
Beamten wegschicken wollten, einsehen müssen, daß sie damit den Verkehr ernstlich
gefährden, und man hat ein Abkommen über eine Art von gemeinsamem Betrieb
getroffen. Ebensosehr muß beiden Teilen daran liegen, daß Trieft nicht
italienisch bleibt.

Schwieriger werden Verhandlungen auch nur über den Warenaustausch
zwischen Deutschen und. Tschechen werden. Scheinen doch die Tschechen den
deutschen Nationalstaat nicht anerkennen und ihm die Vertretung auf dem
Friedenskongreß versagen zu wollen. Darauf deutet hin, daß sie über Nahrungs¬
mittelgefahr nach Wien nur mit der Stadt selbst, nicht mit der deutschen National¬
regierung verhandeln wollten. Mer Deutschböhmen entscheidet wahrscheinlich
keine Verständigung, vielleicht sogar offener Kampf; die tschechische wie die deutsche
Regierung in Böhmen sucht Sprachgrenzorte mit nationalen Truppen zu besetzen.
Deshalb richten insbesondere die böhmischen Deutschen ihren Blick aus
Deutschland.

Die räumliche Trennung Deutschnordböhmens, der mährisch-schlesischen
Gebiete, die sich zur "Provinz Sudetenland" erklärt haben, und des geschlossenen
süddeutschen Gebiets hat manche veranlaßt, an drei selbständige deutsche Staaten
zu denken und sogar eine gesonderte Politik vorzuschlagen: dort Einverleibung ins
Deutsche Reich, hier staatliche Selbständigkeit müsse das Ziel sein. Dabei könnten
leicht alle schlecht fahren. Sie müssen einig bleiben und gegenseitig für einander
eintreten. Wohl aber rechtfertigt die getrennte Lage eine weitgehende Autonomie,
ja Föderalismus innerhalb des Ostinarkstaates. Auch in den Alpenländern, der
Wiege des Autonomismus, ist dieser durch die letzten Ereignisse neu belebt
worden. Der ,,Kronlandspatriotismus" spiegelt sich in der Selbständigkeits¬
erklärung Vorarlbergs "innerhalb des deutschösterreichischen Staats", in dem
Wiederaufleben des "Egerländer Staatsrechts", in der Gründung des steirischen
Wohlfahrtsausschusses und der Aufforderung, solche auch in den andern Kron¬
ländern zu errichten, und in der Einsetzung von Landesregierungen in Böhmen,
Schlesien, Oberösterreich, Salzburg, .Körnten, Steiermark. Der deutsch¬
österreichische Staatsrat sah sich bald veranlaßt, allgemeine Satzungen für die
Bildung von Landes-Nationalversammlungen zu erlassen. Das alles deutet nicht
darauf hin, daß eine allgemeine Kreiseinteiluug oder ähnliche zentralistische Ein¬
richtungen bevorstehen. " Vor allem erklären sich die Kronländer als geschlossene


die Bedrohung durch den Anarchismus, dessen sie selbst sich bereits schwer
erwehren. Findet er heute, national verkleidet, aus den Südslawenländern in das
deutsche Gebiet, so kann er verstärkt aus diesem zurückfinden, um so eher, je voll¬
ständiger ausgesogen es ist. Aber auch die Slawen benötigen Produkte Deutsch¬
österreichs, deren 'Ausfuhr dieses sperren muß, insbesondere die Südslawen z. B.
Eisen, Textilwaren, Papier, Zündhölzer u. a. Auch die gemeinsame geographische
Lage schafft gemeinsame Bedürfnisse benachbarter Länder, seien es' gleichartige,
seien es solche wirtschaftlicher Ergänzung. Braucht das deutsche Hinterland die
slawischen Häfen, so brauchen diese die Warenzufuhr aus jenem. Mit den
Tschechen verbinden sie keine derartigen Fäden, lediglich politische. Dagegen haben
sie in Ungarn und Italienern Gegner, die sie mit den Deutschen' gemeinsam
besser abwehren können. Verständigen sie sich mit Teutschösterreich und treten
sie für dessen Forderungen, wir für ihre, geeint auf dem Friedenskongreß ein, so
gewinnen beide doppeltes Gewicht. Nachbarfeindschaft ist dagegen störender, als
etwa die Feindschaft der räumlich so weit entfernten Tschechen. Deshalb enthalten
scheinbar schroffe Kundgebungen von südslawischer und deutschösterreichischer
Seite so manche Punkte, an die sich Verständignngsversuche anknüpfen lasten, und
in der Tat sind Verhandlungen bereits begonnen. Die im Waffenstillstand
bedungenen weitgehenden Besetzungen südslawischen Gebiets dnrch die Italiener >
oder zu ihren Gunsten dürften in Agram und Laibach Empfindungen auslösen,
die der Verständigung mit den Deutschen zugute kommen. So ist aus eine bessere
Versorgung Deutschösterreichs und einen leidlichen Schutz der deutschen Minder¬
heit im Süden zu hoffen. Schon Anfang November haben ja die Südslawen,
welche den Bahnbetrieb im slowenischen Gebiet übernehmen und die deutschen
Beamten wegschicken wollten, einsehen müssen, daß sie damit den Verkehr ernstlich
gefährden, und man hat ein Abkommen über eine Art von gemeinsamem Betrieb
getroffen. Ebensosehr muß beiden Teilen daran liegen, daß Trieft nicht
italienisch bleibt.

Schwieriger werden Verhandlungen auch nur über den Warenaustausch
zwischen Deutschen und. Tschechen werden. Scheinen doch die Tschechen den
deutschen Nationalstaat nicht anerkennen und ihm die Vertretung auf dem
Friedenskongreß versagen zu wollen. Darauf deutet hin, daß sie über Nahrungs¬
mittelgefahr nach Wien nur mit der Stadt selbst, nicht mit der deutschen National¬
regierung verhandeln wollten. Mer Deutschböhmen entscheidet wahrscheinlich
keine Verständigung, vielleicht sogar offener Kampf; die tschechische wie die deutsche
Regierung in Böhmen sucht Sprachgrenzorte mit nationalen Truppen zu besetzen.
Deshalb richten insbesondere die böhmischen Deutschen ihren Blick aus
Deutschland.

Die räumliche Trennung Deutschnordböhmens, der mährisch-schlesischen
Gebiete, die sich zur „Provinz Sudetenland" erklärt haben, und des geschlossenen
süddeutschen Gebiets hat manche veranlaßt, an drei selbständige deutsche Staaten
zu denken und sogar eine gesonderte Politik vorzuschlagen: dort Einverleibung ins
Deutsche Reich, hier staatliche Selbständigkeit müsse das Ziel sein. Dabei könnten
leicht alle schlecht fahren. Sie müssen einig bleiben und gegenseitig für einander
eintreten. Wohl aber rechtfertigt die getrennte Lage eine weitgehende Autonomie,
ja Föderalismus innerhalb des Ostinarkstaates. Auch in den Alpenländern, der
Wiege des Autonomismus, ist dieser durch die letzten Ereignisse neu belebt
worden. Der ,,Kronlandspatriotismus" spiegelt sich in der Selbständigkeits¬
erklärung Vorarlbergs „innerhalb des deutschösterreichischen Staats", in dem
Wiederaufleben des „Egerländer Staatsrechts", in der Gründung des steirischen
Wohlfahrtsausschusses und der Aufforderung, solche auch in den andern Kron¬
ländern zu errichten, und in der Einsetzung von Landesregierungen in Böhmen,
Schlesien, Oberösterreich, Salzburg, .Körnten, Steiermark. Der deutsch¬
österreichische Staatsrat sah sich bald veranlaßt, allgemeine Satzungen für die
Bildung von Landes-Nationalversammlungen zu erlassen. Das alles deutet nicht
darauf hin, daß eine allgemeine Kreiseinteiluug oder ähnliche zentralistische Ein¬
richtungen bevorstehen. " Vor allem erklären sich die Kronländer als geschlossene


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0189" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88427"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_778" prev="#ID_777"> die Bedrohung durch den Anarchismus, dessen sie selbst sich bereits schwer<lb/>
erwehren. Findet er heute, national verkleidet, aus den Südslawenländern in das<lb/>
deutsche Gebiet, so kann er verstärkt aus diesem zurückfinden, um so eher, je voll¬<lb/>
ständiger ausgesogen es ist. Aber auch die Slawen benötigen Produkte Deutsch¬<lb/>
österreichs, deren 'Ausfuhr dieses sperren muß, insbesondere die Südslawen z. B.<lb/>
Eisen, Textilwaren, Papier, Zündhölzer u. a. Auch die gemeinsame geographische<lb/>
Lage schafft gemeinsame Bedürfnisse benachbarter Länder, seien es' gleichartige,<lb/>
seien es solche wirtschaftlicher Ergänzung. Braucht das deutsche Hinterland die<lb/>
slawischen Häfen, so brauchen diese die Warenzufuhr aus jenem. Mit den<lb/>
Tschechen verbinden sie keine derartigen Fäden, lediglich politische. Dagegen haben<lb/>
sie in Ungarn und Italienern Gegner, die sie mit den Deutschen' gemeinsam<lb/>
besser abwehren können. Verständigen sie sich mit Teutschösterreich und treten<lb/>
sie für dessen Forderungen, wir für ihre, geeint auf dem Friedenskongreß ein, so<lb/>
gewinnen beide doppeltes Gewicht. Nachbarfeindschaft ist dagegen störender, als<lb/>
etwa die Feindschaft der räumlich so weit entfernten Tschechen. Deshalb enthalten<lb/>
scheinbar schroffe Kundgebungen von südslawischer und deutschösterreichischer<lb/>
Seite so manche Punkte, an die sich Verständignngsversuche anknüpfen lasten, und<lb/>
in der Tat sind Verhandlungen bereits begonnen. Die im Waffenstillstand<lb/>
bedungenen weitgehenden Besetzungen südslawischen Gebiets dnrch die Italiener &gt;<lb/>
oder zu ihren Gunsten dürften in Agram und Laibach Empfindungen auslösen,<lb/>
die der Verständigung mit den Deutschen zugute kommen. So ist aus eine bessere<lb/>
Versorgung Deutschösterreichs und einen leidlichen Schutz der deutschen Minder¬<lb/>
heit im Süden zu hoffen. Schon Anfang November haben ja die Südslawen,<lb/>
welche den Bahnbetrieb im slowenischen Gebiet übernehmen und die deutschen<lb/>
Beamten wegschicken wollten, einsehen müssen, daß sie damit den Verkehr ernstlich<lb/>
gefährden, und man hat ein Abkommen über eine Art von gemeinsamem Betrieb<lb/>
getroffen. Ebensosehr muß beiden Teilen daran liegen, daß Trieft nicht<lb/>
italienisch bleibt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_779"> Schwieriger werden Verhandlungen auch nur über den Warenaustausch<lb/>
zwischen Deutschen und. Tschechen werden. Scheinen doch die Tschechen den<lb/>
deutschen Nationalstaat nicht anerkennen und ihm die Vertretung auf dem<lb/>
Friedenskongreß versagen zu wollen. Darauf deutet hin, daß sie über Nahrungs¬<lb/>
mittelgefahr nach Wien nur mit der Stadt selbst, nicht mit der deutschen National¬<lb/>
regierung verhandeln wollten. Mer Deutschböhmen entscheidet wahrscheinlich<lb/>
keine Verständigung, vielleicht sogar offener Kampf; die tschechische wie die deutsche<lb/>
Regierung in Böhmen sucht Sprachgrenzorte mit nationalen Truppen zu besetzen.<lb/>
Deshalb richten insbesondere die böhmischen Deutschen ihren Blick aus<lb/>
Deutschland.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_780" next="#ID_781"> Die räumliche Trennung Deutschnordböhmens, der mährisch-schlesischen<lb/>
Gebiete, die sich zur &#x201E;Provinz Sudetenland" erklärt haben, und des geschlossenen<lb/>
süddeutschen Gebiets hat manche veranlaßt, an drei selbständige deutsche Staaten<lb/>
zu denken und sogar eine gesonderte Politik vorzuschlagen: dort Einverleibung ins<lb/>
Deutsche Reich, hier staatliche Selbständigkeit müsse das Ziel sein. Dabei könnten<lb/>
leicht alle schlecht fahren. Sie müssen einig bleiben und gegenseitig für einander<lb/>
eintreten. Wohl aber rechtfertigt die getrennte Lage eine weitgehende Autonomie,<lb/>
ja Föderalismus innerhalb des Ostinarkstaates. Auch in den Alpenländern, der<lb/>
Wiege des Autonomismus, ist dieser durch die letzten Ereignisse neu belebt<lb/>
worden. Der ,,Kronlandspatriotismus" spiegelt sich in der Selbständigkeits¬<lb/>
erklärung Vorarlbergs &#x201E;innerhalb des deutschösterreichischen Staats", in dem<lb/>
Wiederaufleben des &#x201E;Egerländer Staatsrechts", in der Gründung des steirischen<lb/>
Wohlfahrtsausschusses und der Aufforderung, solche auch in den andern Kron¬<lb/>
ländern zu errichten, und in der Einsetzung von Landesregierungen in Böhmen,<lb/>
Schlesien, Oberösterreich, Salzburg, .Körnten, Steiermark. Der deutsch¬<lb/>
österreichische Staatsrat sah sich bald veranlaßt, allgemeine Satzungen für die<lb/>
Bildung von Landes-Nationalversammlungen zu erlassen. Das alles deutet nicht<lb/>
darauf hin, daß eine allgemeine Kreiseinteiluug oder ähnliche zentralistische Ein¬<lb/>
richtungen bevorstehen. " Vor allem erklären sich die Kronländer als geschlossene</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0189] die Bedrohung durch den Anarchismus, dessen sie selbst sich bereits schwer erwehren. Findet er heute, national verkleidet, aus den Südslawenländern in das deutsche Gebiet, so kann er verstärkt aus diesem zurückfinden, um so eher, je voll¬ ständiger ausgesogen es ist. Aber auch die Slawen benötigen Produkte Deutsch¬ österreichs, deren 'Ausfuhr dieses sperren muß, insbesondere die Südslawen z. B. Eisen, Textilwaren, Papier, Zündhölzer u. a. Auch die gemeinsame geographische Lage schafft gemeinsame Bedürfnisse benachbarter Länder, seien es' gleichartige, seien es solche wirtschaftlicher Ergänzung. Braucht das deutsche Hinterland die slawischen Häfen, so brauchen diese die Warenzufuhr aus jenem. Mit den Tschechen verbinden sie keine derartigen Fäden, lediglich politische. Dagegen haben sie in Ungarn und Italienern Gegner, die sie mit den Deutschen' gemeinsam besser abwehren können. Verständigen sie sich mit Teutschösterreich und treten sie für dessen Forderungen, wir für ihre, geeint auf dem Friedenskongreß ein, so gewinnen beide doppeltes Gewicht. Nachbarfeindschaft ist dagegen störender, als etwa die Feindschaft der räumlich so weit entfernten Tschechen. Deshalb enthalten scheinbar schroffe Kundgebungen von südslawischer und deutschösterreichischer Seite so manche Punkte, an die sich Verständignngsversuche anknüpfen lasten, und in der Tat sind Verhandlungen bereits begonnen. Die im Waffenstillstand bedungenen weitgehenden Besetzungen südslawischen Gebiets dnrch die Italiener > oder zu ihren Gunsten dürften in Agram und Laibach Empfindungen auslösen, die der Verständigung mit den Deutschen zugute kommen. So ist aus eine bessere Versorgung Deutschösterreichs und einen leidlichen Schutz der deutschen Minder¬ heit im Süden zu hoffen. Schon Anfang November haben ja die Südslawen, welche den Bahnbetrieb im slowenischen Gebiet übernehmen und die deutschen Beamten wegschicken wollten, einsehen müssen, daß sie damit den Verkehr ernstlich gefährden, und man hat ein Abkommen über eine Art von gemeinsamem Betrieb getroffen. Ebensosehr muß beiden Teilen daran liegen, daß Trieft nicht italienisch bleibt. Schwieriger werden Verhandlungen auch nur über den Warenaustausch zwischen Deutschen und. Tschechen werden. Scheinen doch die Tschechen den deutschen Nationalstaat nicht anerkennen und ihm die Vertretung auf dem Friedenskongreß versagen zu wollen. Darauf deutet hin, daß sie über Nahrungs¬ mittelgefahr nach Wien nur mit der Stadt selbst, nicht mit der deutschen National¬ regierung verhandeln wollten. Mer Deutschböhmen entscheidet wahrscheinlich keine Verständigung, vielleicht sogar offener Kampf; die tschechische wie die deutsche Regierung in Böhmen sucht Sprachgrenzorte mit nationalen Truppen zu besetzen. Deshalb richten insbesondere die böhmischen Deutschen ihren Blick aus Deutschland. Die räumliche Trennung Deutschnordböhmens, der mährisch-schlesischen Gebiete, die sich zur „Provinz Sudetenland" erklärt haben, und des geschlossenen süddeutschen Gebiets hat manche veranlaßt, an drei selbständige deutsche Staaten zu denken und sogar eine gesonderte Politik vorzuschlagen: dort Einverleibung ins Deutsche Reich, hier staatliche Selbständigkeit müsse das Ziel sein. Dabei könnten leicht alle schlecht fahren. Sie müssen einig bleiben und gegenseitig für einander eintreten. Wohl aber rechtfertigt die getrennte Lage eine weitgehende Autonomie, ja Föderalismus innerhalb des Ostinarkstaates. Auch in den Alpenländern, der Wiege des Autonomismus, ist dieser durch die letzten Ereignisse neu belebt worden. Der ,,Kronlandspatriotismus" spiegelt sich in der Selbständigkeits¬ erklärung Vorarlbergs „innerhalb des deutschösterreichischen Staats", in dem Wiederaufleben des „Egerländer Staatsrechts", in der Gründung des steirischen Wohlfahrtsausschusses und der Aufforderung, solche auch in den andern Kron¬ ländern zu errichten, und in der Einsetzung von Landesregierungen in Böhmen, Schlesien, Oberösterreich, Salzburg, .Körnten, Steiermark. Der deutsch¬ österreichische Staatsrat sah sich bald veranlaßt, allgemeine Satzungen für die Bildung von Landes-Nationalversammlungen zu erlassen. Das alles deutet nicht darauf hin, daß eine allgemeine Kreiseinteiluug oder ähnliche zentralistische Ein¬ richtungen bevorstehen. " Vor allem erklären sich die Kronländer als geschlossene

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/189
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/189>, abgerufen am 24.05.2024.