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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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den Folgten erst von wenigen Politikern erfaßt worden zu sein scheint. In einem
demokratischen Staate mit allgemeinem gleichen Wahlrecht ist aber eigentlich
jeder Bürger mehr oder minder Politiker.

Angesichts des Umstandes, daß die 2. Auflage des Schallmayerschen
Buches seinerzeit in dieser Wochenschrift (1911 Ur. 23 und 24) durch Prof.
Becher--Münster ü W. in einem "Rassedienst" benannten Aufsatz eine ein¬
gehende und verständnisvolle Würdigung erfahren hat und die Grundgedanken
des Werkes keine Veränderung erlitten haben, könnte es genügen, auf die neue
Auflage aufmerksam zu machen. Die Wichtigkeit und Aktualität des Gegen¬
standes, sowie einige Abweichungen in der Auffassung grundlegender Fragen
zwischen dem derzeitigen und heutigen Berichterstatter rechtfertigen es indessen,
unter ausdrücklichen? Hinweis auf die frühere Besprechung dem Buche einige
Zeilen zu widmen. Die dort gegebene Entwicklung des Gedankenganges, sowie
die Schilderung der sich aus den wissenschaftlichen Grundlagen ergebenden prak¬
tischen Forderungen baun hier nicht wiederholt werden.

Die Lehre vom "Nassedienst" geht ans von der, wie auch Becher hervor¬
hebt, "heute von fast allen Naturforschern als Wohl begründete Theorie anerkann¬
ten" Darwinschen Entwicklungslehre, "die eine Abstammung kompliziert gebau¬
ter, hochstehender Lebewesen von einfacheren, zuletzt ganz einfachen Organismen
annimmt". Sie baut sich auf den Tmsachen der Ver rtiunci mW Auswie auf.
Der Weg, der zur Erreichung des Zieles: Gesundhaltung und Vervollkomm¬
nung der Rasse (bezw. des Volkes als fortzeugende Lebenseinheit) in körperlicher,
geistiger und sittlicher Beziehung, einzuschlagen ist, hängt nnn von der Stellung¬
nahme gegenüber den betreffenden, in jenen Tatsachen enthaltenen biologischen
Problemen ab. Wer mit Lamarck glaubt, daß Uniweltseinflüsse, insonderheit
Übung bezw. Nichtgebrauch eines Organes nicht nur das Erscheinungsbild,
sondern gleichzeitig auch das Erdbild des Menschen gleichsinnig zu ändern ver¬
mögen, wird selbstredend die Vervollkommnung der Nasse durch Schaffung einer
möglichst günstigen Umwelt und Übung wertvoller Anlagen -- (auch unsere
geistig-sittlichen Fähigkeiten sind organisch bedingt) --zu erreichen trachten. Wer
dagegen mit Weismann die Möglichkeit der erblichen Übertragung nur von dem
Personaltcil im Laufe des Lebens erworbener Eigenschaften bestreitet, und die
Erbmasse als eine von Geschlecht zu Geschlecht weiter gegebene, also im Gegensatz
zum Erscheinungsbild gewissermaßen unsterbliche und 'willkürlich durch äußere
Einwirkung nicht beeinflußbare Größe betrachtet, wird einen anderen Weg zur
Verbesserung des "organischen Erbgutes" des Volkes wählen müssen. Nur da¬
durch, daß er Sorge trägt, daß sich bei der Fortpflanzung hochwertige
Erbeinheiten von seiten des Vaters und der Mutter vereinigen, wird es
ihm möglich sein, eine sich im Erscheinungs- u n d Erbbilde des Erzeugten aus¬
prägende Steigerung der Anlagen zu erzielen. Mit anderen Worten, ihm bleibt
nichts übrig als die Auslese.

Schallmaher lehnt den Lamarckismus entschieden ab, meines Erachtens
mit Recht; wie Becher meint, ohne genügende Begründung. Ich kann letzterem
Urteil nicht zustimmen. Wenn Becher in den von Sem'on zusammengestellten
Experimentaleraebrn'sser der chi'de'- er Forscher einen Beweis für die allgemein,
aber ungenau, sogenannte "Vererbung erworbener Eigenschaften" sieht, so ist zu
entgegnen, daß es sich dabei nur um eine Scheinvererbung durch Nachwirkung
von Umweltseinflüssen auf das nächste Geschlecht handelt. Das übernächste zeigt
bei höher organisierten Lebewesen die betreffenden Veränderungen schon nicht
mehr, hat sie also nicht ererbt. Bei dem zähen Festhalten einzelner Forscher am
Lamarckismus ist meines Erachtens offenbar der Wunsch der Vater des Ge¬
dankens. Die Möglichkeit, durch Verbesserung der Lebensbedingungen, Vervoll¬
kommnung der Organismen erzielen zu können, hat etwas sehr Verlockendes.
Der Weg ist bequem und man vermeidet, soweit rassenhygienische Bestrebungen
in Betracht komnren, den Zwiespalt zwischen persönlichen und gesellschaftlichen
Interessen einerseits und Rasseintevessen anderseits. Wenn ich Minderwertige


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den Folgten erst von wenigen Politikern erfaßt worden zu sein scheint. In einem
demokratischen Staate mit allgemeinem gleichen Wahlrecht ist aber eigentlich
jeder Bürger mehr oder minder Politiker.

Angesichts des Umstandes, daß die 2. Auflage des Schallmayerschen
Buches seinerzeit in dieser Wochenschrift (1911 Ur. 23 und 24) durch Prof.
Becher--Münster ü W. in einem „Rassedienst" benannten Aufsatz eine ein¬
gehende und verständnisvolle Würdigung erfahren hat und die Grundgedanken
des Werkes keine Veränderung erlitten haben, könnte es genügen, auf die neue
Auflage aufmerksam zu machen. Die Wichtigkeit und Aktualität des Gegen¬
standes, sowie einige Abweichungen in der Auffassung grundlegender Fragen
zwischen dem derzeitigen und heutigen Berichterstatter rechtfertigen es indessen,
unter ausdrücklichen? Hinweis auf die frühere Besprechung dem Buche einige
Zeilen zu widmen. Die dort gegebene Entwicklung des Gedankenganges, sowie
die Schilderung der sich aus den wissenschaftlichen Grundlagen ergebenden prak¬
tischen Forderungen baun hier nicht wiederholt werden.

Die Lehre vom „Nassedienst" geht ans von der, wie auch Becher hervor¬
hebt, „heute von fast allen Naturforschern als Wohl begründete Theorie anerkann¬
ten" Darwinschen Entwicklungslehre, „die eine Abstammung kompliziert gebau¬
ter, hochstehender Lebewesen von einfacheren, zuletzt ganz einfachen Organismen
annimmt". Sie baut sich auf den Tmsachen der Ver rtiunci mW Auswie auf.
Der Weg, der zur Erreichung des Zieles: Gesundhaltung und Vervollkomm¬
nung der Rasse (bezw. des Volkes als fortzeugende Lebenseinheit) in körperlicher,
geistiger und sittlicher Beziehung, einzuschlagen ist, hängt nnn von der Stellung¬
nahme gegenüber den betreffenden, in jenen Tatsachen enthaltenen biologischen
Problemen ab. Wer mit Lamarck glaubt, daß Uniweltseinflüsse, insonderheit
Übung bezw. Nichtgebrauch eines Organes nicht nur das Erscheinungsbild,
sondern gleichzeitig auch das Erdbild des Menschen gleichsinnig zu ändern ver¬
mögen, wird selbstredend die Vervollkommnung der Nasse durch Schaffung einer
möglichst günstigen Umwelt und Übung wertvoller Anlagen — (auch unsere
geistig-sittlichen Fähigkeiten sind organisch bedingt) —zu erreichen trachten. Wer
dagegen mit Weismann die Möglichkeit der erblichen Übertragung nur von dem
Personaltcil im Laufe des Lebens erworbener Eigenschaften bestreitet, und die
Erbmasse als eine von Geschlecht zu Geschlecht weiter gegebene, also im Gegensatz
zum Erscheinungsbild gewissermaßen unsterbliche und 'willkürlich durch äußere
Einwirkung nicht beeinflußbare Größe betrachtet, wird einen anderen Weg zur
Verbesserung des „organischen Erbgutes" des Volkes wählen müssen. Nur da¬
durch, daß er Sorge trägt, daß sich bei der Fortpflanzung hochwertige
Erbeinheiten von seiten des Vaters und der Mutter vereinigen, wird es
ihm möglich sein, eine sich im Erscheinungs- u n d Erbbilde des Erzeugten aus¬
prägende Steigerung der Anlagen zu erzielen. Mit anderen Worten, ihm bleibt
nichts übrig als die Auslese.

Schallmaher lehnt den Lamarckismus entschieden ab, meines Erachtens
mit Recht; wie Becher meint, ohne genügende Begründung. Ich kann letzterem
Urteil nicht zustimmen. Wenn Becher in den von Sem'on zusammengestellten
Experimentaleraebrn'sser der chi'de'- er Forscher einen Beweis für die allgemein,
aber ungenau, sogenannte „Vererbung erworbener Eigenschaften" sieht, so ist zu
entgegnen, daß es sich dabei nur um eine Scheinvererbung durch Nachwirkung
von Umweltseinflüssen auf das nächste Geschlecht handelt. Das übernächste zeigt
bei höher organisierten Lebewesen die betreffenden Veränderungen schon nicht
mehr, hat sie also nicht ererbt. Bei dem zähen Festhalten einzelner Forscher am
Lamarckismus ist meines Erachtens offenbar der Wunsch der Vater des Ge¬
dankens. Die Möglichkeit, durch Verbesserung der Lebensbedingungen, Vervoll¬
kommnung der Organismen erzielen zu können, hat etwas sehr Verlockendes.
Der Weg ist bequem und man vermeidet, soweit rassenhygienische Bestrebungen
in Betracht komnren, den Zwiespalt zwischen persönlichen und gesellschaftlichen
Interessen einerseits und Rasseintevessen anderseits. Wenn ich Minderwertige


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[0102] Neue Bücher den Folgten erst von wenigen Politikern erfaßt worden zu sein scheint. In einem demokratischen Staate mit allgemeinem gleichen Wahlrecht ist aber eigentlich jeder Bürger mehr oder minder Politiker. Angesichts des Umstandes, daß die 2. Auflage des Schallmayerschen Buches seinerzeit in dieser Wochenschrift (1911 Ur. 23 und 24) durch Prof. Becher--Münster ü W. in einem „Rassedienst" benannten Aufsatz eine ein¬ gehende und verständnisvolle Würdigung erfahren hat und die Grundgedanken des Werkes keine Veränderung erlitten haben, könnte es genügen, auf die neue Auflage aufmerksam zu machen. Die Wichtigkeit und Aktualität des Gegen¬ standes, sowie einige Abweichungen in der Auffassung grundlegender Fragen zwischen dem derzeitigen und heutigen Berichterstatter rechtfertigen es indessen, unter ausdrücklichen? Hinweis auf die frühere Besprechung dem Buche einige Zeilen zu widmen. Die dort gegebene Entwicklung des Gedankenganges, sowie die Schilderung der sich aus den wissenschaftlichen Grundlagen ergebenden prak¬ tischen Forderungen baun hier nicht wiederholt werden. Die Lehre vom „Nassedienst" geht ans von der, wie auch Becher hervor¬ hebt, „heute von fast allen Naturforschern als Wohl begründete Theorie anerkann¬ ten" Darwinschen Entwicklungslehre, „die eine Abstammung kompliziert gebau¬ ter, hochstehender Lebewesen von einfacheren, zuletzt ganz einfachen Organismen annimmt". Sie baut sich auf den Tmsachen der Ver rtiunci mW Auswie auf. Der Weg, der zur Erreichung des Zieles: Gesundhaltung und Vervollkomm¬ nung der Rasse (bezw. des Volkes als fortzeugende Lebenseinheit) in körperlicher, geistiger und sittlicher Beziehung, einzuschlagen ist, hängt nnn von der Stellung¬ nahme gegenüber den betreffenden, in jenen Tatsachen enthaltenen biologischen Problemen ab. Wer mit Lamarck glaubt, daß Uniweltseinflüsse, insonderheit Übung bezw. Nichtgebrauch eines Organes nicht nur das Erscheinungsbild, sondern gleichzeitig auch das Erdbild des Menschen gleichsinnig zu ändern ver¬ mögen, wird selbstredend die Vervollkommnung der Nasse durch Schaffung einer möglichst günstigen Umwelt und Übung wertvoller Anlagen — (auch unsere geistig-sittlichen Fähigkeiten sind organisch bedingt) —zu erreichen trachten. Wer dagegen mit Weismann die Möglichkeit der erblichen Übertragung nur von dem Personaltcil im Laufe des Lebens erworbener Eigenschaften bestreitet, und die Erbmasse als eine von Geschlecht zu Geschlecht weiter gegebene, also im Gegensatz zum Erscheinungsbild gewissermaßen unsterbliche und 'willkürlich durch äußere Einwirkung nicht beeinflußbare Größe betrachtet, wird einen anderen Weg zur Verbesserung des „organischen Erbgutes" des Volkes wählen müssen. Nur da¬ durch, daß er Sorge trägt, daß sich bei der Fortpflanzung hochwertige Erbeinheiten von seiten des Vaters und der Mutter vereinigen, wird es ihm möglich sein, eine sich im Erscheinungs- u n d Erbbilde des Erzeugten aus¬ prägende Steigerung der Anlagen zu erzielen. Mit anderen Worten, ihm bleibt nichts übrig als die Auslese. Schallmaher lehnt den Lamarckismus entschieden ab, meines Erachtens mit Recht; wie Becher meint, ohne genügende Begründung. Ich kann letzterem Urteil nicht zustimmen. Wenn Becher in den von Sem'on zusammengestellten Experimentaleraebrn'sser der chi'de'- er Forscher einen Beweis für die allgemein, aber ungenau, sogenannte „Vererbung erworbener Eigenschaften" sieht, so ist zu entgegnen, daß es sich dabei nur um eine Scheinvererbung durch Nachwirkung von Umweltseinflüssen auf das nächste Geschlecht handelt. Das übernächste zeigt bei höher organisierten Lebewesen die betreffenden Veränderungen schon nicht mehr, hat sie also nicht ererbt. Bei dem zähen Festhalten einzelner Forscher am Lamarckismus ist meines Erachtens offenbar der Wunsch der Vater des Ge¬ dankens. Die Möglichkeit, durch Verbesserung der Lebensbedingungen, Vervoll¬ kommnung der Organismen erzielen zu können, hat etwas sehr Verlockendes. Der Weg ist bequem und man vermeidet, soweit rassenhygienische Bestrebungen in Betracht komnren, den Zwiespalt zwischen persönlichen und gesellschaftlichen Interessen einerseits und Rasseintevessen anderseits. Wenn ich Minderwertige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/102>, abgerufen am 15.05.2024.