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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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anschauung des Sozialismus entgegen." Hier ist rundweg ausgesprochen, daß
der Sozialismus als eine höhere Form der Weltanschauung das Christentum
ersetzen will.

Aber auch von der oudern Seite her ist der Standpunkt, daß das Christen¬
tum sich in wirtschaftliche Fragen nicht zu mischen habe, gerade in diesem Augen¬
blick lebhaft umstritten. Was Tolstoi im Ton des Propheten gefordert hat, 'das
wird heute -- wenn auch in abgeschwächter Form -- von den Religiös-Sozialen
in der Schweiz mit steigendem Nachdruck geltend gemacht. Die christliche Predigt
der allgemeinen Menschenliebe bleibt eine bloße Redensart, wenn nicht die gesell¬
schaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse entsprechend umgestaltet wilden. Der
Sozialismus allein stellt den geeigneten Boden für die christliche Predigt her.
Der Kampf gegen den Kapitalismus ist daher Christenpflicht. Lniher ist auf
halbem Wege stehen geblieben, ja er hat das Christentum geschädigt, indem er
diese Seite verkannte.

So sehen wir in Deutschland uns jetzt zwischen die Doppelfrage eingeklemmt:
Besteht zwischen Christentum und Sozialismus ein so scharfer Gegensatz, daß sie
sich nebeneinander ausschließen, oder vielmehr eine so nahe Verwandtschaft, daß
sie sich gegenseitig fordern?

Wenn zwei so widersprechende Sätze über das Verhältnis der beiden Größen
aufgestellt werden können, so deutet das an sich schon darauf hin. daß zwischen
beiden einmal eine geschichtliche Beziehung, eine Befruchtung stattgefunden haben
muß. Tatsächlich ist jenes höchste Wunschziel des Sozialismus, die Befreiung der
ganzen Menschheit, nicht ohne einen starken Einfluß des Christentums entstanden.
Es ist zunächst herausgewachsen aus dem Menschheitsgedanken der Aufklärung,
der seinerseits wieder auf das Christentum zurückweist. Denn der christliche Ge¬
danke des Reiches Gottes war es, an den die führenden Geister der Aufklärung seit
Leibniz bewußt angeknüpft haben. Blut vom Blut des Christentums fließt darum
in der Sozialdemokratie, mag sie selbst dies auch noch so lebhaft bestreiten. Aber
sie ist allerdings -- noch entschiedener als die Aufklärung -- des Glaubens, daß
heute der Mmschheitsgedcmke in sich selbst so lebenskräftig, so anziehungsmächtig
geworden sei, um der Stütze durch religiöse Vorstellungen nicht mehr zu bedürfen,
und sie fühlt sich berufen, diesen Gedanken in seinem ganzen Umwng zu voll¬
strecken. Was im Christentum nur ein Traum war, wird von ihr verwirklicht.
-- Umgekehrt hat aber auch das Christentum je und je kommunistische Gesell¬
schaftsziele aus sich hervorgetrieben: von der Urgemeinde an bis herab zu den
mährischen Täufern und den Labadistem Der christliche Kommunismus hat dabei
alle Wandlungen durchlaufen, deren diese Form fähig ist. War er in der Ur¬
gemeinde ein bloßer Kommunismus des Tellers, so stellten die Gemeinden der
mährischen Brüder und der Labadisten regelrechte Produktivgenossenschaften dar.

Demnach möchte man sagen, die Frage, die die Aufklärung unter dem Titel
der Perfektibilität' des Christentums verhandelte, sei in neuer Gestalt unter uns
aufgetaucht. Das eine Mal soll das Christentum als Religion durch eine entwickeltere
Form abgelöst, das andere Mal nach der sittlichen Seite hin weitergeführt werden.

Inwiefern hat der Sozialismus ein Recht, sich selbst als Religion oder
wenigstens als einen Ersatz für die Religion hinzustellen? Es ist auffallend, wie
wenig sich die Sozialdemokratie in all ihrer Begeisterung dann bemüht, diesen
Anspruch nach seiner bejahenden Seite hin zu begründen. Sie begnügt sich zu¬
meist mit dem Herauskehren der Verneinung gegeuüber der geschichtlichen Religion.
Immer noch geht es ihr nach, daß ihr geistiger Vater in einer Zeit gelebt hat,
in der mit dem deutschen Idealismus zusammen auch die Religion einen Nieder¬
bruch litt. Feuerbachs Auffassung der Religion als einer bloßen Widerspiegelung
menschlicher Triebe ist ja für die ganze Weltanschauung von Karl Marx -- nicht
bloß für seine Stellung zur Religion selbst -- bestimmend geworden; sie hat ihm
den Grundgedanken geliefert, von dem aus er den ganzen geistigen Inhalt der
Geschichte in das Licht eines bloßen "ideologischen Oberbaus" über der wirtschaft-


Lhristontum und Sozialismus

anschauung des Sozialismus entgegen." Hier ist rundweg ausgesprochen, daß
der Sozialismus als eine höhere Form der Weltanschauung das Christentum
ersetzen will.

Aber auch von der oudern Seite her ist der Standpunkt, daß das Christen¬
tum sich in wirtschaftliche Fragen nicht zu mischen habe, gerade in diesem Augen¬
blick lebhaft umstritten. Was Tolstoi im Ton des Propheten gefordert hat, 'das
wird heute — wenn auch in abgeschwächter Form — von den Religiös-Sozialen
in der Schweiz mit steigendem Nachdruck geltend gemacht. Die christliche Predigt
der allgemeinen Menschenliebe bleibt eine bloße Redensart, wenn nicht die gesell¬
schaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse entsprechend umgestaltet wilden. Der
Sozialismus allein stellt den geeigneten Boden für die christliche Predigt her.
Der Kampf gegen den Kapitalismus ist daher Christenpflicht. Lniher ist auf
halbem Wege stehen geblieben, ja er hat das Christentum geschädigt, indem er
diese Seite verkannte.

So sehen wir in Deutschland uns jetzt zwischen die Doppelfrage eingeklemmt:
Besteht zwischen Christentum und Sozialismus ein so scharfer Gegensatz, daß sie
sich nebeneinander ausschließen, oder vielmehr eine so nahe Verwandtschaft, daß
sie sich gegenseitig fordern?

Wenn zwei so widersprechende Sätze über das Verhältnis der beiden Größen
aufgestellt werden können, so deutet das an sich schon darauf hin. daß zwischen
beiden einmal eine geschichtliche Beziehung, eine Befruchtung stattgefunden haben
muß. Tatsächlich ist jenes höchste Wunschziel des Sozialismus, die Befreiung der
ganzen Menschheit, nicht ohne einen starken Einfluß des Christentums entstanden.
Es ist zunächst herausgewachsen aus dem Menschheitsgedanken der Aufklärung,
der seinerseits wieder auf das Christentum zurückweist. Denn der christliche Ge¬
danke des Reiches Gottes war es, an den die führenden Geister der Aufklärung seit
Leibniz bewußt angeknüpft haben. Blut vom Blut des Christentums fließt darum
in der Sozialdemokratie, mag sie selbst dies auch noch so lebhaft bestreiten. Aber
sie ist allerdings — noch entschiedener als die Aufklärung — des Glaubens, daß
heute der Mmschheitsgedcmke in sich selbst so lebenskräftig, so anziehungsmächtig
geworden sei, um der Stütze durch religiöse Vorstellungen nicht mehr zu bedürfen,
und sie fühlt sich berufen, diesen Gedanken in seinem ganzen Umwng zu voll¬
strecken. Was im Christentum nur ein Traum war, wird von ihr verwirklicht.
— Umgekehrt hat aber auch das Christentum je und je kommunistische Gesell¬
schaftsziele aus sich hervorgetrieben: von der Urgemeinde an bis herab zu den
mährischen Täufern und den Labadistem Der christliche Kommunismus hat dabei
alle Wandlungen durchlaufen, deren diese Form fähig ist. War er in der Ur¬
gemeinde ein bloßer Kommunismus des Tellers, so stellten die Gemeinden der
mährischen Brüder und der Labadisten regelrechte Produktivgenossenschaften dar.

Demnach möchte man sagen, die Frage, die die Aufklärung unter dem Titel
der Perfektibilität' des Christentums verhandelte, sei in neuer Gestalt unter uns
aufgetaucht. Das eine Mal soll das Christentum als Religion durch eine entwickeltere
Form abgelöst, das andere Mal nach der sittlichen Seite hin weitergeführt werden.

Inwiefern hat der Sozialismus ein Recht, sich selbst als Religion oder
wenigstens als einen Ersatz für die Religion hinzustellen? Es ist auffallend, wie
wenig sich die Sozialdemokratie in all ihrer Begeisterung dann bemüht, diesen
Anspruch nach seiner bejahenden Seite hin zu begründen. Sie begnügt sich zu¬
meist mit dem Herauskehren der Verneinung gegeuüber der geschichtlichen Religion.
Immer noch geht es ihr nach, daß ihr geistiger Vater in einer Zeit gelebt hat,
in der mit dem deutschen Idealismus zusammen auch die Religion einen Nieder¬
bruch litt. Feuerbachs Auffassung der Religion als einer bloßen Widerspiegelung
menschlicher Triebe ist ja für die ganze Weltanschauung von Karl Marx — nicht
bloß für seine Stellung zur Religion selbst — bestimmend geworden; sie hat ihm
den Grundgedanken geliefert, von dem aus er den ganzen geistigen Inhalt der
Geschichte in das Licht eines bloßen „ideologischen Oberbaus" über der wirtschaft-


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[0187] Lhristontum und Sozialismus anschauung des Sozialismus entgegen." Hier ist rundweg ausgesprochen, daß der Sozialismus als eine höhere Form der Weltanschauung das Christentum ersetzen will. Aber auch von der oudern Seite her ist der Standpunkt, daß das Christen¬ tum sich in wirtschaftliche Fragen nicht zu mischen habe, gerade in diesem Augen¬ blick lebhaft umstritten. Was Tolstoi im Ton des Propheten gefordert hat, 'das wird heute — wenn auch in abgeschwächter Form — von den Religiös-Sozialen in der Schweiz mit steigendem Nachdruck geltend gemacht. Die christliche Predigt der allgemeinen Menschenliebe bleibt eine bloße Redensart, wenn nicht die gesell¬ schaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse entsprechend umgestaltet wilden. Der Sozialismus allein stellt den geeigneten Boden für die christliche Predigt her. Der Kampf gegen den Kapitalismus ist daher Christenpflicht. Lniher ist auf halbem Wege stehen geblieben, ja er hat das Christentum geschädigt, indem er diese Seite verkannte. So sehen wir in Deutschland uns jetzt zwischen die Doppelfrage eingeklemmt: Besteht zwischen Christentum und Sozialismus ein so scharfer Gegensatz, daß sie sich nebeneinander ausschließen, oder vielmehr eine so nahe Verwandtschaft, daß sie sich gegenseitig fordern? Wenn zwei so widersprechende Sätze über das Verhältnis der beiden Größen aufgestellt werden können, so deutet das an sich schon darauf hin. daß zwischen beiden einmal eine geschichtliche Beziehung, eine Befruchtung stattgefunden haben muß. Tatsächlich ist jenes höchste Wunschziel des Sozialismus, die Befreiung der ganzen Menschheit, nicht ohne einen starken Einfluß des Christentums entstanden. Es ist zunächst herausgewachsen aus dem Menschheitsgedanken der Aufklärung, der seinerseits wieder auf das Christentum zurückweist. Denn der christliche Ge¬ danke des Reiches Gottes war es, an den die führenden Geister der Aufklärung seit Leibniz bewußt angeknüpft haben. Blut vom Blut des Christentums fließt darum in der Sozialdemokratie, mag sie selbst dies auch noch so lebhaft bestreiten. Aber sie ist allerdings — noch entschiedener als die Aufklärung — des Glaubens, daß heute der Mmschheitsgedcmke in sich selbst so lebenskräftig, so anziehungsmächtig geworden sei, um der Stütze durch religiöse Vorstellungen nicht mehr zu bedürfen, und sie fühlt sich berufen, diesen Gedanken in seinem ganzen Umwng zu voll¬ strecken. Was im Christentum nur ein Traum war, wird von ihr verwirklicht. — Umgekehrt hat aber auch das Christentum je und je kommunistische Gesell¬ schaftsziele aus sich hervorgetrieben: von der Urgemeinde an bis herab zu den mährischen Täufern und den Labadistem Der christliche Kommunismus hat dabei alle Wandlungen durchlaufen, deren diese Form fähig ist. War er in der Ur¬ gemeinde ein bloßer Kommunismus des Tellers, so stellten die Gemeinden der mährischen Brüder und der Labadisten regelrechte Produktivgenossenschaften dar. Demnach möchte man sagen, die Frage, die die Aufklärung unter dem Titel der Perfektibilität' des Christentums verhandelte, sei in neuer Gestalt unter uns aufgetaucht. Das eine Mal soll das Christentum als Religion durch eine entwickeltere Form abgelöst, das andere Mal nach der sittlichen Seite hin weitergeführt werden. Inwiefern hat der Sozialismus ein Recht, sich selbst als Religion oder wenigstens als einen Ersatz für die Religion hinzustellen? Es ist auffallend, wie wenig sich die Sozialdemokratie in all ihrer Begeisterung dann bemüht, diesen Anspruch nach seiner bejahenden Seite hin zu begründen. Sie begnügt sich zu¬ meist mit dem Herauskehren der Verneinung gegeuüber der geschichtlichen Religion. Immer noch geht es ihr nach, daß ihr geistiger Vater in einer Zeit gelebt hat, in der mit dem deutschen Idealismus zusammen auch die Religion einen Nieder¬ bruch litt. Feuerbachs Auffassung der Religion als einer bloßen Widerspiegelung menschlicher Triebe ist ja für die ganze Weltanschauung von Karl Marx — nicht bloß für seine Stellung zur Religion selbst — bestimmend geworden; sie hat ihm den Grundgedanken geliefert, von dem aus er den ganzen geistigen Inhalt der Geschichte in das Licht eines bloßen „ideologischen Oberbaus" über der wirtschaft-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/187>, abgerufen am 16.05.2024.