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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Nationalitätsprinzip und Staatcnvergesvllschaftung

der Interessengemeinschaft der Weltvölker arbeitete. Es sind mit und nach ihm
eine solche Fülle von Vertragsverhältnissen iiuernationaler Art entstanden, die der
Weltverkehr nötig gemacht hat, daß für ihre Aufzählung hier der Raum fehlt.
Wer sich genauer unterrichten will, lese in Liszts Völkerrecht nach. Auf die Be¬
deutung des Weltpostvereins als Ausgangspunkt der Weltstaatenorganisation hat
zuerst und immer wieder der Kieler Völkerrechtslehrer Niemeyer hingewiesen.

Der Verkehr ist die treibende Kraft, die sich den Organismus des Völker¬
bundes baut. Wenn heute, auch die Wilsonsche Verfassung berücksichtigt das, der
internationalen Arbeitsgesetzgebung ein bedeutender Spielraum im Rechtszustand
des Völkerbundes eingeräumt wird, so ist es doch nicht die soziale Idee, die an
der Weltstaatenordnung anbaut, sondern eS ist auch hier der Verkehr, der in
diesem Fall auf dem Spezialgebiet der sozialen Beziehungen wirkt. Er selber,
der Verkehr, bleibt die einzige Triebkraft, die die Staatengesellschaft entstehen und
sich entfalten läßt. Also gilt es, vom Verkehr auszugehen, wenn nun sür die
Weltstaatengemeinschaft die politische Form gefunden werden soll.

Es handelt sich also um die Zusammenarbeit des Verkehrs- und des
nationalstaatlichen Interesses.

Der Nationalstaat erhebt den Anspruch, daß sein Recht auf Selbstbestimmung,
auf eigene Ordnung seiner Angelegenheiten möglichst wenig beschränkt sei. Die
ständige Ausdehnung des Verkehrs hingegen bringt ihn mit immer mehr Völkern
und Staaten der Erde zusammen, auf die er Rücksicht zu nehmen hat, wenn er
überhaupt Wert darauf legt, mit ihnen in möglichst reibungslosen und daher
am meisten fruchtbringenden Verkehr zu stehen. Rücksicht aber heißt Selost-
beschränkung. Der Nationalstaat, der in den Weltverkehr eintritt und an dessen
Vorteilen teilnehmen will, muß daher erhebliche Stücke seiner Selbständigkeit
opfern. Aber nicht mehr, als für den möglichst friedlichen Verkehr und dessen
ständige Verbesserung nötig ist. Vor allem kann jeder Staat verlangen, daß dieses
Opfer ein gegenseitiges sei.

Es gilt eine Weltverkehrsorganisation umfassendster Art zu schaffen. Daß
diese dann vom wirtschaftlichen und finanziellen sowie sozialen Gebiet schließlich
auch aufs reinpolitische übergreift, ist eine Selbstverständlichkeit. Aber die politische
Ordnung dieser Weltverkehrsorganisalion, die dann den Charakter einer Welt¬
staatengesellschaft erhält, ist der Schlußstein des ganzen Baues. Wilsons Völker¬
bund hingegen fängt mit der Errichtung des politischen Giebels an, weil er seinen
Ursprung von den Kriegsereignissen nimmt. Sicherlich gehört die Erfindung einer
Methode, die die Kriege möglichst verhütet, auch zu den Aufgaben einer Organi¬
sation, die den Verkehr der Weltvölker von groben Störungen freihalten will.
Aber schließlich ist der Krieg doch glücklicherweise immer noch ein Ausnahmezustand
gewesen. Wer in erster Linie an Einrichtungen denkt, die ihn sür immer unmöglich
machen sollen, zäumt das Pferd beim Schwänze auf.

Es dürfte sich also empfehlen: Für alle irgendwie internationalen Charakter
tragenden Verkehrszweige werden von allen Staaten beschickte Kommissionen ein¬
gesetzt. Diese haben allgemeine Verkehrsregeln auszuarbeiten und deren gleich¬
mäßige Beobachtung bei allen Staaten der Weltverkehrsgesellschaft zu überwachen.
Es werden also internationale Eisenbahnkommissionen. ebensolche Kommissionen für
Fluß-, Kanal- und Seeschiffahrt, für Außenhandel, für den Austausch geistiger
Güter, sür Arbeiterschutz, für internationale Rechtspflege, für den Ausbau des
Völkerrechts und zum Ausgleich zwischen staatlicher Machtgegensätze eingesetzt.
Diese Vielheit von Kommissionen entsenden Sachverständige zur Bildung eines
Weltschiedsgerichtshofes, der so für jeden Streitfall auf Grund der besten Fach-
kenntnisse ein Urteil fallen mag, das meinetwegen Zwangscharakter haben kann.
Daß hinter der Durchführung eines solchen Urteils dann auch ein Machtmittel
der Weltstaatenorganisation stehe, ist eine Naturnotwendigkeit, die sich aus dem
Charakter dieser Organisation als einer Weltvcrkehrsordnung ergibt. Dieses
Machtmittel wäre der Abbruch des internationalen Verkehrs gegen den das Urteil
nicht anerkennenden Staat. Leider wird es gegenüber einem Weltstaat versagen,


Nationalitätsprinzip und Staatcnvergesvllschaftung

der Interessengemeinschaft der Weltvölker arbeitete. Es sind mit und nach ihm
eine solche Fülle von Vertragsverhältnissen iiuernationaler Art entstanden, die der
Weltverkehr nötig gemacht hat, daß für ihre Aufzählung hier der Raum fehlt.
Wer sich genauer unterrichten will, lese in Liszts Völkerrecht nach. Auf die Be¬
deutung des Weltpostvereins als Ausgangspunkt der Weltstaatenorganisation hat
zuerst und immer wieder der Kieler Völkerrechtslehrer Niemeyer hingewiesen.

Der Verkehr ist die treibende Kraft, die sich den Organismus des Völker¬
bundes baut. Wenn heute, auch die Wilsonsche Verfassung berücksichtigt das, der
internationalen Arbeitsgesetzgebung ein bedeutender Spielraum im Rechtszustand
des Völkerbundes eingeräumt wird, so ist es doch nicht die soziale Idee, die an
der Weltstaatenordnung anbaut, sondern eS ist auch hier der Verkehr, der in
diesem Fall auf dem Spezialgebiet der sozialen Beziehungen wirkt. Er selber,
der Verkehr, bleibt die einzige Triebkraft, die die Staatengesellschaft entstehen und
sich entfalten läßt. Also gilt es, vom Verkehr auszugehen, wenn nun sür die
Weltstaatengemeinschaft die politische Form gefunden werden soll.

Es handelt sich also um die Zusammenarbeit des Verkehrs- und des
nationalstaatlichen Interesses.

Der Nationalstaat erhebt den Anspruch, daß sein Recht auf Selbstbestimmung,
auf eigene Ordnung seiner Angelegenheiten möglichst wenig beschränkt sei. Die
ständige Ausdehnung des Verkehrs hingegen bringt ihn mit immer mehr Völkern
und Staaten der Erde zusammen, auf die er Rücksicht zu nehmen hat, wenn er
überhaupt Wert darauf legt, mit ihnen in möglichst reibungslosen und daher
am meisten fruchtbringenden Verkehr zu stehen. Rücksicht aber heißt Selost-
beschränkung. Der Nationalstaat, der in den Weltverkehr eintritt und an dessen
Vorteilen teilnehmen will, muß daher erhebliche Stücke seiner Selbständigkeit
opfern. Aber nicht mehr, als für den möglichst friedlichen Verkehr und dessen
ständige Verbesserung nötig ist. Vor allem kann jeder Staat verlangen, daß dieses
Opfer ein gegenseitiges sei.

Es gilt eine Weltverkehrsorganisation umfassendster Art zu schaffen. Daß
diese dann vom wirtschaftlichen und finanziellen sowie sozialen Gebiet schließlich
auch aufs reinpolitische übergreift, ist eine Selbstverständlichkeit. Aber die politische
Ordnung dieser Weltverkehrsorganisalion, die dann den Charakter einer Welt¬
staatengesellschaft erhält, ist der Schlußstein des ganzen Baues. Wilsons Völker¬
bund hingegen fängt mit der Errichtung des politischen Giebels an, weil er seinen
Ursprung von den Kriegsereignissen nimmt. Sicherlich gehört die Erfindung einer
Methode, die die Kriege möglichst verhütet, auch zu den Aufgaben einer Organi¬
sation, die den Verkehr der Weltvölker von groben Störungen freihalten will.
Aber schließlich ist der Krieg doch glücklicherweise immer noch ein Ausnahmezustand
gewesen. Wer in erster Linie an Einrichtungen denkt, die ihn sür immer unmöglich
machen sollen, zäumt das Pferd beim Schwänze auf.

Es dürfte sich also empfehlen: Für alle irgendwie internationalen Charakter
tragenden Verkehrszweige werden von allen Staaten beschickte Kommissionen ein¬
gesetzt. Diese haben allgemeine Verkehrsregeln auszuarbeiten und deren gleich¬
mäßige Beobachtung bei allen Staaten der Weltverkehrsgesellschaft zu überwachen.
Es werden also internationale Eisenbahnkommissionen. ebensolche Kommissionen für
Fluß-, Kanal- und Seeschiffahrt, für Außenhandel, für den Austausch geistiger
Güter, sür Arbeiterschutz, für internationale Rechtspflege, für den Ausbau des
Völkerrechts und zum Ausgleich zwischen staatlicher Machtgegensätze eingesetzt.
Diese Vielheit von Kommissionen entsenden Sachverständige zur Bildung eines
Weltschiedsgerichtshofes, der so für jeden Streitfall auf Grund der besten Fach-
kenntnisse ein Urteil fallen mag, das meinetwegen Zwangscharakter haben kann.
Daß hinter der Durchführung eines solchen Urteils dann auch ein Machtmittel
der Weltstaatenorganisation stehe, ist eine Naturnotwendigkeit, die sich aus dem
Charakter dieser Organisation als einer Weltvcrkehrsordnung ergibt. Dieses
Machtmittel wäre der Abbruch des internationalen Verkehrs gegen den das Urteil
nicht anerkennenden Staat. Leider wird es gegenüber einem Weltstaat versagen,


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[0232] Nationalitätsprinzip und Staatcnvergesvllschaftung der Interessengemeinschaft der Weltvölker arbeitete. Es sind mit und nach ihm eine solche Fülle von Vertragsverhältnissen iiuernationaler Art entstanden, die der Weltverkehr nötig gemacht hat, daß für ihre Aufzählung hier der Raum fehlt. Wer sich genauer unterrichten will, lese in Liszts Völkerrecht nach. Auf die Be¬ deutung des Weltpostvereins als Ausgangspunkt der Weltstaatenorganisation hat zuerst und immer wieder der Kieler Völkerrechtslehrer Niemeyer hingewiesen. Der Verkehr ist die treibende Kraft, die sich den Organismus des Völker¬ bundes baut. Wenn heute, auch die Wilsonsche Verfassung berücksichtigt das, der internationalen Arbeitsgesetzgebung ein bedeutender Spielraum im Rechtszustand des Völkerbundes eingeräumt wird, so ist es doch nicht die soziale Idee, die an der Weltstaatenordnung anbaut, sondern eS ist auch hier der Verkehr, der in diesem Fall auf dem Spezialgebiet der sozialen Beziehungen wirkt. Er selber, der Verkehr, bleibt die einzige Triebkraft, die die Staatengesellschaft entstehen und sich entfalten läßt. Also gilt es, vom Verkehr auszugehen, wenn nun sür die Weltstaatengemeinschaft die politische Form gefunden werden soll. Es handelt sich also um die Zusammenarbeit des Verkehrs- und des nationalstaatlichen Interesses. Der Nationalstaat erhebt den Anspruch, daß sein Recht auf Selbstbestimmung, auf eigene Ordnung seiner Angelegenheiten möglichst wenig beschränkt sei. Die ständige Ausdehnung des Verkehrs hingegen bringt ihn mit immer mehr Völkern und Staaten der Erde zusammen, auf die er Rücksicht zu nehmen hat, wenn er überhaupt Wert darauf legt, mit ihnen in möglichst reibungslosen und daher am meisten fruchtbringenden Verkehr zu stehen. Rücksicht aber heißt Selost- beschränkung. Der Nationalstaat, der in den Weltverkehr eintritt und an dessen Vorteilen teilnehmen will, muß daher erhebliche Stücke seiner Selbständigkeit opfern. Aber nicht mehr, als für den möglichst friedlichen Verkehr und dessen ständige Verbesserung nötig ist. Vor allem kann jeder Staat verlangen, daß dieses Opfer ein gegenseitiges sei. Es gilt eine Weltverkehrsorganisation umfassendster Art zu schaffen. Daß diese dann vom wirtschaftlichen und finanziellen sowie sozialen Gebiet schließlich auch aufs reinpolitische übergreift, ist eine Selbstverständlichkeit. Aber die politische Ordnung dieser Weltverkehrsorganisalion, die dann den Charakter einer Welt¬ staatengesellschaft erhält, ist der Schlußstein des ganzen Baues. Wilsons Völker¬ bund hingegen fängt mit der Errichtung des politischen Giebels an, weil er seinen Ursprung von den Kriegsereignissen nimmt. Sicherlich gehört die Erfindung einer Methode, die die Kriege möglichst verhütet, auch zu den Aufgaben einer Organi¬ sation, die den Verkehr der Weltvölker von groben Störungen freihalten will. Aber schließlich ist der Krieg doch glücklicherweise immer noch ein Ausnahmezustand gewesen. Wer in erster Linie an Einrichtungen denkt, die ihn sür immer unmöglich machen sollen, zäumt das Pferd beim Schwänze auf. Es dürfte sich also empfehlen: Für alle irgendwie internationalen Charakter tragenden Verkehrszweige werden von allen Staaten beschickte Kommissionen ein¬ gesetzt. Diese haben allgemeine Verkehrsregeln auszuarbeiten und deren gleich¬ mäßige Beobachtung bei allen Staaten der Weltverkehrsgesellschaft zu überwachen. Es werden also internationale Eisenbahnkommissionen. ebensolche Kommissionen für Fluß-, Kanal- und Seeschiffahrt, für Außenhandel, für den Austausch geistiger Güter, sür Arbeiterschutz, für internationale Rechtspflege, für den Ausbau des Völkerrechts und zum Ausgleich zwischen staatlicher Machtgegensätze eingesetzt. Diese Vielheit von Kommissionen entsenden Sachverständige zur Bildung eines Weltschiedsgerichtshofes, der so für jeden Streitfall auf Grund der besten Fach- kenntnisse ein Urteil fallen mag, das meinetwegen Zwangscharakter haben kann. Daß hinter der Durchführung eines solchen Urteils dann auch ein Machtmittel der Weltstaatenorganisation stehe, ist eine Naturnotwendigkeit, die sich aus dem Charakter dieser Organisation als einer Weltvcrkehrsordnung ergibt. Dieses Machtmittel wäre der Abbruch des internationalen Verkehrs gegen den das Urteil nicht anerkennenden Staat. Leider wird es gegenüber einem Weltstaat versagen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/232>, abgerufen am 16.05.2024.