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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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bestimmungsrecht der Nationen. In der Tat aber läßt er die Nationalidee ver¬
kümmern. Nicht nur dadurch, daß er ganz einseitig bestimmte Völkerschaften, die
seinem Herzen nahe zu stehen scheinen, allein mit dem Selbstbestimmungsrecht
begnadet, es uns aber vorenthält, sondern auch dadurch, daß er den Friedens¬
vertrag und den Völkerbund ganz einseitig als Schußwaffe oder als Machtmittel
ihm befreundeter Staaten hat ausgestalten lassen. Es ist der staatliche Egoismus,
der überall unter Wilsons Segen da üppig ins Kraut schießt, wo Wilsons Staat
und dessen Schutzgenossen stehen. Es kommt dem Begründer des Völkerbundes
in der Tat nicht darauf an, daß die Gemeinschaft aller Erdvölker den Organismus
gefunden hat, durch den sie sich nach dem ihr innewohnenden Gesetz entfalten
kann, sondern daß die Völkergemeinschaft einer beschränkten Staatengruppe als
Mittel dienen muß, durch daß sich diese in ihrer beherrschenden Stellung behaupten
will. Diese stamsegoistische Politik, die dem Gedanken der Völkergemeinschaft
widerstreitet, ist der Wurm, der schließlich die Wilsonsche Völkerliga aushöhlen wird.

Wir haben auf beschränktem Raum schon einmal und zwar auf deutscher
Erde ähnliches erlebt: als der deutsche Staciteubuud auf dein Wiener Kongreß
gegründet wurde. Der deutsche Bund von Anno 1815 sollte nach Metteniichs
und seiner Interessengenossen Wunsch nicht die wirkliche Einigung der deutschen
Stämme bringen, sondern Österreich das Instrument liefern, durch das es sich
über die Grenzen des habsburgischen Staates hinaus als die Vormacht in Deutsch¬
land behauptete. Die Wiener Politik hat auf die Dauer diese Absicht nicht durch¬
setzen können. Es bildete sich unter preußischer Grundlage auf deutschem Boden
ein wirtschaftlicher Zusammenschluß der deutschen Stammesstaaten, und während
.der österreichische Staatsegoismus den deutschen Bund hinderte, zu einem wirk¬
lichen Bundesstaat zu werden, und so sein Dasein unterwühlte, bereitete der
deutsche Zollverein langsam die Einigung der Einzelstaaten zum Deutschen
Reiche vor.

Ein ähnlicher Prozeß, so hoffe ich, wird sich im WUsonschen Völkerbund
vollziehen. Allerdings verkennt der Versailler Friedensvertrag keineswegs die Be¬
deutung der Macht, die die wirtschaftlichem Beziehungen der Völker zueinander
besitzen Im Gegenteil, der Versailler Vertrag sieht eine Unmenge Bestimmungen
vor, die .Verkehrs- und Wirtschaftsverhältnisse regeln sollen. Er stellt die mittel¬
europäischen Stromsystcme unter internationale Kontrolle; er nimmt uns unsere
Handelsflotte: er errichtet eine dauernde Finanzbevonnundung- er raubt uns
unsere .Kabel-, er hindert uns in der Entwicklung des Luftverkehrs usw. Aber
wie schon diese kurze Aufzählung beweist, der Versailler Friede ist nicht Verkehrs-
entwickelnd, sondern verkehrshemmend. Und hier liegt die Todsünde wider den
Geist des Völkerbundgedankens.

Oder ist es nicht eine Ungeheuerlichkeit, die allein modernen Empfinden
widerstreitet, wenn uns auf einem großen Flächenraum die Einrichtung von
Landplätzen für Flugzeuge und Luftschiffe untersagt wird? Ist es denkbar, daß
ein derartiges Verbot gehalten werden kaun in einer Zeit, die gerade mit den
Mitteln des Luftverkehrs alle staatlichen Grenzen überfliegt? Dampf, Elektrizität
und Gas sind die Kraft, die auf Geleisen, zu Wasser und durch den Himmelsraum
Fahrzeuge von immer wachsender Größe durch den engen Raum tragen und die
Etaatengrenzen beständig näher zusammenrücken. Es ist ein Wahnsinn, ein oder
Mehrere Völker ihres Anteils an dieser Verkehrsentfaltung, an diesem Zusammen¬
rücken der Nationen berauben zu wollen. Und ebenso ist es ein Grundirrtum
SU glauben, die Entente könne auf die Dauer die Staaten, die mit ihr im Kriege
gelegen haben, durch Vertragsbestimmungen von dem Handel mit der Übersee
ausschließen.

Es ist der Verkehr, der die wahre Weltstaatengemeinschaft bildet. Wir
sehen, daß diese Kraft schon am Werke war, als es politisch nur erst eine
europäische Staatengesellschaft und jenseits des großen Wassers ein durch die
Monroedoktrin geschütztes amerikanisches Staatenshstem gab. Der Weltpostverein
war der sichtbarste Ausdruck der Kraft, mit der der Verkehr an der Herausarbeitung


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Nalionalitüt-prmzip und Staatenvergesellschciftnng

bestimmungsrecht der Nationen. In der Tat aber läßt er die Nationalidee ver¬
kümmern. Nicht nur dadurch, daß er ganz einseitig bestimmte Völkerschaften, die
seinem Herzen nahe zu stehen scheinen, allein mit dem Selbstbestimmungsrecht
begnadet, es uns aber vorenthält, sondern auch dadurch, daß er den Friedens¬
vertrag und den Völkerbund ganz einseitig als Schußwaffe oder als Machtmittel
ihm befreundeter Staaten hat ausgestalten lassen. Es ist der staatliche Egoismus,
der überall unter Wilsons Segen da üppig ins Kraut schießt, wo Wilsons Staat
und dessen Schutzgenossen stehen. Es kommt dem Begründer des Völkerbundes
in der Tat nicht darauf an, daß die Gemeinschaft aller Erdvölker den Organismus
gefunden hat, durch den sie sich nach dem ihr innewohnenden Gesetz entfalten
kann, sondern daß die Völkergemeinschaft einer beschränkten Staatengruppe als
Mittel dienen muß, durch daß sich diese in ihrer beherrschenden Stellung behaupten
will. Diese stamsegoistische Politik, die dem Gedanken der Völkergemeinschaft
widerstreitet, ist der Wurm, der schließlich die Wilsonsche Völkerliga aushöhlen wird.

Wir haben auf beschränktem Raum schon einmal und zwar auf deutscher
Erde ähnliches erlebt: als der deutsche Staciteubuud auf dein Wiener Kongreß
gegründet wurde. Der deutsche Bund von Anno 1815 sollte nach Metteniichs
und seiner Interessengenossen Wunsch nicht die wirkliche Einigung der deutschen
Stämme bringen, sondern Österreich das Instrument liefern, durch das es sich
über die Grenzen des habsburgischen Staates hinaus als die Vormacht in Deutsch¬
land behauptete. Die Wiener Politik hat auf die Dauer diese Absicht nicht durch¬
setzen können. Es bildete sich unter preußischer Grundlage auf deutschem Boden
ein wirtschaftlicher Zusammenschluß der deutschen Stammesstaaten, und während
.der österreichische Staatsegoismus den deutschen Bund hinderte, zu einem wirk¬
lichen Bundesstaat zu werden, und so sein Dasein unterwühlte, bereitete der
deutsche Zollverein langsam die Einigung der Einzelstaaten zum Deutschen
Reiche vor.

Ein ähnlicher Prozeß, so hoffe ich, wird sich im WUsonschen Völkerbund
vollziehen. Allerdings verkennt der Versailler Friedensvertrag keineswegs die Be¬
deutung der Macht, die die wirtschaftlichem Beziehungen der Völker zueinander
besitzen Im Gegenteil, der Versailler Vertrag sieht eine Unmenge Bestimmungen
vor, die .Verkehrs- und Wirtschaftsverhältnisse regeln sollen. Er stellt die mittel¬
europäischen Stromsystcme unter internationale Kontrolle; er nimmt uns unsere
Handelsflotte: er errichtet eine dauernde Finanzbevonnundung- er raubt uns
unsere .Kabel-, er hindert uns in der Entwicklung des Luftverkehrs usw. Aber
wie schon diese kurze Aufzählung beweist, der Versailler Friede ist nicht Verkehrs-
entwickelnd, sondern verkehrshemmend. Und hier liegt die Todsünde wider den
Geist des Völkerbundgedankens.

Oder ist es nicht eine Ungeheuerlichkeit, die allein modernen Empfinden
widerstreitet, wenn uns auf einem großen Flächenraum die Einrichtung von
Landplätzen für Flugzeuge und Luftschiffe untersagt wird? Ist es denkbar, daß
ein derartiges Verbot gehalten werden kaun in einer Zeit, die gerade mit den
Mitteln des Luftverkehrs alle staatlichen Grenzen überfliegt? Dampf, Elektrizität
und Gas sind die Kraft, die auf Geleisen, zu Wasser und durch den Himmelsraum
Fahrzeuge von immer wachsender Größe durch den engen Raum tragen und die
Etaatengrenzen beständig näher zusammenrücken. Es ist ein Wahnsinn, ein oder
Mehrere Völker ihres Anteils an dieser Verkehrsentfaltung, an diesem Zusammen¬
rücken der Nationen berauben zu wollen. Und ebenso ist es ein Grundirrtum
SU glauben, die Entente könne auf die Dauer die Staaten, die mit ihr im Kriege
gelegen haben, durch Vertragsbestimmungen von dem Handel mit der Übersee
ausschließen.

Es ist der Verkehr, der die wahre Weltstaatengemeinschaft bildet. Wir
sehen, daß diese Kraft schon am Werke war, als es politisch nur erst eine
europäische Staatengesellschaft und jenseits des großen Wassers ein durch die
Monroedoktrin geschütztes amerikanisches Staatenshstem gab. Der Weltpostverein
war der sichtbarste Ausdruck der Kraft, mit der der Verkehr an der Herausarbeitung


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[0231] Nalionalitüt-prmzip und Staatenvergesellschciftnng bestimmungsrecht der Nationen. In der Tat aber läßt er die Nationalidee ver¬ kümmern. Nicht nur dadurch, daß er ganz einseitig bestimmte Völkerschaften, die seinem Herzen nahe zu stehen scheinen, allein mit dem Selbstbestimmungsrecht begnadet, es uns aber vorenthält, sondern auch dadurch, daß er den Friedens¬ vertrag und den Völkerbund ganz einseitig als Schußwaffe oder als Machtmittel ihm befreundeter Staaten hat ausgestalten lassen. Es ist der staatliche Egoismus, der überall unter Wilsons Segen da üppig ins Kraut schießt, wo Wilsons Staat und dessen Schutzgenossen stehen. Es kommt dem Begründer des Völkerbundes in der Tat nicht darauf an, daß die Gemeinschaft aller Erdvölker den Organismus gefunden hat, durch den sie sich nach dem ihr innewohnenden Gesetz entfalten kann, sondern daß die Völkergemeinschaft einer beschränkten Staatengruppe als Mittel dienen muß, durch daß sich diese in ihrer beherrschenden Stellung behaupten will. Diese stamsegoistische Politik, die dem Gedanken der Völkergemeinschaft widerstreitet, ist der Wurm, der schließlich die Wilsonsche Völkerliga aushöhlen wird. Wir haben auf beschränktem Raum schon einmal und zwar auf deutscher Erde ähnliches erlebt: als der deutsche Staciteubuud auf dein Wiener Kongreß gegründet wurde. Der deutsche Bund von Anno 1815 sollte nach Metteniichs und seiner Interessengenossen Wunsch nicht die wirkliche Einigung der deutschen Stämme bringen, sondern Österreich das Instrument liefern, durch das es sich über die Grenzen des habsburgischen Staates hinaus als die Vormacht in Deutsch¬ land behauptete. Die Wiener Politik hat auf die Dauer diese Absicht nicht durch¬ setzen können. Es bildete sich unter preußischer Grundlage auf deutschem Boden ein wirtschaftlicher Zusammenschluß der deutschen Stammesstaaten, und während .der österreichische Staatsegoismus den deutschen Bund hinderte, zu einem wirk¬ lichen Bundesstaat zu werden, und so sein Dasein unterwühlte, bereitete der deutsche Zollverein langsam die Einigung der Einzelstaaten zum Deutschen Reiche vor. Ein ähnlicher Prozeß, so hoffe ich, wird sich im WUsonschen Völkerbund vollziehen. Allerdings verkennt der Versailler Friedensvertrag keineswegs die Be¬ deutung der Macht, die die wirtschaftlichem Beziehungen der Völker zueinander besitzen Im Gegenteil, der Versailler Vertrag sieht eine Unmenge Bestimmungen vor, die .Verkehrs- und Wirtschaftsverhältnisse regeln sollen. Er stellt die mittel¬ europäischen Stromsystcme unter internationale Kontrolle; er nimmt uns unsere Handelsflotte: er errichtet eine dauernde Finanzbevonnundung- er raubt uns unsere .Kabel-, er hindert uns in der Entwicklung des Luftverkehrs usw. Aber wie schon diese kurze Aufzählung beweist, der Versailler Friede ist nicht Verkehrs- entwickelnd, sondern verkehrshemmend. Und hier liegt die Todsünde wider den Geist des Völkerbundgedankens. Oder ist es nicht eine Ungeheuerlichkeit, die allein modernen Empfinden widerstreitet, wenn uns auf einem großen Flächenraum die Einrichtung von Landplätzen für Flugzeuge und Luftschiffe untersagt wird? Ist es denkbar, daß ein derartiges Verbot gehalten werden kaun in einer Zeit, die gerade mit den Mitteln des Luftverkehrs alle staatlichen Grenzen überfliegt? Dampf, Elektrizität und Gas sind die Kraft, die auf Geleisen, zu Wasser und durch den Himmelsraum Fahrzeuge von immer wachsender Größe durch den engen Raum tragen und die Etaatengrenzen beständig näher zusammenrücken. Es ist ein Wahnsinn, ein oder Mehrere Völker ihres Anteils an dieser Verkehrsentfaltung, an diesem Zusammen¬ rücken der Nationen berauben zu wollen. Und ebenso ist es ein Grundirrtum SU glauben, die Entente könne auf die Dauer die Staaten, die mit ihr im Kriege gelegen haben, durch Vertragsbestimmungen von dem Handel mit der Übersee ausschließen. Es ist der Verkehr, der die wahre Weltstaatengemeinschaft bildet. Wir sehen, daß diese Kraft schon am Werke war, als es politisch nur erst eine europäische Staatengesellschaft und jenseits des großen Wassers ein durch die Monroedoktrin geschütztes amerikanisches Staatenshstem gab. Der Weltpostverein war der sichtbarste Ausdruck der Kraft, mit der der Verkehr an der Herausarbeitung 19»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/231>, abgerufen am 04.06.2024.