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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Kleine Nachrichten

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er in Posen eingetreten ist, und in einer
neueren Rede von den polnischen Residenzen
Wilnci, Lemberg, Teschen, Posen und Danzig,
sowie von der Befreiung der Polen in Schlesien
und Pommern gesprochen haben soll. Auch
einem Mitarbeiter des "Dziennik Pajawski"
gegenüber hat er sich cmgebliich in einem
Sinne geäußert, aus dem nur auf das Be¬
stehen kriegerischer Absichten gegen Deutsch¬
land geschlossen werden kann. Die Erregung
der deutschen Bevölkerung ist daher sehr groß
und macht eine Klärung der Situation un¬
bedingt erforderlich..

Ich hoffe, daß die durch Ihre dankens¬
werte Vermittlung erreichten Mitteilungen
des Chefs der französischen Mission in Warschau
zur Beruhigung der Bevölkerung beitragen
gez. Erzberger. werden."

Im Gegensatz zu dem Schreiben Duponts
geht dem "Lokalanzeiger" aus durchaus zuver¬
lässiger Quelle der folgende Brief aus der
Ostmark zu:

. . . Die Armee Haller besteht, nach zu¬
verlässigen Mitteilungen von polnischer Seite,
aus fast 80 000 Mann. Der größte Teil
sind Polen, die sich als Freiwillige bei
Bildung der Armee gemeldet haben; aber
auch viele Tausende von Mannschaften und
die meisten Offiziere verstehen kein Wort
Polnisch, so dasz sogar unsere Posener Polen
feststellen mußten, daß der Armee, soweit sie
bisher in der Provinz eingetroffen, der "echt
polnische Charakter" ermangle. Von den
polnischen Leuten der Armee sind die meisten
französische Untertanen, die aus der Polnischen
sogenannten "Emigration" stammen, etwa
8000 Mann sind amerikanische Polen, meistens
frühere Auswanderer aus Russisch-Polen,
etwa 2600 Mann sind ehemals Preußische
Soldaten, meist Desertierte oder Leute, die
im Laufe des Krieges in Gefangenschaft ge¬
rieten. Etwa 4000 Mann sind russische
Untertanen, unter ihnen recht zweifelhafte
Elemente, von der zarischen Regierung Aus¬
gewiesene, Verbannte und wegen begangener
Verbrechen flüchtig Gewordene. Aus Galizien
stammen etwa 12 000 Mann, und von den in
Italien lebenden Polen ist ein sogenanntes
"italienisches Bataillon" gebildet worden.
Desertionen, namentlich preußischer Polen,

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die nach viereinhalbjähriger Abwesenheit auf
diesem Wege in die Heimat gelangt sind,
sind an der Tagesordnung. Die Bekleidung
der Leute ist feldgrau, nach französischem
Schnitt, die viereckige Konfederaika als Mütze,
Schnürschuhe und Wickelgamaschen. Die Be¬
waffnung ist nach jeder Richtung gut. Ge¬
schütze aller Kaliber, Flugzeuge, die alsbald
in Tätigkeit gesetzt worden sind, Lastautos,
sogar Tanks undPanzerzüge sind angekommen.
Die Geschütze sind französischen Ursprungs.
In Posen-Stadt ist ein Teil des Stabes der
Hallerschen Armee -- französische, ameri¬
kanische, englische, italienische und belgische
Offiziere -- und zweitausend Mann unter¬
gebracht. Ebenso sind in Gnesen, Hohensalza,
Ostrowo und Krotoschin mehrere tausend
Mann einquartiert worden. In Posen und
Gnesen sind von der Hallerschen Armee mit¬
gebrachte Waffen- und Munitionstransporte
zur Verfügung an der deutsch-Polnischen
Kampffront mitgenommen. Bereits am
23, April und den folgenden Tagen sind
etwa 11- bis 12 000 Mann der Hallerschen
Armee von Posen in der Richtung nach dein
Netzeabschnilt abgegangen, von denen ein
Teil an die Front in die Gegend von Argencm,
Hohensalza, Bromberg, Ratel geworfen, der
andere in dahinter liegende Ortschaften,
darunter in die Städte Bartschin, Schubin
und Exin, in Quartier gelegt worden ist;
auch schwere Geschütze sind in dem Abschnitt
in Stellung gebracht worden. In Hohensalza
sind mehrere Waggons mit Waffen und
Munition, vier Waggons mit Maschinenge¬
wehren und Mincnwerfern, sieben Kranken¬
wagen mit Schwestern und Ärzten eingetroffen,
auch die dortige polnische Zivilbevölkerung
ist bewaffnet worden. Ebenso haben im Ab¬
schnitt Filehne beträchtliche Truppenaus¬
ladungen stattgefunden. Gegenwärtig halten
die Polen auch eine besondere Musterung der
wehrpflichtigen Deutschen ab, die man wahr¬
scheinlich nach der erwarteten Unabhängigkeits-
erklärung der Provinz in die Polnische Armee
einstellen will. Was wir in der Provinz alle
befürchtet haben, und was Wohl auch die
Deutschen im Reichs, die die Polen kennen,
befürchten mußten, ist eingetroffen. So haben
Wir also durch die Hallersche Armee den Polen
gut ausgebildete und ausgerüstete Truppen

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er in Posen eingetreten ist, und in einer
neueren Rede von den polnischen Residenzen
Wilnci, Lemberg, Teschen, Posen und Danzig,
sowie von der Befreiung der Polen in Schlesien
und Pommern gesprochen haben soll. Auch
einem Mitarbeiter des „Dziennik Pajawski"
gegenüber hat er sich cmgebliich in einem
Sinne geäußert, aus dem nur auf das Be¬
stehen kriegerischer Absichten gegen Deutsch¬
land geschlossen werden kann. Die Erregung
der deutschen Bevölkerung ist daher sehr groß
und macht eine Klärung der Situation un¬
bedingt erforderlich..

Ich hoffe, daß die durch Ihre dankens¬
werte Vermittlung erreichten Mitteilungen
des Chefs der französischen Mission in Warschau
zur Beruhigung der Bevölkerung beitragen
gez. Erzberger. werden."

Im Gegensatz zu dem Schreiben Duponts
geht dem „Lokalanzeiger" aus durchaus zuver¬
lässiger Quelle der folgende Brief aus der
Ostmark zu:

. . . Die Armee Haller besteht, nach zu¬
verlässigen Mitteilungen von polnischer Seite,
aus fast 80 000 Mann. Der größte Teil
sind Polen, die sich als Freiwillige bei
Bildung der Armee gemeldet haben; aber
auch viele Tausende von Mannschaften und
die meisten Offiziere verstehen kein Wort
Polnisch, so dasz sogar unsere Posener Polen
feststellen mußten, daß der Armee, soweit sie
bisher in der Provinz eingetroffen, der „echt
polnische Charakter" ermangle. Von den
polnischen Leuten der Armee sind die meisten
französische Untertanen, die aus der Polnischen
sogenannten „Emigration" stammen, etwa
8000 Mann sind amerikanische Polen, meistens
frühere Auswanderer aus Russisch-Polen,
etwa 2600 Mann sind ehemals Preußische
Soldaten, meist Desertierte oder Leute, die
im Laufe des Krieges in Gefangenschaft ge¬
rieten. Etwa 4000 Mann sind russische
Untertanen, unter ihnen recht zweifelhafte
Elemente, von der zarischen Regierung Aus¬
gewiesene, Verbannte und wegen begangener
Verbrechen flüchtig Gewordene. Aus Galizien
stammen etwa 12 000 Mann, und von den in
Italien lebenden Polen ist ein sogenanntes
„italienisches Bataillon" gebildet worden.
Desertionen, namentlich preußischer Polen,

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die nach viereinhalbjähriger Abwesenheit auf
diesem Wege in die Heimat gelangt sind,
sind an der Tagesordnung. Die Bekleidung
der Leute ist feldgrau, nach französischem
Schnitt, die viereckige Konfederaika als Mütze,
Schnürschuhe und Wickelgamaschen. Die Be¬
waffnung ist nach jeder Richtung gut. Ge¬
schütze aller Kaliber, Flugzeuge, die alsbald
in Tätigkeit gesetzt worden sind, Lastautos,
sogar Tanks undPanzerzüge sind angekommen.
Die Geschütze sind französischen Ursprungs.
In Posen-Stadt ist ein Teil des Stabes der
Hallerschen Armee — französische, ameri¬
kanische, englische, italienische und belgische
Offiziere — und zweitausend Mann unter¬
gebracht. Ebenso sind in Gnesen, Hohensalza,
Ostrowo und Krotoschin mehrere tausend
Mann einquartiert worden. In Posen und
Gnesen sind von der Hallerschen Armee mit¬
gebrachte Waffen- und Munitionstransporte
zur Verfügung an der deutsch-Polnischen
Kampffront mitgenommen. Bereits am
23, April und den folgenden Tagen sind
etwa 11- bis 12 000 Mann der Hallerschen
Armee von Posen in der Richtung nach dein
Netzeabschnilt abgegangen, von denen ein
Teil an die Front in die Gegend von Argencm,
Hohensalza, Bromberg, Ratel geworfen, der
andere in dahinter liegende Ortschaften,
darunter in die Städte Bartschin, Schubin
und Exin, in Quartier gelegt worden ist;
auch schwere Geschütze sind in dem Abschnitt
in Stellung gebracht worden. In Hohensalza
sind mehrere Waggons mit Waffen und
Munition, vier Waggons mit Maschinenge¬
wehren und Mincnwerfern, sieben Kranken¬
wagen mit Schwestern und Ärzten eingetroffen,
auch die dortige polnische Zivilbevölkerung
ist bewaffnet worden. Ebenso haben im Ab¬
schnitt Filehne beträchtliche Truppenaus¬
ladungen stattgefunden. Gegenwärtig halten
die Polen auch eine besondere Musterung der
wehrpflichtigen Deutschen ab, die man wahr¬
scheinlich nach der erwarteten Unabhängigkeits-
erklärung der Provinz in die Polnische Armee
einstellen will. Was wir in der Provinz alle
befürchtet haben, und was Wohl auch die
Deutschen im Reichs, die die Polen kennen,
befürchten mußten, ist eingetroffen. So haben
Wir also durch die Hallersche Armee den Polen
gut ausgebildete und ausgerüstete Truppen

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[0478] Kleine Nachrichten er in Posen eingetreten ist, und in einer neueren Rede von den polnischen Residenzen Wilnci, Lemberg, Teschen, Posen und Danzig, sowie von der Befreiung der Polen in Schlesien und Pommern gesprochen haben soll. Auch einem Mitarbeiter des „Dziennik Pajawski" gegenüber hat er sich cmgebliich in einem Sinne geäußert, aus dem nur auf das Be¬ stehen kriegerischer Absichten gegen Deutsch¬ land geschlossen werden kann. Die Erregung der deutschen Bevölkerung ist daher sehr groß und macht eine Klärung der Situation un¬ bedingt erforderlich.. Ich hoffe, daß die durch Ihre dankens¬ werte Vermittlung erreichten Mitteilungen des Chefs der französischen Mission in Warschau zur Beruhigung der Bevölkerung beitragen gez. Erzberger. werden." Im Gegensatz zu dem Schreiben Duponts geht dem „Lokalanzeiger" aus durchaus zuver¬ lässiger Quelle der folgende Brief aus der Ostmark zu: . . . Die Armee Haller besteht, nach zu¬ verlässigen Mitteilungen von polnischer Seite, aus fast 80 000 Mann. Der größte Teil sind Polen, die sich als Freiwillige bei Bildung der Armee gemeldet haben; aber auch viele Tausende von Mannschaften und die meisten Offiziere verstehen kein Wort Polnisch, so dasz sogar unsere Posener Polen feststellen mußten, daß der Armee, soweit sie bisher in der Provinz eingetroffen, der „echt polnische Charakter" ermangle. Von den polnischen Leuten der Armee sind die meisten französische Untertanen, die aus der Polnischen sogenannten „Emigration" stammen, etwa 8000 Mann sind amerikanische Polen, meistens frühere Auswanderer aus Russisch-Polen, etwa 2600 Mann sind ehemals Preußische Soldaten, meist Desertierte oder Leute, die im Laufe des Krieges in Gefangenschaft ge¬ rieten. Etwa 4000 Mann sind russische Untertanen, unter ihnen recht zweifelhafte Elemente, von der zarischen Regierung Aus¬ gewiesene, Verbannte und wegen begangener Verbrechen flüchtig Gewordene. Aus Galizien stammen etwa 12 000 Mann, und von den in Italien lebenden Polen ist ein sogenanntes „italienisches Bataillon" gebildet worden. Desertionen, namentlich preußischer Polen, die nach viereinhalbjähriger Abwesenheit auf diesem Wege in die Heimat gelangt sind, sind an der Tagesordnung. Die Bekleidung der Leute ist feldgrau, nach französischem Schnitt, die viereckige Konfederaika als Mütze, Schnürschuhe und Wickelgamaschen. Die Be¬ waffnung ist nach jeder Richtung gut. Ge¬ schütze aller Kaliber, Flugzeuge, die alsbald in Tätigkeit gesetzt worden sind, Lastautos, sogar Tanks undPanzerzüge sind angekommen. Die Geschütze sind französischen Ursprungs. In Posen-Stadt ist ein Teil des Stabes der Hallerschen Armee — französische, ameri¬ kanische, englische, italienische und belgische Offiziere — und zweitausend Mann unter¬ gebracht. Ebenso sind in Gnesen, Hohensalza, Ostrowo und Krotoschin mehrere tausend Mann einquartiert worden. In Posen und Gnesen sind von der Hallerschen Armee mit¬ gebrachte Waffen- und Munitionstransporte zur Verfügung an der deutsch-Polnischen Kampffront mitgenommen. Bereits am 23, April und den folgenden Tagen sind etwa 11- bis 12 000 Mann der Hallerschen Armee von Posen in der Richtung nach dein Netzeabschnilt abgegangen, von denen ein Teil an die Front in die Gegend von Argencm, Hohensalza, Bromberg, Ratel geworfen, der andere in dahinter liegende Ortschaften, darunter in die Städte Bartschin, Schubin und Exin, in Quartier gelegt worden ist; auch schwere Geschütze sind in dem Abschnitt in Stellung gebracht worden. In Hohensalza sind mehrere Waggons mit Waffen und Munition, vier Waggons mit Maschinenge¬ wehren und Mincnwerfern, sieben Kranken¬ wagen mit Schwestern und Ärzten eingetroffen, auch die dortige polnische Zivilbevölkerung ist bewaffnet worden. Ebenso haben im Ab¬ schnitt Filehne beträchtliche Truppenaus¬ ladungen stattgefunden. Gegenwärtig halten die Polen auch eine besondere Musterung der wehrpflichtigen Deutschen ab, die man wahr¬ scheinlich nach der erwarteten Unabhängigkeits- erklärung der Provinz in die Polnische Armee einstellen will. Was wir in der Provinz alle befürchtet haben, und was Wohl auch die Deutschen im Reichs, die die Polen kennen, befürchten mußten, ist eingetroffen. So haben Wir also durch die Hallersche Armee den Polen gut ausgebildete und ausgerüstete Truppen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/478>, abgerufen am 29.05.2024.