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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Schulgemeinden und Schülerräte

sammenstellung, die also alles umfaßt, was man überhaupt hineinnehmen will.
Ob hier eine Ungeschicklichkeit oder der Wunsch des "Vaters des Erlasses" vorliegt,
allmählich wirklich den Schülern Einfluß auf die "Absetzung der Lehrer" -- wie
es später in der Presse ausgedrückt wurde -- zu geben, brauchen wir nicht zu
untersuchen, da wir es nur mit den Grundgedanken des Erlasses zu tun haben.
Wie wir heut diese Dinge auffassen und wie sie vernünftigerweise nur aufgefaßt
werden können, geht aus der Zielsetzung für die Schulgemeinde hervor. Diese
aber, die ich oben bereits angedeutet habe, kann nur in einer Erziehung zum
Gemeinschaftsleben liegen. Alles, was nur im entferntesten hiermit zu tun hat,
gehört zur Kompetenz der Schulgemeinde, d. h., damit ich nicht falsch verstanden
werde, zu den Gegenständen der Beratung in ihr. Ich rechne in erster Linie
also Maßnahmen der Selbstverwaltung hier hinein. Die Schüler sollen ein
lebendiges Gefühl dafür erhalten, daß sie in der Schule nicht allein stehen, sondern
Glieder eines Ganzen sind, für dessen Leben sie verantwortlich sind. Deshalb
sollen,bestimmte Ordnungsmaßnahmen den Lehrern abgenommen und den Schülern
gegeben werden. Sie sollen die Aufsicht über ihre jüngeren Mitschüler in den
Pausen und auf dem Hofe übernehmen, sie sollen die Schulbibliotheken unter sich
haben, sie sollen auf Ruhe und Ordnung in den Versammlungen sehen -- kurz:
sie sollen zum Gefühl der Verantwortung für "ihre" Schule erzogen werden. Alle
diese Fragen werden nicht allein Anträge und Vorschläge und damit auch
Erörterungen nach sich ziehen, sondern auch bestimmte Anordnungen von feiten
der älteren Schüler nötig machen, die von der Gesamtheit gebilligt werden müssen.
Feste und Ausflüge müssen vorher in den Versammlungen besprochen werden,
wenn später alles klappen soll.

Es gibt andere Gebiete, auf denen ein Gemeinschaftsgefühl erwachsen kann:
beispielsweise durch die gemeinsame Arbeit an einer Zeitung, deren Plan vorgelegt,
deren Inangriffnahme von einer einzusetzenden Kommission vorgenommen werden
kann. Es kann zur Gründung von Vereinen angeregt werden, die in der Ver¬
sammlung als gemeinsame Angelegenheit aller besprochen werden. Es muß, wenn
dies alles ins Leben gerufen ist, darüber wieder berichtet werden. Es können
aber auch Fälle aus dem sehnlicher, die weittragende Bedeutung für die Gesamt¬
heit haben, besprochen werden; ich persönlich würde nicht davor zurückscheuen, auch
einmal einen die sämtlichen Oberklassen berührenden Disziplinarfall grundsätzlich
erörtern zu lassen -- allerdings gehört hier eil: besonderer Takt des Vorsitzenden
dazu, die Erörterung in richtigen Grenzen zu halten und ebenso eine besonders
wohlwollende Gesinnung des Lehrerkollegiums, das überhaupt der Überzeugung
huldigen muß, baß diese Jünglinge, die ich von Untersekunda ab in die Schul¬
gemeinde zugelassen wissen möchte, es nicht so bös meinen wie ihre Worte bis¬
weilen klingen, andrerseits aber, daß an ihrer Autorität auch dann nicht ein
Tüttelchen verloren geht, wenn die Schüler einmal so reden, wie es ihnen frisch
von der Leber weggeht. Sie müssen eben bedenken, daß bisweilen nur zwei
Monate später der Schüler Student ist und dann sowieso der Schulzucht ent¬
wachsen seine Bemerkungen macht -- um so bösartiger, je mehr er vorher geduckt
worden ist. Wir haben während des Krieges oft genng über unser "serviles"
Volk die Nase gerümpft -- woher soll denn die durchaus nötige Nockensteifheit
kommen, wenn gereifte Männer schon eine furchtsame Opposition als ein Verbrechen
gegen die Disziplin ansehen?

Nein -- darin hat das Ministerium recht: es soll ein neuer Geist des Ver¬
trauens zwischen Lehrern und Schülern Platz greifen! Es ist eine alte WeiZheit.
daß die Schule nur ein Abbild der Kräfte gibt, die im ganzen Volk lebendig
sind. Herrscht draußen eine gesunde, gesetzmäßige, selbstgewollte und selbstver¬
antwortete Freiheit, so darf nicht in der Schule eine Autorität regieren, die auf
dem Besitz der Stellung, nicht aber auf der Persönlichkeit sich aufbaut. Lehren
heißt seine ganze Persönlichkeit einsetzen -- nur dann folgen auch die Schüler:
alle Zimperlichkeit erscheint ihnen lächerlich, aber was nützt es, wenn sie scheinbar
sich ducken, um hinter dem Rücken des "verehrten" Lehrers sich über ihn lustig


Schulgemeinden und Schülerräte

sammenstellung, die also alles umfaßt, was man überhaupt hineinnehmen will.
Ob hier eine Ungeschicklichkeit oder der Wunsch des „Vaters des Erlasses" vorliegt,
allmählich wirklich den Schülern Einfluß auf die „Absetzung der Lehrer" — wie
es später in der Presse ausgedrückt wurde — zu geben, brauchen wir nicht zu
untersuchen, da wir es nur mit den Grundgedanken des Erlasses zu tun haben.
Wie wir heut diese Dinge auffassen und wie sie vernünftigerweise nur aufgefaßt
werden können, geht aus der Zielsetzung für die Schulgemeinde hervor. Diese
aber, die ich oben bereits angedeutet habe, kann nur in einer Erziehung zum
Gemeinschaftsleben liegen. Alles, was nur im entferntesten hiermit zu tun hat,
gehört zur Kompetenz der Schulgemeinde, d. h., damit ich nicht falsch verstanden
werde, zu den Gegenständen der Beratung in ihr. Ich rechne in erster Linie
also Maßnahmen der Selbstverwaltung hier hinein. Die Schüler sollen ein
lebendiges Gefühl dafür erhalten, daß sie in der Schule nicht allein stehen, sondern
Glieder eines Ganzen sind, für dessen Leben sie verantwortlich sind. Deshalb
sollen,bestimmte Ordnungsmaßnahmen den Lehrern abgenommen und den Schülern
gegeben werden. Sie sollen die Aufsicht über ihre jüngeren Mitschüler in den
Pausen und auf dem Hofe übernehmen, sie sollen die Schulbibliotheken unter sich
haben, sie sollen auf Ruhe und Ordnung in den Versammlungen sehen — kurz:
sie sollen zum Gefühl der Verantwortung für „ihre" Schule erzogen werden. Alle
diese Fragen werden nicht allein Anträge und Vorschläge und damit auch
Erörterungen nach sich ziehen, sondern auch bestimmte Anordnungen von feiten
der älteren Schüler nötig machen, die von der Gesamtheit gebilligt werden müssen.
Feste und Ausflüge müssen vorher in den Versammlungen besprochen werden,
wenn später alles klappen soll.

Es gibt andere Gebiete, auf denen ein Gemeinschaftsgefühl erwachsen kann:
beispielsweise durch die gemeinsame Arbeit an einer Zeitung, deren Plan vorgelegt,
deren Inangriffnahme von einer einzusetzenden Kommission vorgenommen werden
kann. Es kann zur Gründung von Vereinen angeregt werden, die in der Ver¬
sammlung als gemeinsame Angelegenheit aller besprochen werden. Es muß, wenn
dies alles ins Leben gerufen ist, darüber wieder berichtet werden. Es können
aber auch Fälle aus dem sehnlicher, die weittragende Bedeutung für die Gesamt¬
heit haben, besprochen werden; ich persönlich würde nicht davor zurückscheuen, auch
einmal einen die sämtlichen Oberklassen berührenden Disziplinarfall grundsätzlich
erörtern zu lassen — allerdings gehört hier eil: besonderer Takt des Vorsitzenden
dazu, die Erörterung in richtigen Grenzen zu halten und ebenso eine besonders
wohlwollende Gesinnung des Lehrerkollegiums, das überhaupt der Überzeugung
huldigen muß, baß diese Jünglinge, die ich von Untersekunda ab in die Schul¬
gemeinde zugelassen wissen möchte, es nicht so bös meinen wie ihre Worte bis¬
weilen klingen, andrerseits aber, daß an ihrer Autorität auch dann nicht ein
Tüttelchen verloren geht, wenn die Schüler einmal so reden, wie es ihnen frisch
von der Leber weggeht. Sie müssen eben bedenken, daß bisweilen nur zwei
Monate später der Schüler Student ist und dann sowieso der Schulzucht ent¬
wachsen seine Bemerkungen macht — um so bösartiger, je mehr er vorher geduckt
worden ist. Wir haben während des Krieges oft genng über unser „serviles"
Volk die Nase gerümpft — woher soll denn die durchaus nötige Nockensteifheit
kommen, wenn gereifte Männer schon eine furchtsame Opposition als ein Verbrechen
gegen die Disziplin ansehen?

Nein — darin hat das Ministerium recht: es soll ein neuer Geist des Ver¬
trauens zwischen Lehrern und Schülern Platz greifen! Es ist eine alte WeiZheit.
daß die Schule nur ein Abbild der Kräfte gibt, die im ganzen Volk lebendig
sind. Herrscht draußen eine gesunde, gesetzmäßige, selbstgewollte und selbstver¬
antwortete Freiheit, so darf nicht in der Schule eine Autorität regieren, die auf
dem Besitz der Stellung, nicht aber auf der Persönlichkeit sich aufbaut. Lehren
heißt seine ganze Persönlichkeit einsetzen — nur dann folgen auch die Schüler:
alle Zimperlichkeit erscheint ihnen lächerlich, aber was nützt es, wenn sie scheinbar
sich ducken, um hinter dem Rücken des „verehrten" Lehrers sich über ihn lustig


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[0082] Schulgemeinden und Schülerräte sammenstellung, die also alles umfaßt, was man überhaupt hineinnehmen will. Ob hier eine Ungeschicklichkeit oder der Wunsch des „Vaters des Erlasses" vorliegt, allmählich wirklich den Schülern Einfluß auf die „Absetzung der Lehrer" — wie es später in der Presse ausgedrückt wurde — zu geben, brauchen wir nicht zu untersuchen, da wir es nur mit den Grundgedanken des Erlasses zu tun haben. Wie wir heut diese Dinge auffassen und wie sie vernünftigerweise nur aufgefaßt werden können, geht aus der Zielsetzung für die Schulgemeinde hervor. Diese aber, die ich oben bereits angedeutet habe, kann nur in einer Erziehung zum Gemeinschaftsleben liegen. Alles, was nur im entferntesten hiermit zu tun hat, gehört zur Kompetenz der Schulgemeinde, d. h., damit ich nicht falsch verstanden werde, zu den Gegenständen der Beratung in ihr. Ich rechne in erster Linie also Maßnahmen der Selbstverwaltung hier hinein. Die Schüler sollen ein lebendiges Gefühl dafür erhalten, daß sie in der Schule nicht allein stehen, sondern Glieder eines Ganzen sind, für dessen Leben sie verantwortlich sind. Deshalb sollen,bestimmte Ordnungsmaßnahmen den Lehrern abgenommen und den Schülern gegeben werden. Sie sollen die Aufsicht über ihre jüngeren Mitschüler in den Pausen und auf dem Hofe übernehmen, sie sollen die Schulbibliotheken unter sich haben, sie sollen auf Ruhe und Ordnung in den Versammlungen sehen — kurz: sie sollen zum Gefühl der Verantwortung für „ihre" Schule erzogen werden. Alle diese Fragen werden nicht allein Anträge und Vorschläge und damit auch Erörterungen nach sich ziehen, sondern auch bestimmte Anordnungen von feiten der älteren Schüler nötig machen, die von der Gesamtheit gebilligt werden müssen. Feste und Ausflüge müssen vorher in den Versammlungen besprochen werden, wenn später alles klappen soll. Es gibt andere Gebiete, auf denen ein Gemeinschaftsgefühl erwachsen kann: beispielsweise durch die gemeinsame Arbeit an einer Zeitung, deren Plan vorgelegt, deren Inangriffnahme von einer einzusetzenden Kommission vorgenommen werden kann. Es kann zur Gründung von Vereinen angeregt werden, die in der Ver¬ sammlung als gemeinsame Angelegenheit aller besprochen werden. Es muß, wenn dies alles ins Leben gerufen ist, darüber wieder berichtet werden. Es können aber auch Fälle aus dem sehnlicher, die weittragende Bedeutung für die Gesamt¬ heit haben, besprochen werden; ich persönlich würde nicht davor zurückscheuen, auch einmal einen die sämtlichen Oberklassen berührenden Disziplinarfall grundsätzlich erörtern zu lassen — allerdings gehört hier eil: besonderer Takt des Vorsitzenden dazu, die Erörterung in richtigen Grenzen zu halten und ebenso eine besonders wohlwollende Gesinnung des Lehrerkollegiums, das überhaupt der Überzeugung huldigen muß, baß diese Jünglinge, die ich von Untersekunda ab in die Schul¬ gemeinde zugelassen wissen möchte, es nicht so bös meinen wie ihre Worte bis¬ weilen klingen, andrerseits aber, daß an ihrer Autorität auch dann nicht ein Tüttelchen verloren geht, wenn die Schüler einmal so reden, wie es ihnen frisch von der Leber weggeht. Sie müssen eben bedenken, daß bisweilen nur zwei Monate später der Schüler Student ist und dann sowieso der Schulzucht ent¬ wachsen seine Bemerkungen macht — um so bösartiger, je mehr er vorher geduckt worden ist. Wir haben während des Krieges oft genng über unser „serviles" Volk die Nase gerümpft — woher soll denn die durchaus nötige Nockensteifheit kommen, wenn gereifte Männer schon eine furchtsame Opposition als ein Verbrechen gegen die Disziplin ansehen? Nein — darin hat das Ministerium recht: es soll ein neuer Geist des Ver¬ trauens zwischen Lehrern und Schülern Platz greifen! Es ist eine alte WeiZheit. daß die Schule nur ein Abbild der Kräfte gibt, die im ganzen Volk lebendig sind. Herrscht draußen eine gesunde, gesetzmäßige, selbstgewollte und selbstver¬ antwortete Freiheit, so darf nicht in der Schule eine Autorität regieren, die auf dem Besitz der Stellung, nicht aber auf der Persönlichkeit sich aufbaut. Lehren heißt seine ganze Persönlichkeit einsetzen — nur dann folgen auch die Schüler: alle Zimperlichkeit erscheint ihnen lächerlich, aber was nützt es, wenn sie scheinbar sich ducken, um hinter dem Rücken des „verehrten" Lehrers sich über ihn lustig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/82>, abgerufen am 29.05.2024.