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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Am Hebel der wendischen Bewegung steht der wendische Nationalausschuß
mit Barth, Bryl und Deutschmann an der Spitze. Er versteht in sehr geschickter
Weise die wendische Volksseele zu bearbeiten, wobei ihm zustatten kommt, daß
diese bäuerliche Bevölkerung wenig selbständig denkende kritische Kopfe auszu¬
weisen hat. Wie alle Absonderungsbestrebuugeu, die in der deutschen Not der
letzten Wochen und Monate hervortraten, wurzeln auch die wendischen nicht so
sehr in idealen und kulturellen Wünschen, die freilich geflissentlich betont und
immer wieder hervorgehoben werden, als in solchen sehr realer Art oder, um es
ganz offen zu sagen, in brutal selbstsüchtigen Wirtschaftsinteressen, deren wenig
adore Nacktheit nur mangelhaft durch das dünne Mäntelchen kultureller Beglelt-
orderungcn verhüllt wird. Wenn man die Triebfeder französischen Handelns,
wie Rauptet wird, sehr on in einem "Llisrclie?: !a kenne!" zu ert'linken Hat, so
wird der Richterspruch späterer Zeilen der deutschen Menschheit von heute --
welchen Stammes und welcher Blutmischung sie auch sei -- em vielleicht erheb¬
lich mehr gravierendes "Olisrobs- 1a mormais!" nachrufen und und hartem Wort
vermelden', das; ihr der krasseste Mammonismus tiefster Wesenstrieb, teuerster
Götzendienst und letzte Richtschnur alles Handelns war. So auch bei den Wen¬
den, die jetzt auf einmal deshalb nicht mehr Deutsche sein wollen, well ste durch
solche Abkehr von ihrem alten Vaterland den Lasten der Kriegsentschädigung zu
entgehen hoffen. Beklagenswerte Reichsflucht eines ganzen Nolksstammes, dem
sein Hab und Gut teurer ist als sein Deutschtum, an dem er früher selbst me ge¬
zweifelt, geschweige denn gerüttelt hat. Wenn früher einmal wendische Forde¬
rungen geltend gemacht wurden, so handelte es sich dabei stets um Wnniche
kultureller Art, Fragen wie die eines wendischen Sprachunterrichts in den
Schulen oder eines wendischen Gottesdienstes in den Kirchen. Auch dem neu-
deutschen Sozialismus, den sie nicht weniger fürchten als die Kriegselltschadi-
Mng, hoffen die Wenden durch eine Loslösung vom Reiche zu entgehen ^er
wendische Bauer hängt mit allen Fasern an seinem Besitz und sucht ihn sich mit
Zähigkeit zu erhalten. Diese wenig ehrbaren Beweggründe haben sogar deutsch-
stämmige Bewohner der Lausitz veranlaßt, sich der wendischen Bewegung anzu¬
schließen. Die nationalwendische Bewegung hat so etwas von einer allgemeinen
Agrarierbeweciung angenommen, der die neuen politischen Verhaltniste in Reich
und Einzelstaaten ein rotes Tuch sind. Die innerpolitischen Schwierigkeiten der
neuen deutschen Regierung und ihre mangelnden Erfolge der Entente gegenüber
haben diesem neuen Bauernbund seine Agitation erleichtert. Leider hat vie neue
sächsische Regierung den schweren Fehler begangen, die Bildung von Bnnern-
räten, die in der' Wendei unbedingt notwendig waren uno letzt vielleicht aw
Werkzeug gegen Barth und den in seinem Sinne tätigen Natioualausschuß ver¬
wandt werden könnten, zu verhindern und nur Arbeiter- und Soldatenrate anzu¬
erkennen, die in diesem vorwiegend bäuerlichen Gebiet zur Ohnmacht verurteilt
und. Von den Plänen der neuen Negierung hat besonders der auf eine
Trennung von Kirche und Staat hinzielende, mit dem auch in Sachsen vie. und
ungeschickt in der Luft herumgefuchtelt worden ist, fördernd auf die Sache der
wendischen Separatisten eingewirkt. Es ist bei den Wahlen zur National¬
versammlung vorgekommen, daß in rein evangelischen Bezirken der Wendet eine
beträchtliche'Stimnieiizahl auf das Zentruni entfiel, well die Wähler allem von
dieser Partei eine Wahrung des kirchlichen Ansehens erwarteten. Weiter spielen
Seschichtliche Gründe eine Rolle (wenn anch mehr in den programmatischen
Kundgebilngen als in den Köpfen), so die Behauptung, daß Wendet und Lausitz
uraltes slawisches Gebiet seien, ferner die Ansicht, daß die Abdankung des van,es
Wettin, an dem die Wenden stets in Treue gehangen haben sollen, den Anfall
"er wendischen Lande an Böhmen zur Rechtsfolge haben. Gefördert werden solche
auf ihre Richtigkeit Wohl nur an der Hand von historischem Materni aus den
Staatsarchiven nachzuprüfenden Meinungen durch die katholische Geistlichkeit des
Landes, die ihre Ausbildung in Prag zu erhalten pflegt und einen festen Bestano
von Sympathien für Slawen- und Tschecheutum und auf der anderen Seite Mi߬
trauen und Übelwollen gegen alles Deutsche von dort mitbringt. Überhaupt


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Am Hebel der wendischen Bewegung steht der wendische Nationalausschuß
mit Barth, Bryl und Deutschmann an der Spitze. Er versteht in sehr geschickter
Weise die wendische Volksseele zu bearbeiten, wobei ihm zustatten kommt, daß
diese bäuerliche Bevölkerung wenig selbständig denkende kritische Kopfe auszu¬
weisen hat. Wie alle Absonderungsbestrebuugeu, die in der deutschen Not der
letzten Wochen und Monate hervortraten, wurzeln auch die wendischen nicht so
sehr in idealen und kulturellen Wünschen, die freilich geflissentlich betont und
immer wieder hervorgehoben werden, als in solchen sehr realer Art oder, um es
ganz offen zu sagen, in brutal selbstsüchtigen Wirtschaftsinteressen, deren wenig
adore Nacktheit nur mangelhaft durch das dünne Mäntelchen kultureller Beglelt-
orderungcn verhüllt wird. Wenn man die Triebfeder französischen Handelns,
wie Rauptet wird, sehr on in einem „Llisrclie?: !a kenne!" zu ert'linken Hat, so
wird der Richterspruch späterer Zeilen der deutschen Menschheit von heute --
welchen Stammes und welcher Blutmischung sie auch sei — em vielleicht erheb¬
lich mehr gravierendes „Olisrobs- 1a mormais!" nachrufen und und hartem Wort
vermelden', das; ihr der krasseste Mammonismus tiefster Wesenstrieb, teuerster
Götzendienst und letzte Richtschnur alles Handelns war. So auch bei den Wen¬
den, die jetzt auf einmal deshalb nicht mehr Deutsche sein wollen, well ste durch
solche Abkehr von ihrem alten Vaterland den Lasten der Kriegsentschädigung zu
entgehen hoffen. Beklagenswerte Reichsflucht eines ganzen Nolksstammes, dem
sein Hab und Gut teurer ist als sein Deutschtum, an dem er früher selbst me ge¬
zweifelt, geschweige denn gerüttelt hat. Wenn früher einmal wendische Forde¬
rungen geltend gemacht wurden, so handelte es sich dabei stets um Wnniche
kultureller Art, Fragen wie die eines wendischen Sprachunterrichts in den
Schulen oder eines wendischen Gottesdienstes in den Kirchen. Auch dem neu-
deutschen Sozialismus, den sie nicht weniger fürchten als die Kriegselltschadi-
Mng, hoffen die Wenden durch eine Loslösung vom Reiche zu entgehen ^er
wendische Bauer hängt mit allen Fasern an seinem Besitz und sucht ihn sich mit
Zähigkeit zu erhalten. Diese wenig ehrbaren Beweggründe haben sogar deutsch-
stämmige Bewohner der Lausitz veranlaßt, sich der wendischen Bewegung anzu¬
schließen. Die nationalwendische Bewegung hat so etwas von einer allgemeinen
Agrarierbeweciung angenommen, der die neuen politischen Verhaltniste in Reich
und Einzelstaaten ein rotes Tuch sind. Die innerpolitischen Schwierigkeiten der
neuen deutschen Regierung und ihre mangelnden Erfolge der Entente gegenüber
haben diesem neuen Bauernbund seine Agitation erleichtert. Leider hat vie neue
sächsische Regierung den schweren Fehler begangen, die Bildung von Bnnern-
räten, die in der' Wendei unbedingt notwendig waren uno letzt vielleicht aw
Werkzeug gegen Barth und den in seinem Sinne tätigen Natioualausschuß ver¬
wandt werden könnten, zu verhindern und nur Arbeiter- und Soldatenrate anzu¬
erkennen, die in diesem vorwiegend bäuerlichen Gebiet zur Ohnmacht verurteilt
und. Von den Plänen der neuen Negierung hat besonders der auf eine
Trennung von Kirche und Staat hinzielende, mit dem auch in Sachsen vie. und
ungeschickt in der Luft herumgefuchtelt worden ist, fördernd auf die Sache der
wendischen Separatisten eingewirkt. Es ist bei den Wahlen zur National¬
versammlung vorgekommen, daß in rein evangelischen Bezirken der Wendet eine
beträchtliche'Stimnieiizahl auf das Zentruni entfiel, well die Wähler allem von
dieser Partei eine Wahrung des kirchlichen Ansehens erwarteten. Weiter spielen
Seschichtliche Gründe eine Rolle (wenn anch mehr in den programmatischen
Kundgebilngen als in den Köpfen), so die Behauptung, daß Wendet und Lausitz
uraltes slawisches Gebiet seien, ferner die Ansicht, daß die Abdankung des van,es
Wettin, an dem die Wenden stets in Treue gehangen haben sollen, den Anfall
«er wendischen Lande an Böhmen zur Rechtsfolge haben. Gefördert werden solche
auf ihre Richtigkeit Wohl nur an der Hand von historischem Materni aus den
Staatsarchiven nachzuprüfenden Meinungen durch die katholische Geistlichkeit des
Landes, die ihre Ausbildung in Prag zu erhalten pflegt und einen festen Bestano
von Sympathien für Slawen- und Tschecheutum und auf der anderen Seite Mi߬
trauen und Übelwollen gegen alles Deutsche von dort mitbringt. Überhaupt


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[0093] Im ZVendenlcmd Am Hebel der wendischen Bewegung steht der wendische Nationalausschuß mit Barth, Bryl und Deutschmann an der Spitze. Er versteht in sehr geschickter Weise die wendische Volksseele zu bearbeiten, wobei ihm zustatten kommt, daß diese bäuerliche Bevölkerung wenig selbständig denkende kritische Kopfe auszu¬ weisen hat. Wie alle Absonderungsbestrebuugeu, die in der deutschen Not der letzten Wochen und Monate hervortraten, wurzeln auch die wendischen nicht so sehr in idealen und kulturellen Wünschen, die freilich geflissentlich betont und immer wieder hervorgehoben werden, als in solchen sehr realer Art oder, um es ganz offen zu sagen, in brutal selbstsüchtigen Wirtschaftsinteressen, deren wenig adore Nacktheit nur mangelhaft durch das dünne Mäntelchen kultureller Beglelt- orderungcn verhüllt wird. Wenn man die Triebfeder französischen Handelns, wie Rauptet wird, sehr on in einem „Llisrclie?: !a kenne!" zu ert'linken Hat, so wird der Richterspruch späterer Zeilen der deutschen Menschheit von heute -- welchen Stammes und welcher Blutmischung sie auch sei — em vielleicht erheb¬ lich mehr gravierendes „Olisrobs- 1a mormais!" nachrufen und und hartem Wort vermelden', das; ihr der krasseste Mammonismus tiefster Wesenstrieb, teuerster Götzendienst und letzte Richtschnur alles Handelns war. So auch bei den Wen¬ den, die jetzt auf einmal deshalb nicht mehr Deutsche sein wollen, well ste durch solche Abkehr von ihrem alten Vaterland den Lasten der Kriegsentschädigung zu entgehen hoffen. Beklagenswerte Reichsflucht eines ganzen Nolksstammes, dem sein Hab und Gut teurer ist als sein Deutschtum, an dem er früher selbst me ge¬ zweifelt, geschweige denn gerüttelt hat. Wenn früher einmal wendische Forde¬ rungen geltend gemacht wurden, so handelte es sich dabei stets um Wnniche kultureller Art, Fragen wie die eines wendischen Sprachunterrichts in den Schulen oder eines wendischen Gottesdienstes in den Kirchen. Auch dem neu- deutschen Sozialismus, den sie nicht weniger fürchten als die Kriegselltschadi- Mng, hoffen die Wenden durch eine Loslösung vom Reiche zu entgehen ^er wendische Bauer hängt mit allen Fasern an seinem Besitz und sucht ihn sich mit Zähigkeit zu erhalten. Diese wenig ehrbaren Beweggründe haben sogar deutsch- stämmige Bewohner der Lausitz veranlaßt, sich der wendischen Bewegung anzu¬ schließen. Die nationalwendische Bewegung hat so etwas von einer allgemeinen Agrarierbeweciung angenommen, der die neuen politischen Verhaltniste in Reich und Einzelstaaten ein rotes Tuch sind. Die innerpolitischen Schwierigkeiten der neuen deutschen Regierung und ihre mangelnden Erfolge der Entente gegenüber haben diesem neuen Bauernbund seine Agitation erleichtert. Leider hat vie neue sächsische Regierung den schweren Fehler begangen, die Bildung von Bnnern- räten, die in der' Wendei unbedingt notwendig waren uno letzt vielleicht aw Werkzeug gegen Barth und den in seinem Sinne tätigen Natioualausschuß ver¬ wandt werden könnten, zu verhindern und nur Arbeiter- und Soldatenrate anzu¬ erkennen, die in diesem vorwiegend bäuerlichen Gebiet zur Ohnmacht verurteilt und. Von den Plänen der neuen Negierung hat besonders der auf eine Trennung von Kirche und Staat hinzielende, mit dem auch in Sachsen vie. und ungeschickt in der Luft herumgefuchtelt worden ist, fördernd auf die Sache der wendischen Separatisten eingewirkt. Es ist bei den Wahlen zur National¬ versammlung vorgekommen, daß in rein evangelischen Bezirken der Wendet eine beträchtliche'Stimnieiizahl auf das Zentruni entfiel, well die Wähler allem von dieser Partei eine Wahrung des kirchlichen Ansehens erwarteten. Weiter spielen Seschichtliche Gründe eine Rolle (wenn anch mehr in den programmatischen Kundgebilngen als in den Köpfen), so die Behauptung, daß Wendet und Lausitz uraltes slawisches Gebiet seien, ferner die Ansicht, daß die Abdankung des van,es Wettin, an dem die Wenden stets in Treue gehangen haben sollen, den Anfall «er wendischen Lande an Böhmen zur Rechtsfolge haben. Gefördert werden solche auf ihre Richtigkeit Wohl nur an der Hand von historischem Materni aus den Staatsarchiven nachzuprüfenden Meinungen durch die katholische Geistlichkeit des Landes, die ihre Ausbildung in Prag zu erhalten pflegt und einen festen Bestano von Sympathien für Slawen- und Tschecheutum und auf der anderen Seite Mi߬ trauen und Übelwollen gegen alles Deutsche von dort mitbringt. Überhaupt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/93>, abgerufen am 05.06.2024.