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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Im Wendenland

Seltsame Ironie der Namen: der derzeitige Vorsitzende des von Deutsch¬
land fortstrebenden wendischen Nationalausschusses heißt' Deutschmann (so wie
sich Preuß der Mann nennt, der Preußen zerschlagen will). Unter seinem Vor¬
sitz verlief der große Wendentag mit Barths Bericht in den Bautzencr Kronen¬
sälen äußerlich völlig ruhig. Nur an der Überfüllung der Gasthöfe und an den
auf Straße und Plätzen aufgefahrenen Wagen konnte man erkennen, daß viel
Landvolk in die alte Stadt hereingekommen war. Diese selbst sieht dem Schau¬
spiel des wendischen Buhlens um die Gunst unserer Feinde mit sehr gemischten
Gefühlen zu. Zwar würde Bautzen eine Hauptstadt werden, wenn auch nur eine
Hauptstadt im Oktav- oder Duodezformat. Aber Bautzen ist ganz deutsch-
gesinnt, von den 30 Prozent Wenden, die zu seiner Bevölkerung gehören, merkt
mau nichts, kaum, daß man einige wendische Aufschriften an Laden und Kaffee¬
häusern entdeckt, die sicher uicht der wendischen Bautzener wegen da sind, sondern
eine Konzession an die Landbevölkerung darstellen, und wenn man auf den
Straßen wendisch sprechen hört, so handelt es sich gewiß um Bauern und uicht
um Bürger der Stadt. Zwar eine Straße nennt sich Troskystraße, was schon
beinahe bedrohlich -slawisch und östlich klingt, aber es stellt sich heraus, daß sie
nach einem harmlosen sächsischen General benannt ist. Zwei bürgerliche Blätter
und ein gemäßigt sozialistisches arbeiten den wendischen Loslösungsbestrebungen
entgegen, und die in wendischer Sprache erscheinenden Zeitungen, zwei an der
Zahl, mit wendisch-rationalistischer Tendenz, sollen in der Stadt nur wenig gelesen
werden. Nein, dos gute Bautzen ist deutsch und sächsisch gesinnt, es will von
Barch, Bryl, Deutschmann und ihren Getreuen nicht viel wissen. Es hat kürz¬
lich einen "Ausschuß sachsentreuer Wenden" ins Leben gerufen, dein hoffentlich
seitens der amtlichen Stellen bald die verdiente Unterstützung zuteil werden
wird.....

Es wäre ewig schade um das fruchtbare wendische Land, wenn es fremder
Zunge und fremder Wesensart -Untertan würde. Es wäre mehr noch schade nur
diese schöne alte Stadt.

Ein Kind leert einen Spielzcugkasten voll Häusern, Bäumen und Türmen,
sehr viel Türmen vor allem auf einen grünen Berg aus und schiebt den ganzen
Haufen dicht zusammen und ineinander. So sieht Bautzen aus, so liegt es auf
Ilmer Höhe über dem eilenden Wasser. Feste Mauern, freundlich von der matten
<dinterfarbe der Gartensträucher und Rasenflächen abgelöst, gürten diese aus¬
geleerte Spielzeugschachtel nach der Flußseite hin, halten mit herrischer Geste den
gefährlich wilden Anlauf ihrer Häuser und Türme vor dem Steilabfall des
Ichmalen Tales auf. Ein enggebautes altes Barockschloß mit schönen vielfen-
strigen Giebeln schaut, hoch über dem eingerissenen Grunde, auf einen verträum¬
ten grünen Jnnenhof. Von der anderen Seite her schreiben starke Felsblöcke,
Mau und rostbraun mit eingesprengten Quarzlichtern, dem Wasser seinen ge¬
wundenen Weg vor, und ein Kirchhof mit Steingemäuer "lud gelber Kapelle liegt
.. Höhenwind, den roten Dächern des ragenden Schloßkapitols gegenüber,
^chön ist das alles, malerisch schön und von jener efeuüberrankten romantischen
Decken- und Wehrhaftigkeit, die uns zwar noch aus Uhlcmds Balladen klingt, dem
Deutschen von heute aber in: Alltag seiner völkischen Not wie unter schweren
.vmruwrplatten eingesargt ruht. Jedoch selbst in diesem Bilde nach Spitzweg¬
oder Schwind-Manier hat der Mammonismus steil und feil sein Wahrzeichen
aufgerichtet: unter, wo das Wafs-er über ein steinernes Wehr rauscht, stechen zwei
^ose Fabrikschornsteine wie Dornen ins Auge. Vor dem alten düsteren Mossiv-
llo.z des Rathauses, das an die Mairien französischer .Kleinstädte erinnert, und
auf dem langen, bergan steigenden. Platz zu Füßen des Reichenturmes, der wie
ein verirrter Campanile in den matten Vorfrühlingshimmel Deutschlands ragt,
orne und feilscht der Markttag. Da werden Gemüse und mattschmeckende kleine
suchen angeboten. Man hört deutsche und russische Laute, denn ein großes Ge¬
fangenenlager ist noch in Bautzen, dessen Insassen eine fast unbeschränkte Aus-
geyerlaubnis zu genießen -Schlemm. Außen herum ist bergiges Land, viel mehr


Im Wendenland

Seltsame Ironie der Namen: der derzeitige Vorsitzende des von Deutsch¬
land fortstrebenden wendischen Nationalausschusses heißt' Deutschmann (so wie
sich Preuß der Mann nennt, der Preußen zerschlagen will). Unter seinem Vor¬
sitz verlief der große Wendentag mit Barths Bericht in den Bautzencr Kronen¬
sälen äußerlich völlig ruhig. Nur an der Überfüllung der Gasthöfe und an den
auf Straße und Plätzen aufgefahrenen Wagen konnte man erkennen, daß viel
Landvolk in die alte Stadt hereingekommen war. Diese selbst sieht dem Schau¬
spiel des wendischen Buhlens um die Gunst unserer Feinde mit sehr gemischten
Gefühlen zu. Zwar würde Bautzen eine Hauptstadt werden, wenn auch nur eine
Hauptstadt im Oktav- oder Duodezformat. Aber Bautzen ist ganz deutsch-
gesinnt, von den 30 Prozent Wenden, die zu seiner Bevölkerung gehören, merkt
mau nichts, kaum, daß man einige wendische Aufschriften an Laden und Kaffee¬
häusern entdeckt, die sicher uicht der wendischen Bautzener wegen da sind, sondern
eine Konzession an die Landbevölkerung darstellen, und wenn man auf den
Straßen wendisch sprechen hört, so handelt es sich gewiß um Bauern und uicht
um Bürger der Stadt. Zwar eine Straße nennt sich Troskystraße, was schon
beinahe bedrohlich -slawisch und östlich klingt, aber es stellt sich heraus, daß sie
nach einem harmlosen sächsischen General benannt ist. Zwei bürgerliche Blätter
und ein gemäßigt sozialistisches arbeiten den wendischen Loslösungsbestrebungen
entgegen, und die in wendischer Sprache erscheinenden Zeitungen, zwei an der
Zahl, mit wendisch-rationalistischer Tendenz, sollen in der Stadt nur wenig gelesen
werden. Nein, dos gute Bautzen ist deutsch und sächsisch gesinnt, es will von
Barch, Bryl, Deutschmann und ihren Getreuen nicht viel wissen. Es hat kürz¬
lich einen „Ausschuß sachsentreuer Wenden" ins Leben gerufen, dein hoffentlich
seitens der amtlichen Stellen bald die verdiente Unterstützung zuteil werden
wird.....

Es wäre ewig schade um das fruchtbare wendische Land, wenn es fremder
Zunge und fremder Wesensart -Untertan würde. Es wäre mehr noch schade nur
diese schöne alte Stadt.

Ein Kind leert einen Spielzcugkasten voll Häusern, Bäumen und Türmen,
sehr viel Türmen vor allem auf einen grünen Berg aus und schiebt den ganzen
Haufen dicht zusammen und ineinander. So sieht Bautzen aus, so liegt es auf
Ilmer Höhe über dem eilenden Wasser. Feste Mauern, freundlich von der matten
<dinterfarbe der Gartensträucher und Rasenflächen abgelöst, gürten diese aus¬
geleerte Spielzeugschachtel nach der Flußseite hin, halten mit herrischer Geste den
gefährlich wilden Anlauf ihrer Häuser und Türme vor dem Steilabfall des
Ichmalen Tales auf. Ein enggebautes altes Barockschloß mit schönen vielfen-
strigen Giebeln schaut, hoch über dem eingerissenen Grunde, auf einen verträum¬
ten grünen Jnnenhof. Von der anderen Seite her schreiben starke Felsblöcke,
Mau und rostbraun mit eingesprengten Quarzlichtern, dem Wasser seinen ge¬
wundenen Weg vor, und ein Kirchhof mit Steingemäuer »lud gelber Kapelle liegt
.. Höhenwind, den roten Dächern des ragenden Schloßkapitols gegenüber,
^chön ist das alles, malerisch schön und von jener efeuüberrankten romantischen
Decken- und Wehrhaftigkeit, die uns zwar noch aus Uhlcmds Balladen klingt, dem
Deutschen von heute aber in: Alltag seiner völkischen Not wie unter schweren
.vmruwrplatten eingesargt ruht. Jedoch selbst in diesem Bilde nach Spitzweg¬
oder Schwind-Manier hat der Mammonismus steil und feil sein Wahrzeichen
aufgerichtet: unter, wo das Wafs-er über ein steinernes Wehr rauscht, stechen zwei
^ose Fabrikschornsteine wie Dornen ins Auge. Vor dem alten düsteren Mossiv-
llo.z des Rathauses, das an die Mairien französischer .Kleinstädte erinnert, und
auf dem langen, bergan steigenden. Platz zu Füßen des Reichenturmes, der wie
ein verirrter Campanile in den matten Vorfrühlingshimmel Deutschlands ragt,
orne und feilscht der Markttag. Da werden Gemüse und mattschmeckende kleine
suchen angeboten. Man hört deutsche und russische Laute, denn ein großes Ge¬
fangenenlager ist noch in Bautzen, dessen Insassen eine fast unbeschränkte Aus-
geyerlaubnis zu genießen -Schlemm. Außen herum ist bergiges Land, viel mehr


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[0095] Im Wendenland Seltsame Ironie der Namen: der derzeitige Vorsitzende des von Deutsch¬ land fortstrebenden wendischen Nationalausschusses heißt' Deutschmann (so wie sich Preuß der Mann nennt, der Preußen zerschlagen will). Unter seinem Vor¬ sitz verlief der große Wendentag mit Barths Bericht in den Bautzencr Kronen¬ sälen äußerlich völlig ruhig. Nur an der Überfüllung der Gasthöfe und an den auf Straße und Plätzen aufgefahrenen Wagen konnte man erkennen, daß viel Landvolk in die alte Stadt hereingekommen war. Diese selbst sieht dem Schau¬ spiel des wendischen Buhlens um die Gunst unserer Feinde mit sehr gemischten Gefühlen zu. Zwar würde Bautzen eine Hauptstadt werden, wenn auch nur eine Hauptstadt im Oktav- oder Duodezformat. Aber Bautzen ist ganz deutsch- gesinnt, von den 30 Prozent Wenden, die zu seiner Bevölkerung gehören, merkt mau nichts, kaum, daß man einige wendische Aufschriften an Laden und Kaffee¬ häusern entdeckt, die sicher uicht der wendischen Bautzener wegen da sind, sondern eine Konzession an die Landbevölkerung darstellen, und wenn man auf den Straßen wendisch sprechen hört, so handelt es sich gewiß um Bauern und uicht um Bürger der Stadt. Zwar eine Straße nennt sich Troskystraße, was schon beinahe bedrohlich -slawisch und östlich klingt, aber es stellt sich heraus, daß sie nach einem harmlosen sächsischen General benannt ist. Zwei bürgerliche Blätter und ein gemäßigt sozialistisches arbeiten den wendischen Loslösungsbestrebungen entgegen, und die in wendischer Sprache erscheinenden Zeitungen, zwei an der Zahl, mit wendisch-rationalistischer Tendenz, sollen in der Stadt nur wenig gelesen werden. Nein, dos gute Bautzen ist deutsch und sächsisch gesinnt, es will von Barch, Bryl, Deutschmann und ihren Getreuen nicht viel wissen. Es hat kürz¬ lich einen „Ausschuß sachsentreuer Wenden" ins Leben gerufen, dein hoffentlich seitens der amtlichen Stellen bald die verdiente Unterstützung zuteil werden wird..... Es wäre ewig schade um das fruchtbare wendische Land, wenn es fremder Zunge und fremder Wesensart -Untertan würde. Es wäre mehr noch schade nur diese schöne alte Stadt. Ein Kind leert einen Spielzcugkasten voll Häusern, Bäumen und Türmen, sehr viel Türmen vor allem auf einen grünen Berg aus und schiebt den ganzen Haufen dicht zusammen und ineinander. So sieht Bautzen aus, so liegt es auf Ilmer Höhe über dem eilenden Wasser. Feste Mauern, freundlich von der matten <dinterfarbe der Gartensträucher und Rasenflächen abgelöst, gürten diese aus¬ geleerte Spielzeugschachtel nach der Flußseite hin, halten mit herrischer Geste den gefährlich wilden Anlauf ihrer Häuser und Türme vor dem Steilabfall des Ichmalen Tales auf. Ein enggebautes altes Barockschloß mit schönen vielfen- strigen Giebeln schaut, hoch über dem eingerissenen Grunde, auf einen verträum¬ ten grünen Jnnenhof. Von der anderen Seite her schreiben starke Felsblöcke, Mau und rostbraun mit eingesprengten Quarzlichtern, dem Wasser seinen ge¬ wundenen Weg vor, und ein Kirchhof mit Steingemäuer »lud gelber Kapelle liegt .. Höhenwind, den roten Dächern des ragenden Schloßkapitols gegenüber, ^chön ist das alles, malerisch schön und von jener efeuüberrankten romantischen Decken- und Wehrhaftigkeit, die uns zwar noch aus Uhlcmds Balladen klingt, dem Deutschen von heute aber in: Alltag seiner völkischen Not wie unter schweren .vmruwrplatten eingesargt ruht. Jedoch selbst in diesem Bilde nach Spitzweg¬ oder Schwind-Manier hat der Mammonismus steil und feil sein Wahrzeichen aufgerichtet: unter, wo das Wafs-er über ein steinernes Wehr rauscht, stechen zwei ^ose Fabrikschornsteine wie Dornen ins Auge. Vor dem alten düsteren Mossiv- llo.z des Rathauses, das an die Mairien französischer .Kleinstädte erinnert, und auf dem langen, bergan steigenden. Platz zu Füßen des Reichenturmes, der wie ein verirrter Campanile in den matten Vorfrühlingshimmel Deutschlands ragt, orne und feilscht der Markttag. Da werden Gemüse und mattschmeckende kleine suchen angeboten. Man hört deutsche und russische Laute, denn ein großes Ge¬ fangenenlager ist noch in Bautzen, dessen Insassen eine fast unbeschränkte Aus- geyerlaubnis zu genießen -Schlemm. Außen herum ist bergiges Land, viel mehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/95>, abgerufen am 15.05.2024.