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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Das Wahlrecht der Auslandsdeutschen

lande" vollziehen sollte, ausgesprochen. Diese Voraussetzung findet keine Bestäti¬
gung in dem EntWurfe. Auch sei darauf hingewiesen, daß in der Presse anderer
Länder -- insbesondere Jugoslawiens -- sich ein reges und zustimmendes Interesse
für den deutschen Gedanken zeigt, der dort sogar als fruchtbar für eigene Ver-
Wendung betrachtet wird. In den Kreisen der Auslandsdeutschen erregt es großes
Mißbehagen, zu sehen, wie ein alter Wunsch des Auslandsdeutschtums, dessen
Erfüllung als Möglichkeit durch den Entwurf und durch ähnliche Einrichtungen
anderer Länder (Norwegen, Dänemark) nachgewiesen ist, wieder auf unbestimmte
Zeit zurückgestellt wird. Die Arbeitsfreude derer, die wieder hinausgehen, draußen
die alten Wirtschaftsverbindungen neu anknüpfen wollen, wird durch den Vorgang
im Wahlrechtsausschuß nicht belebt. Das Wahlrecht wird von erfahrenen Aus¬
landsdeutschen -- unabhängig von jeder Parteirichtung -- als das beste, in dieser
verhängnisvollen Notstunde sogar als das einzige Mittel betrachtet, den Verlusten
vorzubeugen, welche das Deutschtum durch Auswanderung, durch die berüchtigte
Verwandlung des deutscheu Auswanderers in "internationalen Kulturdünger"
erleidet. Diese Verluste haben uns schon vor dem Kriege, als wir noch wirt¬
schaftlich stark waren, unermeßlichen Schaden zugefügt. Darum ist das Auslands¬
wahlrecht in unserer heutigen Lage, die wir als den ärgsten wirtschaftlichen und
Politischen Jammer empfinden, den es jemals in unserer Geschichte gegeben hat,
kein Luxusgegenstand, sondern eine unbedingte Notwendigkeit. Es ist das einzige
Mittel, wodurch wir weitsehmd verhindern können, daß uns im Laufe der nächsten
Msnschenalter hunderttaussnde, ja Millionen von Deutschen, die ihr Vaterland
nicht ernähren kann und die schutzlos hinauswandern, verloren gehen.

Welche Gründe einer schöpferischen Weltfriedenspolitik für das Auslands¬
wahlrecht sprechen, ist in dem obigen Aufsatz dargelegt worden. Die Beteiligung
der Auslandsdeutschen am politischen Leben Deutschlands ist gerade im Interesse
des Weltfriedens aufs innigste zu wünschen. Das werden auch unsere Gegner
einsehen lernen -- und wir haben auch vernünftige Gegner auf der Erde.
Lassen wir uns nicht die Gelegenheit entgehen, mit diesen vernünftigen Gegnern
sachlich über einen positiven Akt unserer Gesetzgebung zu diskutieren. Möge
Deutschland sich nicht von anderen Ländern den Ruhm entreißen lassen, mit dieser
wichtigen, dem Völkerfrieden heilsamen Neuerung voranzugehen. Wir legen
Berufung ein von den "schlecht unterrichteten" an die "besser zu unterrichtenden"
Neichsboten und wir vertrauen darauf, daß die gute Sache der Auslandsdeutschen,
welche zugleich die gute Sache aller Deutschen ist, sich im Streite der öffentlichen
Erörterung siegreich durchkämpfen wird.




Das Wahlrecht der Auslandsdeutschen

lande" vollziehen sollte, ausgesprochen. Diese Voraussetzung findet keine Bestäti¬
gung in dem EntWurfe. Auch sei darauf hingewiesen, daß in der Presse anderer
Länder — insbesondere Jugoslawiens — sich ein reges und zustimmendes Interesse
für den deutschen Gedanken zeigt, der dort sogar als fruchtbar für eigene Ver-
Wendung betrachtet wird. In den Kreisen der Auslandsdeutschen erregt es großes
Mißbehagen, zu sehen, wie ein alter Wunsch des Auslandsdeutschtums, dessen
Erfüllung als Möglichkeit durch den Entwurf und durch ähnliche Einrichtungen
anderer Länder (Norwegen, Dänemark) nachgewiesen ist, wieder auf unbestimmte
Zeit zurückgestellt wird. Die Arbeitsfreude derer, die wieder hinausgehen, draußen
die alten Wirtschaftsverbindungen neu anknüpfen wollen, wird durch den Vorgang
im Wahlrechtsausschuß nicht belebt. Das Wahlrecht wird von erfahrenen Aus¬
landsdeutschen — unabhängig von jeder Parteirichtung — als das beste, in dieser
verhängnisvollen Notstunde sogar als das einzige Mittel betrachtet, den Verlusten
vorzubeugen, welche das Deutschtum durch Auswanderung, durch die berüchtigte
Verwandlung des deutscheu Auswanderers in „internationalen Kulturdünger"
erleidet. Diese Verluste haben uns schon vor dem Kriege, als wir noch wirt¬
schaftlich stark waren, unermeßlichen Schaden zugefügt. Darum ist das Auslands¬
wahlrecht in unserer heutigen Lage, die wir als den ärgsten wirtschaftlichen und
Politischen Jammer empfinden, den es jemals in unserer Geschichte gegeben hat,
kein Luxusgegenstand, sondern eine unbedingte Notwendigkeit. Es ist das einzige
Mittel, wodurch wir weitsehmd verhindern können, daß uns im Laufe der nächsten
Msnschenalter hunderttaussnde, ja Millionen von Deutschen, die ihr Vaterland
nicht ernähren kann und die schutzlos hinauswandern, verloren gehen.

Welche Gründe einer schöpferischen Weltfriedenspolitik für das Auslands¬
wahlrecht sprechen, ist in dem obigen Aufsatz dargelegt worden. Die Beteiligung
der Auslandsdeutschen am politischen Leben Deutschlands ist gerade im Interesse
des Weltfriedens aufs innigste zu wünschen. Das werden auch unsere Gegner
einsehen lernen — und wir haben auch vernünftige Gegner auf der Erde.
Lassen wir uns nicht die Gelegenheit entgehen, mit diesen vernünftigen Gegnern
sachlich über einen positiven Akt unserer Gesetzgebung zu diskutieren. Möge
Deutschland sich nicht von anderen Ländern den Ruhm entreißen lassen, mit dieser
wichtigen, dem Völkerfrieden heilsamen Neuerung voranzugehen. Wir legen
Berufung ein von den „schlecht unterrichteten" an die „besser zu unterrichtenden"
Neichsboten und wir vertrauen darauf, daß die gute Sache der Auslandsdeutschen,
welche zugleich die gute Sache aller Deutschen ist, sich im Streite der öffentlichen
Erörterung siegreich durchkämpfen wird.




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[0105] Das Wahlrecht der Auslandsdeutschen lande" vollziehen sollte, ausgesprochen. Diese Voraussetzung findet keine Bestäti¬ gung in dem EntWurfe. Auch sei darauf hingewiesen, daß in der Presse anderer Länder — insbesondere Jugoslawiens — sich ein reges und zustimmendes Interesse für den deutschen Gedanken zeigt, der dort sogar als fruchtbar für eigene Ver- Wendung betrachtet wird. In den Kreisen der Auslandsdeutschen erregt es großes Mißbehagen, zu sehen, wie ein alter Wunsch des Auslandsdeutschtums, dessen Erfüllung als Möglichkeit durch den Entwurf und durch ähnliche Einrichtungen anderer Länder (Norwegen, Dänemark) nachgewiesen ist, wieder auf unbestimmte Zeit zurückgestellt wird. Die Arbeitsfreude derer, die wieder hinausgehen, draußen die alten Wirtschaftsverbindungen neu anknüpfen wollen, wird durch den Vorgang im Wahlrechtsausschuß nicht belebt. Das Wahlrecht wird von erfahrenen Aus¬ landsdeutschen — unabhängig von jeder Parteirichtung — als das beste, in dieser verhängnisvollen Notstunde sogar als das einzige Mittel betrachtet, den Verlusten vorzubeugen, welche das Deutschtum durch Auswanderung, durch die berüchtigte Verwandlung des deutscheu Auswanderers in „internationalen Kulturdünger" erleidet. Diese Verluste haben uns schon vor dem Kriege, als wir noch wirt¬ schaftlich stark waren, unermeßlichen Schaden zugefügt. Darum ist das Auslands¬ wahlrecht in unserer heutigen Lage, die wir als den ärgsten wirtschaftlichen und Politischen Jammer empfinden, den es jemals in unserer Geschichte gegeben hat, kein Luxusgegenstand, sondern eine unbedingte Notwendigkeit. Es ist das einzige Mittel, wodurch wir weitsehmd verhindern können, daß uns im Laufe der nächsten Msnschenalter hunderttaussnde, ja Millionen von Deutschen, die ihr Vaterland nicht ernähren kann und die schutzlos hinauswandern, verloren gehen. Welche Gründe einer schöpferischen Weltfriedenspolitik für das Auslands¬ wahlrecht sprechen, ist in dem obigen Aufsatz dargelegt worden. Die Beteiligung der Auslandsdeutschen am politischen Leben Deutschlands ist gerade im Interesse des Weltfriedens aufs innigste zu wünschen. Das werden auch unsere Gegner einsehen lernen — und wir haben auch vernünftige Gegner auf der Erde. Lassen wir uns nicht die Gelegenheit entgehen, mit diesen vernünftigen Gegnern sachlich über einen positiven Akt unserer Gesetzgebung zu diskutieren. Möge Deutschland sich nicht von anderen Ländern den Ruhm entreißen lassen, mit dieser wichtigen, dem Völkerfrieden heilsamen Neuerung voranzugehen. Wir legen Berufung ein von den „schlecht unterrichteten" an die „besser zu unterrichtenden" Neichsboten und wir vertrauen darauf, daß die gute Sache der Auslandsdeutschen, welche zugleich die gute Sache aller Deutschen ist, sich im Streite der öffentlichen Erörterung siegreich durchkämpfen wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/105>, abgerufen am 25.05.2024.