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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Der Dffizier und die Zukunft

bilden kann? Wie der französische katholische Klerus nach der Trennung von
Kirche und Staat mit abgetanen Privilegien in der äußeren Mißachtung durch
Staat und Gesellschaft innerlich sich läuterte und an Kraft gewann, so kann der
Stand des deutschen Offiziers unter Pflege des kameradschaftlichen Gemein¬
sinns, des vaterländischen Denkens und Hoffens und des charaktervoller Handelns
eine neue Macht werden durch den ganzen Volkskörper hin. Jetzt erst zeige sich
Korpsgeist, Organisationsgabe, Treue in der höchsten, geistigsten Form. Ge¬
lingt es, die Aussterbestimmung zu überwinden, den Willen zum Weiterleben
der Art auch unter den trübsten Lebensverhältnissen zu bewahren und eine
Jugendgeneration zu erziehen, die, unter alle nur denkbaren bürgerlichen
Berufe verteilt, doch Offizierskind bleibt, nicht die Äußerlichkeiten, aber das
starke Ethos dieser wehmütig vergangenen, großen, geschichtlichen Herkunft
bewahrend, dann wird uns um künftige Führer, um einen neuen Adel deutscher
Nation nicht bange sein. Scharnhorst, Moltke, Hindenburg sind so echte deutsche
Typen, daß sie immer wieder erstehen werden, wenn nur der Nährboden der
Überlieferung in den Herzen bleibt.

Deutschlands Ruin verdichtete sich imRuin eines Standes, der sein ganzes
Sein auf das Dasein eines mächtigen Staates gesetzt hatte, wie dieser um¬
gekehrt auf jenem beruhte. Deutschlands Wiedererhebung, die kommen wird,
wenn wir einen langen nationalen Atem haben, braucht die Säfte, die zwei¬
hundert Jahre im preußisch-deutschen Offizierstum kreisten und die hoffentlich
ebenso unvertilgbar sind wie die deutschen Erbfehler, die augenblicklich wieder
einmal in Blüte stehen. Deutschland in seiner Erniedrigung kennen zu lernen,
das deutsche Volk nach allen seinen Richtungen, zu durchforschen und mit dem
Geist einigen Willens, der Unterordnung, der Entsagung, des Mutes und der
Entschlossenheit gegen feindlichen Willen zu durchströmen, das ist die Aufgabe,
dies die Zukunft des in alle Regionen zerstreuten deutschen Offiziersstandes,
der kein Stand mehr ist und alle Stände befruchten soll.




Der Dffizier und die Zukunft

bilden kann? Wie der französische katholische Klerus nach der Trennung von
Kirche und Staat mit abgetanen Privilegien in der äußeren Mißachtung durch
Staat und Gesellschaft innerlich sich läuterte und an Kraft gewann, so kann der
Stand des deutschen Offiziers unter Pflege des kameradschaftlichen Gemein¬
sinns, des vaterländischen Denkens und Hoffens und des charaktervoller Handelns
eine neue Macht werden durch den ganzen Volkskörper hin. Jetzt erst zeige sich
Korpsgeist, Organisationsgabe, Treue in der höchsten, geistigsten Form. Ge¬
lingt es, die Aussterbestimmung zu überwinden, den Willen zum Weiterleben
der Art auch unter den trübsten Lebensverhältnissen zu bewahren und eine
Jugendgeneration zu erziehen, die, unter alle nur denkbaren bürgerlichen
Berufe verteilt, doch Offizierskind bleibt, nicht die Äußerlichkeiten, aber das
starke Ethos dieser wehmütig vergangenen, großen, geschichtlichen Herkunft
bewahrend, dann wird uns um künftige Führer, um einen neuen Adel deutscher
Nation nicht bange sein. Scharnhorst, Moltke, Hindenburg sind so echte deutsche
Typen, daß sie immer wieder erstehen werden, wenn nur der Nährboden der
Überlieferung in den Herzen bleibt.

Deutschlands Ruin verdichtete sich imRuin eines Standes, der sein ganzes
Sein auf das Dasein eines mächtigen Staates gesetzt hatte, wie dieser um¬
gekehrt auf jenem beruhte. Deutschlands Wiedererhebung, die kommen wird,
wenn wir einen langen nationalen Atem haben, braucht die Säfte, die zwei¬
hundert Jahre im preußisch-deutschen Offizierstum kreisten und die hoffentlich
ebenso unvertilgbar sind wie die deutschen Erbfehler, die augenblicklich wieder
einmal in Blüte stehen. Deutschland in seiner Erniedrigung kennen zu lernen,
das deutsche Volk nach allen seinen Richtungen, zu durchforschen und mit dem
Geist einigen Willens, der Unterordnung, der Entsagung, des Mutes und der
Entschlossenheit gegen feindlichen Willen zu durchströmen, das ist die Aufgabe,
dies die Zukunft des in alle Regionen zerstreuten deutschen Offiziersstandes,
der kein Stand mehr ist und alle Stände befruchten soll.




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[0340] Der Dffizier und die Zukunft bilden kann? Wie der französische katholische Klerus nach der Trennung von Kirche und Staat mit abgetanen Privilegien in der äußeren Mißachtung durch Staat und Gesellschaft innerlich sich läuterte und an Kraft gewann, so kann der Stand des deutschen Offiziers unter Pflege des kameradschaftlichen Gemein¬ sinns, des vaterländischen Denkens und Hoffens und des charaktervoller Handelns eine neue Macht werden durch den ganzen Volkskörper hin. Jetzt erst zeige sich Korpsgeist, Organisationsgabe, Treue in der höchsten, geistigsten Form. Ge¬ lingt es, die Aussterbestimmung zu überwinden, den Willen zum Weiterleben der Art auch unter den trübsten Lebensverhältnissen zu bewahren und eine Jugendgeneration zu erziehen, die, unter alle nur denkbaren bürgerlichen Berufe verteilt, doch Offizierskind bleibt, nicht die Äußerlichkeiten, aber das starke Ethos dieser wehmütig vergangenen, großen, geschichtlichen Herkunft bewahrend, dann wird uns um künftige Führer, um einen neuen Adel deutscher Nation nicht bange sein. Scharnhorst, Moltke, Hindenburg sind so echte deutsche Typen, daß sie immer wieder erstehen werden, wenn nur der Nährboden der Überlieferung in den Herzen bleibt. Deutschlands Ruin verdichtete sich imRuin eines Standes, der sein ganzes Sein auf das Dasein eines mächtigen Staates gesetzt hatte, wie dieser um¬ gekehrt auf jenem beruhte. Deutschlands Wiedererhebung, die kommen wird, wenn wir einen langen nationalen Atem haben, braucht die Säfte, die zwei¬ hundert Jahre im preußisch-deutschen Offizierstum kreisten und die hoffentlich ebenso unvertilgbar sind wie die deutschen Erbfehler, die augenblicklich wieder einmal in Blüte stehen. Deutschland in seiner Erniedrigung kennen zu lernen, das deutsche Volk nach allen seinen Richtungen, zu durchforschen und mit dem Geist einigen Willens, der Unterordnung, der Entsagung, des Mutes und der Entschlossenheit gegen feindlichen Willen zu durchströmen, das ist die Aufgabe, dies die Zukunft des in alle Regionen zerstreuten deutschen Offiziersstandes, der kein Stand mehr ist und alle Stände befruchten soll.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/340>, abgerufen am 25.05.2024.