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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling

Tie politische Betätigung der Logen der französisch-italienischen Gruppe ver¬
folgt ausgesprochen radikale Ziele: ihr gilt als Ideal der Staatsform die Republik, als
Ideal des Staatsbürgers die atheistische Demokratie. Die französische Freimaurerei,
die in der Verwirklichung dieser Tendenzen im eigenen Lande bisher die. stärksten Er¬
folge erzielt hat. unterstützt mit zielbewußter Energie alle parallellaufenden Bewegungen
im Auslande. Als Organ der Vermittlung dient ihr hierbei die Zentralstelle der
Logen des Landes, in dem sie das Terrain für ihre Arbeit für hinreichend vor-
bereitet erachtet. In Portugal hat sie diesen Weg mit Erfolg beschritten: ob
und inwieweit sie die anderen lateinischen Länder für reif hält, ist das Geheimnis
des Großorients Paris. Die Sympathien, denen sie in den Logen dieser Länder
begegnet, sind starke und una/heuchelte. Eben aus dieser, in der Gemeinschaft
der politischen Ideale begründeten, gegenseitigen Sympathie erklärt sich die rück¬
haltlose Hingabe, mit der die große Majorität der italienischen Freimaurer in
den letzten Monaten der italienischen Neutralität den Direktiven des Großorients
Rom folgte. Fast die gesamte italienische Freimaurerei ist letzten Endes für den
Krieg an Seite der Ententemächte eingetreten, weil sie sich von diesem Krieg
eine wirksame Hilfe für das Land versprach, in dem sich das neuzeitliche lateinische
Freimaurer-Ideal am vorbildlichsten verkörpert.

Auf dem Gebiet der inneren Politik hat die Neigung zu politischer Be-
tätigung, die die Logen der lateinischen Gruppe charakterisiert, erhebliche Miß-
stände gezeitigt. Wie in Portugal, ist in Frankreich und Italien die Freimaurerei
zu einer Hilfsgesellschaft auf Gegenseitigkeit geworden, deren Mitglieder bemüht
sind, sich auf Kosten der Allgemeinheit entweder zu Macht oder zu Geld, wenn
möglich zu beidem zugleich, zu verhelfen.

Derselbe Geist politischer Fäulnis, den die Freimaurerei in den lateinischen
Ländern in das staatliche Leben getragen hat. ist in den ihr gehörenden Preß-
organen wirksam.

Es ist unschwer verstündlich, daß das Band, das die Freimaurereien der
lateinischen Gruppe mit jenen der anglogermanischen verknüpft, ein nur mehr loses
und traditionelles ist. An eine politische Interessengemeinschaft zwischen den
Angehörigen beider Gruppen ist nicht zu denken. Die grundsätzlichen Unterschiede
die die Mentalität sowie die Gesamtheit der Moral- und Kulturbegriffe der
lateinischen und der anglogermanischen Rasse aufweisen, machen ihre Wirkung mit
logischer Notwendigkeit auch innerhalb der Freimaurerei geltend, und zwar in
demselben Grad, als die Entartungserscheinungen, die die lateinische Rasse auf¬
weist, in der Zunahme begriffen sind.




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Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling

Tie politische Betätigung der Logen der französisch-italienischen Gruppe ver¬
folgt ausgesprochen radikale Ziele: ihr gilt als Ideal der Staatsform die Republik, als
Ideal des Staatsbürgers die atheistische Demokratie. Die französische Freimaurerei,
die in der Verwirklichung dieser Tendenzen im eigenen Lande bisher die. stärksten Er¬
folge erzielt hat. unterstützt mit zielbewußter Energie alle parallellaufenden Bewegungen
im Auslande. Als Organ der Vermittlung dient ihr hierbei die Zentralstelle der
Logen des Landes, in dem sie das Terrain für ihre Arbeit für hinreichend vor-
bereitet erachtet. In Portugal hat sie diesen Weg mit Erfolg beschritten: ob
und inwieweit sie die anderen lateinischen Länder für reif hält, ist das Geheimnis
des Großorients Paris. Die Sympathien, denen sie in den Logen dieser Länder
begegnet, sind starke und una/heuchelte. Eben aus dieser, in der Gemeinschaft
der politischen Ideale begründeten, gegenseitigen Sympathie erklärt sich die rück¬
haltlose Hingabe, mit der die große Majorität der italienischen Freimaurer in
den letzten Monaten der italienischen Neutralität den Direktiven des Großorients
Rom folgte. Fast die gesamte italienische Freimaurerei ist letzten Endes für den
Krieg an Seite der Ententemächte eingetreten, weil sie sich von diesem Krieg
eine wirksame Hilfe für das Land versprach, in dem sich das neuzeitliche lateinische
Freimaurer-Ideal am vorbildlichsten verkörpert.

Auf dem Gebiet der inneren Politik hat die Neigung zu politischer Be-
tätigung, die die Logen der lateinischen Gruppe charakterisiert, erhebliche Miß-
stände gezeitigt. Wie in Portugal, ist in Frankreich und Italien die Freimaurerei
zu einer Hilfsgesellschaft auf Gegenseitigkeit geworden, deren Mitglieder bemüht
sind, sich auf Kosten der Allgemeinheit entweder zu Macht oder zu Geld, wenn
möglich zu beidem zugleich, zu verhelfen.

Derselbe Geist politischer Fäulnis, den die Freimaurerei in den lateinischen
Ländern in das staatliche Leben getragen hat. ist in den ihr gehörenden Preß-
organen wirksam.

Es ist unschwer verstündlich, daß das Band, das die Freimaurereien der
lateinischen Gruppe mit jenen der anglogermanischen verknüpft, ein nur mehr loses
und traditionelles ist. An eine politische Interessengemeinschaft zwischen den
Angehörigen beider Gruppen ist nicht zu denken. Die grundsätzlichen Unterschiede
die die Mentalität sowie die Gesamtheit der Moral- und Kulturbegriffe der
lateinischen und der anglogermanischen Rasse aufweisen, machen ihre Wirkung mit
logischer Notwendigkeit auch innerhalb der Freimaurerei geltend, und zwar in
demselben Grad, als die Entartungserscheinungen, die die lateinische Rasse auf¬
weist, in der Zunahme begriffen sind.




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[0353] Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling Tie politische Betätigung der Logen der französisch-italienischen Gruppe ver¬ folgt ausgesprochen radikale Ziele: ihr gilt als Ideal der Staatsform die Republik, als Ideal des Staatsbürgers die atheistische Demokratie. Die französische Freimaurerei, die in der Verwirklichung dieser Tendenzen im eigenen Lande bisher die. stärksten Er¬ folge erzielt hat. unterstützt mit zielbewußter Energie alle parallellaufenden Bewegungen im Auslande. Als Organ der Vermittlung dient ihr hierbei die Zentralstelle der Logen des Landes, in dem sie das Terrain für ihre Arbeit für hinreichend vor- bereitet erachtet. In Portugal hat sie diesen Weg mit Erfolg beschritten: ob und inwieweit sie die anderen lateinischen Länder für reif hält, ist das Geheimnis des Großorients Paris. Die Sympathien, denen sie in den Logen dieser Länder begegnet, sind starke und una/heuchelte. Eben aus dieser, in der Gemeinschaft der politischen Ideale begründeten, gegenseitigen Sympathie erklärt sich die rück¬ haltlose Hingabe, mit der die große Majorität der italienischen Freimaurer in den letzten Monaten der italienischen Neutralität den Direktiven des Großorients Rom folgte. Fast die gesamte italienische Freimaurerei ist letzten Endes für den Krieg an Seite der Ententemächte eingetreten, weil sie sich von diesem Krieg eine wirksame Hilfe für das Land versprach, in dem sich das neuzeitliche lateinische Freimaurer-Ideal am vorbildlichsten verkörpert. Auf dem Gebiet der inneren Politik hat die Neigung zu politischer Be- tätigung, die die Logen der lateinischen Gruppe charakterisiert, erhebliche Miß- stände gezeitigt. Wie in Portugal, ist in Frankreich und Italien die Freimaurerei zu einer Hilfsgesellschaft auf Gegenseitigkeit geworden, deren Mitglieder bemüht sind, sich auf Kosten der Allgemeinheit entweder zu Macht oder zu Geld, wenn möglich zu beidem zugleich, zu verhelfen. Derselbe Geist politischer Fäulnis, den die Freimaurerei in den lateinischen Ländern in das staatliche Leben getragen hat. ist in den ihr gehörenden Preß- organen wirksam. Es ist unschwer verstündlich, daß das Band, das die Freimaurereien der lateinischen Gruppe mit jenen der anglogermanischen verknüpft, ein nur mehr loses und traditionelles ist. An eine politische Interessengemeinschaft zwischen den Angehörigen beider Gruppen ist nicht zu denken. Die grundsätzlichen Unterschiede die die Mentalität sowie die Gesamtheit der Moral- und Kulturbegriffe der lateinischen und der anglogermanischen Rasse aufweisen, machen ihre Wirkung mit logischer Notwendigkeit auch innerhalb der Freimaurerei geltend, und zwar in demselben Grad, als die Entartungserscheinungen, die die lateinische Rasse auf¬ weist, in der Zunahme begriffen sind. 23*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/353>, abgerufen am 24.05.2024.