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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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heute erheblich weniger radikal als die Massen. Sie befinden sich eben schon auf
dem Anmarsch zum Ministersessel, und ihre Partei ist durch das Aufwachsen immer
neuer Parteikorallenbänke weiter links sehr gegen ihren Willen zu einer Art von
Mittelpartei geworden.

Der rechte Flügel der Unabhängigen ist pazifistisch, während der linke
Flügel für revolutionäre Propaganda im Innern wie gegen das Ausland zu
haben ist. Die Radikalisierung der Massen gegen den Willen der offiziellen Führer
ist so stark, daß heute wohl schon die Mehrheit der Industriearbeiter von Groß-
Berlin links von den Unabhängigen steht, ohne daß sie es gewissermassen bereits
durch Wahlen ausgesprochen oder festgelegt hätte. Ihrer hat sich die Kommu¬
nistische Partei bemächtigt oder vielmehr die beiden Kommunistischen Parteien,
die sich in der vorigen Woche brüderlich gespalten haben.

Wirtschaftspolitisch sind die verschiedenen Nahmen der Parteien dadurch
gegeben, daß Mehrheitssozialisten und Unabhängige in den Gewerkschaften ihren
Schwerpunkt sehen. Dagegen -rekrutiert die Kommunistische Partei ihre Führer
und Unterführer aus den revolutionären Betriebsräten, die natürlich nicht ver¬
wechselt werden dürfen mit den gesetzmäßigen Betriebsräten. Die Gewerkschaften
bilden heute ein Bindeglied zwischen S. P. D. und U. S, P. D,, da ihr starker
unabhängiger Flügel die Aussichtslosigkeit einer verfassungsfeindlichen Politik ein¬
sieht. Vor allem aber erregte der Gegensatz zu den kommunistischen Betriebs¬
räten die Gewerkschaften. Wer die gegenwärtigen Zustände grundsätzlich von links
her verneint, steht hinter den Betriebsräten. Nur ein kleiner Teil dieser Leute
ist politisch wirklich handlungsfähig. Die meisten laufen mit den lautesten
SchreKrn mit.

Wie uns kürzlich ein zurzeit inaktiver sozialistischer Staatsmann sagte:
"90 Prozent der deutschen Arbeiter sind an sich durchaus vernünftige und ruhige
Lcuie. 9 Prozent sind Wirrköpfe oder durch die Ereignisse der letzten Jahre aus
dem Gleichgewicht geworfen, 1 Prozent sind Verbrecher und Narren, aber dieses
eine Prozent terrorisiert die 9 Prozent und die 10 Prozent zusammen die übrigen
90." Man könnte dies- Staffel leicht weiterführen: Und alle 100 Prozent zu¬
sammen versuchen das Bürgertum einzuschüchtern. Die Kraft der energischen
Minderheit tritt augenfällig in Erscheinung.

Das Organ der Kommunistischen Partei (K. P. D.) ist die seit einiger
Zeit wieder erscheinende "Rote Fahne". Sie dauernd zu lesen ist für einen
Denkenden physisch kaum möglich, da auch das höchste Pathos der Rsvolutions-
Begeisterung keine Heringsware ist, die man einpökelt auf viele Jahre. Das fort¬
währende überhitzte Predigen des Generalstreiks hat schließlich doch zur Folge,
daß der Leser gegen den Gedanken selbst abstumpft. Führer der Partei ist Levi,
der sich persönlich nach rechts entwickelt wie die Führer der Unabhängigen Sozial-
demokratie. Er und sein Kreis erklären sich ebenso wie seinerzeit Liebknecht
für den Parlamentarismus. Ein Teil der Kommunisten aber betrachtet den
Parlamentarismus als einen Abfall vom echten Spartakusgeist. Infolgedessen
hat sich die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (K. A. P. D.)
vor einigen Tagen abgespalten und selbständig gemacht. Sie predigt die Propa¬
ganda der Tat. Zwischen der K. P. D. und dem linken Flügel der Unabhängigen
verwischen sich infolge dieses Aufsteigens einer noch weiter links stehenden Partei
die Gegensätze mehr und mehr.

Die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (K. A. P. D.) richtet sich
unter Verwerfung aller parlamentarischen Entwicklungsmöglichkeiten auf das schöne
Schlagwort der Weltrevolution ein. Sie fühlt sich als die einzige getreue Erbin
des Marxismus. In Wirklichkeit sind alle vier bisher genannten Parteien
Marx-orthodox.

Die Stärke dieser bolschewistischen Arbeiterpartei liegt zurzeit in Hamburg
und in Berlin. In dieser Bewegung wird wohl wieder eine wichtige Rolle
spielen der aus der Festungshaft entlassene Lausfenberg, der früher Führer der
Linksradikalen in Hamburg war und eine Art Nationalbolschewismus vertritt.


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heute erheblich weniger radikal als die Massen. Sie befinden sich eben schon auf
dem Anmarsch zum Ministersessel, und ihre Partei ist durch das Aufwachsen immer
neuer Parteikorallenbänke weiter links sehr gegen ihren Willen zu einer Art von
Mittelpartei geworden.

Der rechte Flügel der Unabhängigen ist pazifistisch, während der linke
Flügel für revolutionäre Propaganda im Innern wie gegen das Ausland zu
haben ist. Die Radikalisierung der Massen gegen den Willen der offiziellen Führer
ist so stark, daß heute wohl schon die Mehrheit der Industriearbeiter von Groß-
Berlin links von den Unabhängigen steht, ohne daß sie es gewissermassen bereits
durch Wahlen ausgesprochen oder festgelegt hätte. Ihrer hat sich die Kommu¬
nistische Partei bemächtigt oder vielmehr die beiden Kommunistischen Parteien,
die sich in der vorigen Woche brüderlich gespalten haben.

Wirtschaftspolitisch sind die verschiedenen Nahmen der Parteien dadurch
gegeben, daß Mehrheitssozialisten und Unabhängige in den Gewerkschaften ihren
Schwerpunkt sehen. Dagegen -rekrutiert die Kommunistische Partei ihre Führer
und Unterführer aus den revolutionären Betriebsräten, die natürlich nicht ver¬
wechselt werden dürfen mit den gesetzmäßigen Betriebsräten. Die Gewerkschaften
bilden heute ein Bindeglied zwischen S. P. D. und U. S, P. D,, da ihr starker
unabhängiger Flügel die Aussichtslosigkeit einer verfassungsfeindlichen Politik ein¬
sieht. Vor allem aber erregte der Gegensatz zu den kommunistischen Betriebs¬
räten die Gewerkschaften. Wer die gegenwärtigen Zustände grundsätzlich von links
her verneint, steht hinter den Betriebsräten. Nur ein kleiner Teil dieser Leute
ist politisch wirklich handlungsfähig. Die meisten laufen mit den lautesten
SchreKrn mit.

Wie uns kürzlich ein zurzeit inaktiver sozialistischer Staatsmann sagte:
„90 Prozent der deutschen Arbeiter sind an sich durchaus vernünftige und ruhige
Lcuie. 9 Prozent sind Wirrköpfe oder durch die Ereignisse der letzten Jahre aus
dem Gleichgewicht geworfen, 1 Prozent sind Verbrecher und Narren, aber dieses
eine Prozent terrorisiert die 9 Prozent und die 10 Prozent zusammen die übrigen
90." Man könnte dies- Staffel leicht weiterführen: Und alle 100 Prozent zu¬
sammen versuchen das Bürgertum einzuschüchtern. Die Kraft der energischen
Minderheit tritt augenfällig in Erscheinung.

Das Organ der Kommunistischen Partei (K. P. D.) ist die seit einiger
Zeit wieder erscheinende „Rote Fahne". Sie dauernd zu lesen ist für einen
Denkenden physisch kaum möglich, da auch das höchste Pathos der Rsvolutions-
Begeisterung keine Heringsware ist, die man einpökelt auf viele Jahre. Das fort¬
währende überhitzte Predigen des Generalstreiks hat schließlich doch zur Folge,
daß der Leser gegen den Gedanken selbst abstumpft. Führer der Partei ist Levi,
der sich persönlich nach rechts entwickelt wie die Führer der Unabhängigen Sozial-
demokratie. Er und sein Kreis erklären sich ebenso wie seinerzeit Liebknecht
für den Parlamentarismus. Ein Teil der Kommunisten aber betrachtet den
Parlamentarismus als einen Abfall vom echten Spartakusgeist. Infolgedessen
hat sich die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (K. A. P. D.)
vor einigen Tagen abgespalten und selbständig gemacht. Sie predigt die Propa¬
ganda der Tat. Zwischen der K. P. D. und dem linken Flügel der Unabhängigen
verwischen sich infolge dieses Aufsteigens einer noch weiter links stehenden Partei
die Gegensätze mehr und mehr.

Die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (K. A. P. D.) richtet sich
unter Verwerfung aller parlamentarischen Entwicklungsmöglichkeiten auf das schöne
Schlagwort der Weltrevolution ein. Sie fühlt sich als die einzige getreue Erbin
des Marxismus. In Wirklichkeit sind alle vier bisher genannten Parteien
Marx-orthodox.

Die Stärke dieser bolschewistischen Arbeiterpartei liegt zurzeit in Hamburg
und in Berlin. In dieser Bewegung wird wohl wieder eine wichtige Rolle
spielen der aus der Festungshaft entlassene Lausfenberg, der früher Führer der
Linksradikalen in Hamburg war und eine Art Nationalbolschewismus vertritt.


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[0066] Reichsspiegel heute erheblich weniger radikal als die Massen. Sie befinden sich eben schon auf dem Anmarsch zum Ministersessel, und ihre Partei ist durch das Aufwachsen immer neuer Parteikorallenbänke weiter links sehr gegen ihren Willen zu einer Art von Mittelpartei geworden. Der rechte Flügel der Unabhängigen ist pazifistisch, während der linke Flügel für revolutionäre Propaganda im Innern wie gegen das Ausland zu haben ist. Die Radikalisierung der Massen gegen den Willen der offiziellen Führer ist so stark, daß heute wohl schon die Mehrheit der Industriearbeiter von Groß- Berlin links von den Unabhängigen steht, ohne daß sie es gewissermassen bereits durch Wahlen ausgesprochen oder festgelegt hätte. Ihrer hat sich die Kommu¬ nistische Partei bemächtigt oder vielmehr die beiden Kommunistischen Parteien, die sich in der vorigen Woche brüderlich gespalten haben. Wirtschaftspolitisch sind die verschiedenen Nahmen der Parteien dadurch gegeben, daß Mehrheitssozialisten und Unabhängige in den Gewerkschaften ihren Schwerpunkt sehen. Dagegen -rekrutiert die Kommunistische Partei ihre Führer und Unterführer aus den revolutionären Betriebsräten, die natürlich nicht ver¬ wechselt werden dürfen mit den gesetzmäßigen Betriebsräten. Die Gewerkschaften bilden heute ein Bindeglied zwischen S. P. D. und U. S, P. D,, da ihr starker unabhängiger Flügel die Aussichtslosigkeit einer verfassungsfeindlichen Politik ein¬ sieht. Vor allem aber erregte der Gegensatz zu den kommunistischen Betriebs¬ räten die Gewerkschaften. Wer die gegenwärtigen Zustände grundsätzlich von links her verneint, steht hinter den Betriebsräten. Nur ein kleiner Teil dieser Leute ist politisch wirklich handlungsfähig. Die meisten laufen mit den lautesten SchreKrn mit. Wie uns kürzlich ein zurzeit inaktiver sozialistischer Staatsmann sagte: „90 Prozent der deutschen Arbeiter sind an sich durchaus vernünftige und ruhige Lcuie. 9 Prozent sind Wirrköpfe oder durch die Ereignisse der letzten Jahre aus dem Gleichgewicht geworfen, 1 Prozent sind Verbrecher und Narren, aber dieses eine Prozent terrorisiert die 9 Prozent und die 10 Prozent zusammen die übrigen 90." Man könnte dies- Staffel leicht weiterführen: Und alle 100 Prozent zu¬ sammen versuchen das Bürgertum einzuschüchtern. Die Kraft der energischen Minderheit tritt augenfällig in Erscheinung. Das Organ der Kommunistischen Partei (K. P. D.) ist die seit einiger Zeit wieder erscheinende „Rote Fahne". Sie dauernd zu lesen ist für einen Denkenden physisch kaum möglich, da auch das höchste Pathos der Rsvolutions- Begeisterung keine Heringsware ist, die man einpökelt auf viele Jahre. Das fort¬ währende überhitzte Predigen des Generalstreiks hat schließlich doch zur Folge, daß der Leser gegen den Gedanken selbst abstumpft. Führer der Partei ist Levi, der sich persönlich nach rechts entwickelt wie die Führer der Unabhängigen Sozial- demokratie. Er und sein Kreis erklären sich ebenso wie seinerzeit Liebknecht für den Parlamentarismus. Ein Teil der Kommunisten aber betrachtet den Parlamentarismus als einen Abfall vom echten Spartakusgeist. Infolgedessen hat sich die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (K. A. P. D.) vor einigen Tagen abgespalten und selbständig gemacht. Sie predigt die Propa¬ ganda der Tat. Zwischen der K. P. D. und dem linken Flügel der Unabhängigen verwischen sich infolge dieses Aufsteigens einer noch weiter links stehenden Partei die Gegensätze mehr und mehr. Die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (K. A. P. D.) richtet sich unter Verwerfung aller parlamentarischen Entwicklungsmöglichkeiten auf das schöne Schlagwort der Weltrevolution ein. Sie fühlt sich als die einzige getreue Erbin des Marxismus. In Wirklichkeit sind alle vier bisher genannten Parteien Marx-orthodox. Die Stärke dieser bolschewistischen Arbeiterpartei liegt zurzeit in Hamburg und in Berlin. In dieser Bewegung wird wohl wieder eine wichtige Rolle spielen der aus der Festungshaft entlassene Lausfenberg, der früher Führer der Linksradikalen in Hamburg war und eine Art Nationalbolschewismus vertritt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/66>, abgerufen am 17.06.2024.