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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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dich Wir auf den Machtgcdanken zur See entschlossen verzichten. Wenn wir dafür
im Innern dem demokratischen Gedanken zum Siege verhelfen, so fällt jeder Grund
zum Mißtrauen gegen Deutschland bei unseren Feinden weg. Unser einziges Kriegs¬
ziel muß sein, den russischen Zarismus zu zertrümmern. Freilich macht mir das
Kriegsziel gegen Osten schlaflose Nächte. Wir können doch Polen nicht befreien!
Die frühere polenfreundliche Politik unserer demokratischen Presse bedeutet eine
gewisse Verlegenheit, und mit Schrecken sehe ich als Ostmcirker, wie meine Fraktions-
kollcgen aus dem Westen und Süden nicht das mindeste Verständnis für die Gefahr
einer Auflösung des russischen Reiches zu haben scheinen. .Ich darf diese Gefahr
auch nicht zu sehr betonen, sonst verliere ich meinen ganzen Einfluß in der Partei
und störe die notwendige Einheitlichkeit und Stoßkraft zur Erlangung unserer
inneren Kriegsziele.

Weihnachten 1315. Unsere Lage nach außen ist besser, als es den Anschein
hat. Der immer wiederholte vergebliche Anprall der Feinde wird sie zur Vernunft
bringen, und länger als bis zum Herbst 1916 hält es finanziell und moralisch keiner
der Kriegführenden aus. Mehr Sorge macht mir die innere Lage. Die fabelhafte
Kraft und Gesundheit unseres Volkskörpers, die unerschöpflichen Leistungen unserer
Wirtschaft und das Ansehen der militaristischen Kreise infolge der letzten Siege und
den unbestreitbaren Überlegenheit des deutschen Heeres über alle feindlichen Heere
laß? die Notwendigkeit gründlicher Reformen im Innern dem breiten Volksbewußt¬
sein immer noch nicht deutlich genug werden.

Weihnachten 191K. Das Friedensangebot im Zusammenhang mit der Polen¬
befreiung ist ein moralischer Sieg, der schwerer wiegt, als unsere so fruchtlosen
Siege auf den? Schlachtfeld. Einerlei, ob das Friedensangebot angenommen wird
oder nicht, so hat Deutschland doch jetzt moralisch die Führung des Weltgewissens
übernommen. Ich habe meine Bedenken gegen die Polenbefreiung niedergekämpft
und finde das Bedauern von U. über die versäumte Möglichkeit eines Sonder¬
friedens mit dem Zaren recht charakteristisch für diese Kreise, die offenbar eine Ver¬
ewigung des zaristischen Regimes in Rußland mit Rücksicht auf ihre eigene Macht¬
stellung in Preußen ersehnen. Die Zukunft der Welt kann nur darin liegen, daß
die beiden stärksten und aufgeklärtesten Völker, Deutschland und England, gemeinsam
führen. Das dekadente Frankreich und der vom Zarenjoch befreite Osten werden
uns dann nie mehr gefährlich werden. Meine kürzliche Reise nach der Schweiz war
eine währe Befreiung für mich. Endlich einmal wieder aus der Kriegspsychose
heraus, sich als Europäer zu fühlen und mit edlen Menschen aus den feindlichen
Staaten Blick und Händedruck zu tauschen! Der Amerikaner D. wie der Eng¬
länder M. waren merkwürdig einig in dem Vorwurf, daß die deutsche Demokratie
es sich zu geduldig gefallen ließe, von der Regierung ausgeschlossen zu bleiben. Sie
meinten, wir müßten den Vcrständigungssrieden nach außen durch entschlossenen
Kampf und Sieg im Innern erringen. Ich sehe jetzt ganz klar, daß wir einen
guten Frieden nur erreichen, wenn Deutschland sich rot oder mindestens rosa um¬
färbt. Die Demokratisierung Deutschlands wird damit zum wichtigsten, auch außen¬
politischen Kriegsziel. Ich werde im nächsten Jahr meine ganze Kraft daran setzen,
die Demobilisierung der Geister in Deutschland zu betreiben, die verrückt gewordene
Kncgsleidenschast zu dämpfen und Männer und Ideen an die Spitze der Nation
zu bringen, die das Vertrauen des Auslandes genießen. Die Mitteilungen meiner
ausländischen Freunde haben mir den moralischen Rückhalt gegeben, den ich brauchte,
und ich schäme mich jetzt meiner schwache, daß ich, im Wahn, während des Krieges
die inneren Kämpfe zurückstellen zu müssen, so lange zu dem Unrecht geschwiegen
habe, daß man uns von der Negierung fernhält,

Weihnachten 1917. Das einzig erfreuliche Ereignis dieses schweren Jahres
war unsere Friedensresolution. Man kann gegen Erzberger sagen, was man will,
er hat doch weit mehr auswärtige Politik in den Fingerspitzen, als die ganze alte
Schule. Leider ist die Wirkung unserer befreienden Tat durch das nervöse Gekreisch


dich Wir auf den Machtgcdanken zur See entschlossen verzichten. Wenn wir dafür
im Innern dem demokratischen Gedanken zum Siege verhelfen, so fällt jeder Grund
zum Mißtrauen gegen Deutschland bei unseren Feinden weg. Unser einziges Kriegs¬
ziel muß sein, den russischen Zarismus zu zertrümmern. Freilich macht mir das
Kriegsziel gegen Osten schlaflose Nächte. Wir können doch Polen nicht befreien!
Die frühere polenfreundliche Politik unserer demokratischen Presse bedeutet eine
gewisse Verlegenheit, und mit Schrecken sehe ich als Ostmcirker, wie meine Fraktions-
kollcgen aus dem Westen und Süden nicht das mindeste Verständnis für die Gefahr
einer Auflösung des russischen Reiches zu haben scheinen. .Ich darf diese Gefahr
auch nicht zu sehr betonen, sonst verliere ich meinen ganzen Einfluß in der Partei
und störe die notwendige Einheitlichkeit und Stoßkraft zur Erlangung unserer
inneren Kriegsziele.

Weihnachten 1315. Unsere Lage nach außen ist besser, als es den Anschein
hat. Der immer wiederholte vergebliche Anprall der Feinde wird sie zur Vernunft
bringen, und länger als bis zum Herbst 1916 hält es finanziell und moralisch keiner
der Kriegführenden aus. Mehr Sorge macht mir die innere Lage. Die fabelhafte
Kraft und Gesundheit unseres Volkskörpers, die unerschöpflichen Leistungen unserer
Wirtschaft und das Ansehen der militaristischen Kreise infolge der letzten Siege und
den unbestreitbaren Überlegenheit des deutschen Heeres über alle feindlichen Heere
laß? die Notwendigkeit gründlicher Reformen im Innern dem breiten Volksbewußt¬
sein immer noch nicht deutlich genug werden.

Weihnachten 191K. Das Friedensangebot im Zusammenhang mit der Polen¬
befreiung ist ein moralischer Sieg, der schwerer wiegt, als unsere so fruchtlosen
Siege auf den? Schlachtfeld. Einerlei, ob das Friedensangebot angenommen wird
oder nicht, so hat Deutschland doch jetzt moralisch die Führung des Weltgewissens
übernommen. Ich habe meine Bedenken gegen die Polenbefreiung niedergekämpft
und finde das Bedauern von U. über die versäumte Möglichkeit eines Sonder¬
friedens mit dem Zaren recht charakteristisch für diese Kreise, die offenbar eine Ver¬
ewigung des zaristischen Regimes in Rußland mit Rücksicht auf ihre eigene Macht¬
stellung in Preußen ersehnen. Die Zukunft der Welt kann nur darin liegen, daß
die beiden stärksten und aufgeklärtesten Völker, Deutschland und England, gemeinsam
führen. Das dekadente Frankreich und der vom Zarenjoch befreite Osten werden
uns dann nie mehr gefährlich werden. Meine kürzliche Reise nach der Schweiz war
eine währe Befreiung für mich. Endlich einmal wieder aus der Kriegspsychose
heraus, sich als Europäer zu fühlen und mit edlen Menschen aus den feindlichen
Staaten Blick und Händedruck zu tauschen! Der Amerikaner D. wie der Eng¬
länder M. waren merkwürdig einig in dem Vorwurf, daß die deutsche Demokratie
es sich zu geduldig gefallen ließe, von der Regierung ausgeschlossen zu bleiben. Sie
meinten, wir müßten den Vcrständigungssrieden nach außen durch entschlossenen
Kampf und Sieg im Innern erringen. Ich sehe jetzt ganz klar, daß wir einen
guten Frieden nur erreichen, wenn Deutschland sich rot oder mindestens rosa um¬
färbt. Die Demokratisierung Deutschlands wird damit zum wichtigsten, auch außen¬
politischen Kriegsziel. Ich werde im nächsten Jahr meine ganze Kraft daran setzen,
die Demobilisierung der Geister in Deutschland zu betreiben, die verrückt gewordene
Kncgsleidenschast zu dämpfen und Männer und Ideen an die Spitze der Nation
zu bringen, die das Vertrauen des Auslandes genießen. Die Mitteilungen meiner
ausländischen Freunde haben mir den moralischen Rückhalt gegeben, den ich brauchte,
und ich schäme mich jetzt meiner schwache, daß ich, im Wahn, während des Krieges
die inneren Kämpfe zurückstellen zu müssen, so lange zu dem Unrecht geschwiegen
habe, daß man uns von der Negierung fernhält,

Weihnachten 1917. Das einzig erfreuliche Ereignis dieses schweren Jahres
war unsere Friedensresolution. Man kann gegen Erzberger sagen, was man will,
er hat doch weit mehr auswärtige Politik in den Fingerspitzen, als die ganze alte
Schule. Leider ist die Wirkung unserer befreienden Tat durch das nervöse Gekreisch


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[0394] dich Wir auf den Machtgcdanken zur See entschlossen verzichten. Wenn wir dafür im Innern dem demokratischen Gedanken zum Siege verhelfen, so fällt jeder Grund zum Mißtrauen gegen Deutschland bei unseren Feinden weg. Unser einziges Kriegs¬ ziel muß sein, den russischen Zarismus zu zertrümmern. Freilich macht mir das Kriegsziel gegen Osten schlaflose Nächte. Wir können doch Polen nicht befreien! Die frühere polenfreundliche Politik unserer demokratischen Presse bedeutet eine gewisse Verlegenheit, und mit Schrecken sehe ich als Ostmcirker, wie meine Fraktions- kollcgen aus dem Westen und Süden nicht das mindeste Verständnis für die Gefahr einer Auflösung des russischen Reiches zu haben scheinen. .Ich darf diese Gefahr auch nicht zu sehr betonen, sonst verliere ich meinen ganzen Einfluß in der Partei und störe die notwendige Einheitlichkeit und Stoßkraft zur Erlangung unserer inneren Kriegsziele. Weihnachten 1315. Unsere Lage nach außen ist besser, als es den Anschein hat. Der immer wiederholte vergebliche Anprall der Feinde wird sie zur Vernunft bringen, und länger als bis zum Herbst 1916 hält es finanziell und moralisch keiner der Kriegführenden aus. Mehr Sorge macht mir die innere Lage. Die fabelhafte Kraft und Gesundheit unseres Volkskörpers, die unerschöpflichen Leistungen unserer Wirtschaft und das Ansehen der militaristischen Kreise infolge der letzten Siege und den unbestreitbaren Überlegenheit des deutschen Heeres über alle feindlichen Heere laß? die Notwendigkeit gründlicher Reformen im Innern dem breiten Volksbewußt¬ sein immer noch nicht deutlich genug werden. Weihnachten 191K. Das Friedensangebot im Zusammenhang mit der Polen¬ befreiung ist ein moralischer Sieg, der schwerer wiegt, als unsere so fruchtlosen Siege auf den? Schlachtfeld. Einerlei, ob das Friedensangebot angenommen wird oder nicht, so hat Deutschland doch jetzt moralisch die Führung des Weltgewissens übernommen. Ich habe meine Bedenken gegen die Polenbefreiung niedergekämpft und finde das Bedauern von U. über die versäumte Möglichkeit eines Sonder¬ friedens mit dem Zaren recht charakteristisch für diese Kreise, die offenbar eine Ver¬ ewigung des zaristischen Regimes in Rußland mit Rücksicht auf ihre eigene Macht¬ stellung in Preußen ersehnen. Die Zukunft der Welt kann nur darin liegen, daß die beiden stärksten und aufgeklärtesten Völker, Deutschland und England, gemeinsam führen. Das dekadente Frankreich und der vom Zarenjoch befreite Osten werden uns dann nie mehr gefährlich werden. Meine kürzliche Reise nach der Schweiz war eine währe Befreiung für mich. Endlich einmal wieder aus der Kriegspsychose heraus, sich als Europäer zu fühlen und mit edlen Menschen aus den feindlichen Staaten Blick und Händedruck zu tauschen! Der Amerikaner D. wie der Eng¬ länder M. waren merkwürdig einig in dem Vorwurf, daß die deutsche Demokratie es sich zu geduldig gefallen ließe, von der Regierung ausgeschlossen zu bleiben. Sie meinten, wir müßten den Vcrständigungssrieden nach außen durch entschlossenen Kampf und Sieg im Innern erringen. Ich sehe jetzt ganz klar, daß wir einen guten Frieden nur erreichen, wenn Deutschland sich rot oder mindestens rosa um¬ färbt. Die Demokratisierung Deutschlands wird damit zum wichtigsten, auch außen¬ politischen Kriegsziel. Ich werde im nächsten Jahr meine ganze Kraft daran setzen, die Demobilisierung der Geister in Deutschland zu betreiben, die verrückt gewordene Kncgsleidenschast zu dämpfen und Männer und Ideen an die Spitze der Nation zu bringen, die das Vertrauen des Auslandes genießen. Die Mitteilungen meiner ausländischen Freunde haben mir den moralischen Rückhalt gegeben, den ich brauchte, und ich schäme mich jetzt meiner schwache, daß ich, im Wahn, während des Krieges die inneren Kämpfe zurückstellen zu müssen, so lange zu dem Unrecht geschwiegen habe, daß man uns von der Negierung fernhält, Weihnachten 1917. Das einzig erfreuliche Ereignis dieses schweren Jahres war unsere Friedensresolution. Man kann gegen Erzberger sagen, was man will, er hat doch weit mehr auswärtige Politik in den Fingerspitzen, als die ganze alte Schule. Leider ist die Wirkung unserer befreienden Tat durch das nervöse Gekreisch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/394>, abgerufen am 22.05.2024.