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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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von uns aufgenommen und dann auf halbem Wege liegen gelassen worden ist.
Selbst aus diesem kümmerlichen Bestandstück unserer Friedenspolitik ist von deren
Verantwortlicher Trägern nicht entfernt das gemacht worden, was sich daraus
von minder dürren Händen hätte machen lassen. Es war ein gesunder Instinkt
in den linksradikalen Massen, wenn sie die Hoffnung auf den liberalen Westen
früher und entschiedener fallen ließen als die formal demokratische Julimehrheit
unter der Führung von Erzberger und Scheidemann. Es ist aber nicht zu ver¬
kennen, daß die Linksradikalen alsbald demselben impotenten Wunderglauben ver¬
fielen. Ihre Ostorientierung krankte an derselben pazifistischen Unentschlossenheit
wie die Westorientierung der faulen Mitte. Der Götze Wilson ist durch den
Götzen Lenin abgelöst. Daß eine deutsche Politik jedoch um Lenin ebenso ringen
müsse wie um Wilson, wenn für unsere Politik ein ersprießlicher Gewinnst erzielt
werden soll, das ist der Linken genau so wenig klar geworden, wie der westlerischen
Mitte. Daß Anschluß an Moskau ein leeres Wort sei, wenn es nicht als eine
primär deutsche Aufgabe begriffen würde, bleibt unseren Lenin-Trabanten völlig
verborgen. Am ehesten ist noch der K.. A. P. D. um Lauffenberg und Wolfheim
die militaristische Konsequenz dieses Schrittes klar geworden. In diesen Kreisen
scheint auch die Ahnung aufgedämmert zu sein, welch ungeheure Aufgaben sich für
den deutschen Kommunismus innerpolitisch wie auch außenpolitisch aus dem
völligen Versagen der bolschewistischen Wirtschaftsexperimente ergeben müßten.
Die K. P. D. benutzte zwar den AntiPazifismus als innerpolitische Kampsparole
gegen die Unabhängigen, ganz ebenso wie die Unabhängigen dieselbe Waffe gegen
die Mehrheitssozialisten richteten. In beiden Fällen wurde jedoch dieser Militaris¬
mus lediglich als Problem des inneren KvoeK-out für Fragen des entschlossenen
Bürgerkrieges aufgefaßt. Daß entschlossene Ostorientierung den Verzweiflungs¬
kampf zweier verelendeten und besiegten Völker am Rhein gegen die ungebrochene,
technisch gewaltig überlegene Armee der Entente bedeute, daß eine Aufrichtung
der neuen Westfront mit dem gleichzeitigen Bürgerkrieg im Innern unvereinbar
sei, wurde bis ganz weit nach links von den revolutionären Demagogen den
Massen gegenüber hinter der Illusion einer Weltrevolution verschleiert, die an
den inneren Zuständen Frankreichs und Englands völlig vorbeisah.

Die kümmerlichste Rolle spielte dabei die Unabhängige Sozialdemokratie.
Das demagogische Spiel nahm hier seine frivolste Form an, die Entschlußlosigkeit
und moralische Feigheit trieb hier ihre widerlichsten Blüten. Den Masseninstinkten
nuche nährte die unabhängige Presse die handgreiflichsten Illusionen über den tat-
ächlichen inneren Zustand Rußlands. Massen von deutschen Arbeitern, die gut¬
gläubig nach Rußland auswanderten, haben diesen unerhörten Volksbetrug am
eignen Leibe büßen müssen. Aus rein parteipolitischer Rücksichten, wenn nicht gar
aus noch korrupteren Motiven, betrieb jedoch dieselbe Presse gleichzeitig eine
hündische Unterwerfungspolitik gegenüber der Entente und fiel der Regierung
jedesmal in den Rücken, wenn sie sich je einmal zu mannhafterem Auftreten
gegenüber den Brutalitäten namentlich des französischen Imperialismus entschloß.
Die Unabhängigen, diese faule Mitte der sozialistischen Linken, führten einen
skrupelloser wahltaktisch eingestellten Machtkampf gegen ihre nächsten Nachbarn
nach rechts und nach links und verrieten dabei abwechselnd den Osten an den
Westen, den Westen an den Osten und allemal das deutsche Volk und das deutsche
Proletariat zugleich. Der Judaslohn wurde der U. S. P. D. in ihrem Augenblicks¬
erfolg bei den Neichstagswahlen zuteil, freilich nicht in dem Maße, wie es von
mancher Seite erwartet worden war. Die nächste Folge war ein Verrat am
Sozialismus insofern, als die Unabhängigen die Rückkehr der Mehrheitssozialisten
in die Regierung verhinderten. Die Rache kam im Zusammenhang mit den außen¬
politischen Ereignissen. Der Bolschewismus nützte die militärischen Erfolge gegen
Polen taktisch zu einem weit ausholenden Wurfe in seiner Politik der Dritten
Internationale aus. Er versuchte es, seine Weltherrschaft auf den rocker 6e
bronxe einer schrankenlosen zentralistischen Diktatur zu stabilieren. Die U. S. P. D.,
diese Partei der verantwortungslosen Lauheit in Reinkultur, merkte, daß hier


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von uns aufgenommen und dann auf halbem Wege liegen gelassen worden ist.
Selbst aus diesem kümmerlichen Bestandstück unserer Friedenspolitik ist von deren
Verantwortlicher Trägern nicht entfernt das gemacht worden, was sich daraus
von minder dürren Händen hätte machen lassen. Es war ein gesunder Instinkt
in den linksradikalen Massen, wenn sie die Hoffnung auf den liberalen Westen
früher und entschiedener fallen ließen als die formal demokratische Julimehrheit
unter der Führung von Erzberger und Scheidemann. Es ist aber nicht zu ver¬
kennen, daß die Linksradikalen alsbald demselben impotenten Wunderglauben ver¬
fielen. Ihre Ostorientierung krankte an derselben pazifistischen Unentschlossenheit
wie die Westorientierung der faulen Mitte. Der Götze Wilson ist durch den
Götzen Lenin abgelöst. Daß eine deutsche Politik jedoch um Lenin ebenso ringen
müsse wie um Wilson, wenn für unsere Politik ein ersprießlicher Gewinnst erzielt
werden soll, das ist der Linken genau so wenig klar geworden, wie der westlerischen
Mitte. Daß Anschluß an Moskau ein leeres Wort sei, wenn es nicht als eine
primär deutsche Aufgabe begriffen würde, bleibt unseren Lenin-Trabanten völlig
verborgen. Am ehesten ist noch der K.. A. P. D. um Lauffenberg und Wolfheim
die militaristische Konsequenz dieses Schrittes klar geworden. In diesen Kreisen
scheint auch die Ahnung aufgedämmert zu sein, welch ungeheure Aufgaben sich für
den deutschen Kommunismus innerpolitisch wie auch außenpolitisch aus dem
völligen Versagen der bolschewistischen Wirtschaftsexperimente ergeben müßten.
Die K. P. D. benutzte zwar den AntiPazifismus als innerpolitische Kampsparole
gegen die Unabhängigen, ganz ebenso wie die Unabhängigen dieselbe Waffe gegen
die Mehrheitssozialisten richteten. In beiden Fällen wurde jedoch dieser Militaris¬
mus lediglich als Problem des inneren KvoeK-out für Fragen des entschlossenen
Bürgerkrieges aufgefaßt. Daß entschlossene Ostorientierung den Verzweiflungs¬
kampf zweier verelendeten und besiegten Völker am Rhein gegen die ungebrochene,
technisch gewaltig überlegene Armee der Entente bedeute, daß eine Aufrichtung
der neuen Westfront mit dem gleichzeitigen Bürgerkrieg im Innern unvereinbar
sei, wurde bis ganz weit nach links von den revolutionären Demagogen den
Massen gegenüber hinter der Illusion einer Weltrevolution verschleiert, die an
den inneren Zuständen Frankreichs und Englands völlig vorbeisah.

Die kümmerlichste Rolle spielte dabei die Unabhängige Sozialdemokratie.
Das demagogische Spiel nahm hier seine frivolste Form an, die Entschlußlosigkeit
und moralische Feigheit trieb hier ihre widerlichsten Blüten. Den Masseninstinkten
nuche nährte die unabhängige Presse die handgreiflichsten Illusionen über den tat-
ächlichen inneren Zustand Rußlands. Massen von deutschen Arbeitern, die gut¬
gläubig nach Rußland auswanderten, haben diesen unerhörten Volksbetrug am
eignen Leibe büßen müssen. Aus rein parteipolitischer Rücksichten, wenn nicht gar
aus noch korrupteren Motiven, betrieb jedoch dieselbe Presse gleichzeitig eine
hündische Unterwerfungspolitik gegenüber der Entente und fiel der Regierung
jedesmal in den Rücken, wenn sie sich je einmal zu mannhafterem Auftreten
gegenüber den Brutalitäten namentlich des französischen Imperialismus entschloß.
Die Unabhängigen, diese faule Mitte der sozialistischen Linken, führten einen
skrupelloser wahltaktisch eingestellten Machtkampf gegen ihre nächsten Nachbarn
nach rechts und nach links und verrieten dabei abwechselnd den Osten an den
Westen, den Westen an den Osten und allemal das deutsche Volk und das deutsche
Proletariat zugleich. Der Judaslohn wurde der U. S. P. D. in ihrem Augenblicks¬
erfolg bei den Neichstagswahlen zuteil, freilich nicht in dem Maße, wie es von
mancher Seite erwartet worden war. Die nächste Folge war ein Verrat am
Sozialismus insofern, als die Unabhängigen die Rückkehr der Mehrheitssozialisten
in die Regierung verhinderten. Die Rache kam im Zusammenhang mit den außen¬
politischen Ereignissen. Der Bolschewismus nützte die militärischen Erfolge gegen
Polen taktisch zu einem weit ausholenden Wurfe in seiner Politik der Dritten
Internationale aus. Er versuchte es, seine Weltherrschaft auf den rocker 6e
bronxe einer schrankenlosen zentralistischen Diktatur zu stabilieren. Die U. S. P. D.,
diese Partei der verantwortungslosen Lauheit in Reinkultur, merkte, daß hier


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[0093] Reichsspiegel von uns aufgenommen und dann auf halbem Wege liegen gelassen worden ist. Selbst aus diesem kümmerlichen Bestandstück unserer Friedenspolitik ist von deren Verantwortlicher Trägern nicht entfernt das gemacht worden, was sich daraus von minder dürren Händen hätte machen lassen. Es war ein gesunder Instinkt in den linksradikalen Massen, wenn sie die Hoffnung auf den liberalen Westen früher und entschiedener fallen ließen als die formal demokratische Julimehrheit unter der Führung von Erzberger und Scheidemann. Es ist aber nicht zu ver¬ kennen, daß die Linksradikalen alsbald demselben impotenten Wunderglauben ver¬ fielen. Ihre Ostorientierung krankte an derselben pazifistischen Unentschlossenheit wie die Westorientierung der faulen Mitte. Der Götze Wilson ist durch den Götzen Lenin abgelöst. Daß eine deutsche Politik jedoch um Lenin ebenso ringen müsse wie um Wilson, wenn für unsere Politik ein ersprießlicher Gewinnst erzielt werden soll, das ist der Linken genau so wenig klar geworden, wie der westlerischen Mitte. Daß Anschluß an Moskau ein leeres Wort sei, wenn es nicht als eine primär deutsche Aufgabe begriffen würde, bleibt unseren Lenin-Trabanten völlig verborgen. Am ehesten ist noch der K.. A. P. D. um Lauffenberg und Wolfheim die militaristische Konsequenz dieses Schrittes klar geworden. In diesen Kreisen scheint auch die Ahnung aufgedämmert zu sein, welch ungeheure Aufgaben sich für den deutschen Kommunismus innerpolitisch wie auch außenpolitisch aus dem völligen Versagen der bolschewistischen Wirtschaftsexperimente ergeben müßten. Die K. P. D. benutzte zwar den AntiPazifismus als innerpolitische Kampsparole gegen die Unabhängigen, ganz ebenso wie die Unabhängigen dieselbe Waffe gegen die Mehrheitssozialisten richteten. In beiden Fällen wurde jedoch dieser Militaris¬ mus lediglich als Problem des inneren KvoeK-out für Fragen des entschlossenen Bürgerkrieges aufgefaßt. Daß entschlossene Ostorientierung den Verzweiflungs¬ kampf zweier verelendeten und besiegten Völker am Rhein gegen die ungebrochene, technisch gewaltig überlegene Armee der Entente bedeute, daß eine Aufrichtung der neuen Westfront mit dem gleichzeitigen Bürgerkrieg im Innern unvereinbar sei, wurde bis ganz weit nach links von den revolutionären Demagogen den Massen gegenüber hinter der Illusion einer Weltrevolution verschleiert, die an den inneren Zuständen Frankreichs und Englands völlig vorbeisah. Die kümmerlichste Rolle spielte dabei die Unabhängige Sozialdemokratie. Das demagogische Spiel nahm hier seine frivolste Form an, die Entschlußlosigkeit und moralische Feigheit trieb hier ihre widerlichsten Blüten. Den Masseninstinkten nuche nährte die unabhängige Presse die handgreiflichsten Illusionen über den tat- ächlichen inneren Zustand Rußlands. Massen von deutschen Arbeitern, die gut¬ gläubig nach Rußland auswanderten, haben diesen unerhörten Volksbetrug am eignen Leibe büßen müssen. Aus rein parteipolitischer Rücksichten, wenn nicht gar aus noch korrupteren Motiven, betrieb jedoch dieselbe Presse gleichzeitig eine hündische Unterwerfungspolitik gegenüber der Entente und fiel der Regierung jedesmal in den Rücken, wenn sie sich je einmal zu mannhafterem Auftreten gegenüber den Brutalitäten namentlich des französischen Imperialismus entschloß. Die Unabhängigen, diese faule Mitte der sozialistischen Linken, führten einen skrupelloser wahltaktisch eingestellten Machtkampf gegen ihre nächsten Nachbarn nach rechts und nach links und verrieten dabei abwechselnd den Osten an den Westen, den Westen an den Osten und allemal das deutsche Volk und das deutsche Proletariat zugleich. Der Judaslohn wurde der U. S. P. D. in ihrem Augenblicks¬ erfolg bei den Neichstagswahlen zuteil, freilich nicht in dem Maße, wie es von mancher Seite erwartet worden war. Die nächste Folge war ein Verrat am Sozialismus insofern, als die Unabhängigen die Rückkehr der Mehrheitssozialisten in die Regierung verhinderten. Die Rache kam im Zusammenhang mit den außen¬ politischen Ereignissen. Der Bolschewismus nützte die militärischen Erfolge gegen Polen taktisch zu einem weit ausholenden Wurfe in seiner Politik der Dritten Internationale aus. Er versuchte es, seine Weltherrschaft auf den rocker 6e bronxe einer schrankenlosen zentralistischen Diktatur zu stabilieren. Die U. S. P. D., diese Partei der verantwortungslosen Lauheit in Reinkultur, merkte, daß hier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/93>, abgerufen am 29.05.2024.