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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

Maulspitzen nicht mehr helfe, daß gepfiffen werden müsse. Es reiste im Juli die
bekannte Abordnung nach Moskau, um wegen Aufnahme der Partei in die Dritte
Internationale zu verhandeln.

Nunmehr kam die Sache zum Klappen. Lenin konnte es wagen, die Form
der Aufnahme in die Dritte Internationale unter den Augen der anwesenden
deutschen Delegierten sogar noch zu verschärfen. Die wirtschaftliche Zerrüttung
Rußlands infolge der bolschewistischen Experimente war offenkundig. Selbst das
wissenschaftlich ausgemachte Werk, das Alfons Goldschmidt seinem sensationellen
Feuilleton ("Moskau 1920") folgen ließ, kann die Tatsache nicht verschleiern, daß
der Bolschewismus auf wirtschaftlichem Gebiete über hoffnungslose Anfänge Nicht
hinausgekommen ist. Die Reiseberichte, die Wilhelm Dittmann in der "Freiheit"
veröffentlichte, bestätigen -- im rein Tatsächlichen auch von seinen Gegnern
unwidersprochen -- was unvoreingenommene Kenner des neuen Rußland monate¬
lang tauben Ohren im deutschen Proletariat gepredigt hatten. Die Delegation
spaltete sich. Wenn sich Däumig und Stöcker gegen Dittmann und Crispien für
den Anschluß an Moskau erklärten, so ließen auch sie sich dabei nicht durch den
empirischen Befund, sondern durch den taktischen Gedanken der Proletarischen
Weltrevolution leiten. Sie fanden aber nicht den Mut, gegen den tatarischen
Despotismus der Leninschen Parteiverfassung, der die Autonomie der Landes-
arteien und vor allen Dingen das Recht selbständiger Führerwahl nahezu aufhob,
en deutschen Gedanken eines organischen Föderalismus zu setzen. Sie verschlossen
sich der Tatsache, daß in dieser Dritten Internationale der Zarismus eine Auf¬
erstehung von ungeheurer Spannweite erlebte. Aber auch die Gegner des An¬
schlusses setzten dagegen nicht etwa eine bodenständige sozialistische Idee, sondern
lediglich die leere Skepsis und den unschövserischen Nihilismus, aus denen die
Politik der Unabhängigen von je kam.

Die Delegation kam zurück. Der Kampf um den Anschluß entbrannte in
der Presse, und das Zentralorgan der Unabhängigen Partei, die "Freiheit", machte
sich zur Wortführerin der Änschlußgegner. An den literarischen Feldzug schloß
sich eine umfassende Agitation als Vorbereitung für den entscheidenden Parteitag
in Halle. Der Kampf drang in die breitesten Massen, da dem Parteitag Urwähler
vorangingen, in denen die Entscheidung bereits vorweggenommen werden sollte."

Nun ist in Halle die Entscheidung gefallen. Unter ven töricht schadenfrohen
Grinsen von Kassel her hat sich die Unabhängige Sozialdemokratie gespalten,
beide Numpfparteien führen in vollendeter Don-Quichoterie die scharfe Abgrenzung
sowohl nach links wie nach rechts weiter. Wir haben glücklich zwei USPD., von
denen jede die allein seligmachende und vor allem auch -- ein sehr wesentlicher
Punkt! -- die allein erbberechtigte gegenüber Parteikassen und Parteiblättern sein
will. Das große Wort auf diesem "deutschen" Parteitag führten Ausländer,
im übrigen überlassen wir es der Parteichronik des Sozialismus, das Maß an
geifernden Haß und schmutzigster Verleumdung wiederzugeben, das die feindlichen
Brüder in lieblichem Wettbewerb übereinander ergossen.

Wir verzeichnen nüchtern die Machteinbuße, die das klassenkämpferisch ver¬
rannte Proletariat durch die Zersetzung des sozialistischen Parteishstems erleidet.
Es ist jedoch keine reine Freude, die uns dabei erfüllt. Aufbauende Kraft kann
der soziale Gedanke nur entfalten, wenn er jenseits von parteimäßiger Verein¬
seitigung sich unmittelbar den Lebensfragen der Nation zuwendet. Eine Gesundung
der Nation ist aber ausgeschlossen, so lange sich die breiten Massen des arbeitenden
Volkes im aufpeitschenden Kampfe der Parteileidenschaften selbstmörderisch ver¬
zehren. Hinter dem Gerede von Kassel, dem Gezänk von Halle und selbst der
zaristischen Gebärde von Moskau lauert dieselbe intellektuelle Feigheit. Der
Götzendienst des marxistischen Dogmas bringt den sozialen Gedanken, der ein
Gedanke der Zeit ist, um feine besten Früchte. Der "Vorwärts" hat wieder
einmal etwas ausgeplaudert. Vielleicht kommt bald die Stunde, wo er auch
dies Wort so gern im Busen bewahren möchte, wie die Anerkennung der
monarchischen Grundgesinnung des größten Teils des deutschen Volkes, die ihm


Reichsspiegel

Maulspitzen nicht mehr helfe, daß gepfiffen werden müsse. Es reiste im Juli die
bekannte Abordnung nach Moskau, um wegen Aufnahme der Partei in die Dritte
Internationale zu verhandeln.

Nunmehr kam die Sache zum Klappen. Lenin konnte es wagen, die Form
der Aufnahme in die Dritte Internationale unter den Augen der anwesenden
deutschen Delegierten sogar noch zu verschärfen. Die wirtschaftliche Zerrüttung
Rußlands infolge der bolschewistischen Experimente war offenkundig. Selbst das
wissenschaftlich ausgemachte Werk, das Alfons Goldschmidt seinem sensationellen
Feuilleton („Moskau 1920") folgen ließ, kann die Tatsache nicht verschleiern, daß
der Bolschewismus auf wirtschaftlichem Gebiete über hoffnungslose Anfänge Nicht
hinausgekommen ist. Die Reiseberichte, die Wilhelm Dittmann in der „Freiheit"
veröffentlichte, bestätigen — im rein Tatsächlichen auch von seinen Gegnern
unwidersprochen — was unvoreingenommene Kenner des neuen Rußland monate¬
lang tauben Ohren im deutschen Proletariat gepredigt hatten. Die Delegation
spaltete sich. Wenn sich Däumig und Stöcker gegen Dittmann und Crispien für
den Anschluß an Moskau erklärten, so ließen auch sie sich dabei nicht durch den
empirischen Befund, sondern durch den taktischen Gedanken der Proletarischen
Weltrevolution leiten. Sie fanden aber nicht den Mut, gegen den tatarischen
Despotismus der Leninschen Parteiverfassung, der die Autonomie der Landes-
arteien und vor allen Dingen das Recht selbständiger Führerwahl nahezu aufhob,
en deutschen Gedanken eines organischen Föderalismus zu setzen. Sie verschlossen
sich der Tatsache, daß in dieser Dritten Internationale der Zarismus eine Auf¬
erstehung von ungeheurer Spannweite erlebte. Aber auch die Gegner des An¬
schlusses setzten dagegen nicht etwa eine bodenständige sozialistische Idee, sondern
lediglich die leere Skepsis und den unschövserischen Nihilismus, aus denen die
Politik der Unabhängigen von je kam.

Die Delegation kam zurück. Der Kampf um den Anschluß entbrannte in
der Presse, und das Zentralorgan der Unabhängigen Partei, die „Freiheit", machte
sich zur Wortführerin der Änschlußgegner. An den literarischen Feldzug schloß
sich eine umfassende Agitation als Vorbereitung für den entscheidenden Parteitag
in Halle. Der Kampf drang in die breitesten Massen, da dem Parteitag Urwähler
vorangingen, in denen die Entscheidung bereits vorweggenommen werden sollte."

Nun ist in Halle die Entscheidung gefallen. Unter ven töricht schadenfrohen
Grinsen von Kassel her hat sich die Unabhängige Sozialdemokratie gespalten,
beide Numpfparteien führen in vollendeter Don-Quichoterie die scharfe Abgrenzung
sowohl nach links wie nach rechts weiter. Wir haben glücklich zwei USPD., von
denen jede die allein seligmachende und vor allem auch — ein sehr wesentlicher
Punkt! — die allein erbberechtigte gegenüber Parteikassen und Parteiblättern sein
will. Das große Wort auf diesem „deutschen" Parteitag führten Ausländer,
im übrigen überlassen wir es der Parteichronik des Sozialismus, das Maß an
geifernden Haß und schmutzigster Verleumdung wiederzugeben, das die feindlichen
Brüder in lieblichem Wettbewerb übereinander ergossen.

Wir verzeichnen nüchtern die Machteinbuße, die das klassenkämpferisch ver¬
rannte Proletariat durch die Zersetzung des sozialistischen Parteishstems erleidet.
Es ist jedoch keine reine Freude, die uns dabei erfüllt. Aufbauende Kraft kann
der soziale Gedanke nur entfalten, wenn er jenseits von parteimäßiger Verein¬
seitigung sich unmittelbar den Lebensfragen der Nation zuwendet. Eine Gesundung
der Nation ist aber ausgeschlossen, so lange sich die breiten Massen des arbeitenden
Volkes im aufpeitschenden Kampfe der Parteileidenschaften selbstmörderisch ver¬
zehren. Hinter dem Gerede von Kassel, dem Gezänk von Halle und selbst der
zaristischen Gebärde von Moskau lauert dieselbe intellektuelle Feigheit. Der
Götzendienst des marxistischen Dogmas bringt den sozialen Gedanken, der ein
Gedanke der Zeit ist, um feine besten Früchte. Der „Vorwärts" hat wieder
einmal etwas ausgeplaudert. Vielleicht kommt bald die Stunde, wo er auch
dies Wort so gern im Busen bewahren möchte, wie die Anerkennung der
monarchischen Grundgesinnung des größten Teils des deutschen Volkes, die ihm


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[0094] Reichsspiegel Maulspitzen nicht mehr helfe, daß gepfiffen werden müsse. Es reiste im Juli die bekannte Abordnung nach Moskau, um wegen Aufnahme der Partei in die Dritte Internationale zu verhandeln. Nunmehr kam die Sache zum Klappen. Lenin konnte es wagen, die Form der Aufnahme in die Dritte Internationale unter den Augen der anwesenden deutschen Delegierten sogar noch zu verschärfen. Die wirtschaftliche Zerrüttung Rußlands infolge der bolschewistischen Experimente war offenkundig. Selbst das wissenschaftlich ausgemachte Werk, das Alfons Goldschmidt seinem sensationellen Feuilleton („Moskau 1920") folgen ließ, kann die Tatsache nicht verschleiern, daß der Bolschewismus auf wirtschaftlichem Gebiete über hoffnungslose Anfänge Nicht hinausgekommen ist. Die Reiseberichte, die Wilhelm Dittmann in der „Freiheit" veröffentlichte, bestätigen — im rein Tatsächlichen auch von seinen Gegnern unwidersprochen — was unvoreingenommene Kenner des neuen Rußland monate¬ lang tauben Ohren im deutschen Proletariat gepredigt hatten. Die Delegation spaltete sich. Wenn sich Däumig und Stöcker gegen Dittmann und Crispien für den Anschluß an Moskau erklärten, so ließen auch sie sich dabei nicht durch den empirischen Befund, sondern durch den taktischen Gedanken der Proletarischen Weltrevolution leiten. Sie fanden aber nicht den Mut, gegen den tatarischen Despotismus der Leninschen Parteiverfassung, der die Autonomie der Landes- arteien und vor allen Dingen das Recht selbständiger Führerwahl nahezu aufhob, en deutschen Gedanken eines organischen Föderalismus zu setzen. Sie verschlossen sich der Tatsache, daß in dieser Dritten Internationale der Zarismus eine Auf¬ erstehung von ungeheurer Spannweite erlebte. Aber auch die Gegner des An¬ schlusses setzten dagegen nicht etwa eine bodenständige sozialistische Idee, sondern lediglich die leere Skepsis und den unschövserischen Nihilismus, aus denen die Politik der Unabhängigen von je kam. Die Delegation kam zurück. Der Kampf um den Anschluß entbrannte in der Presse, und das Zentralorgan der Unabhängigen Partei, die „Freiheit", machte sich zur Wortführerin der Änschlußgegner. An den literarischen Feldzug schloß sich eine umfassende Agitation als Vorbereitung für den entscheidenden Parteitag in Halle. Der Kampf drang in die breitesten Massen, da dem Parteitag Urwähler vorangingen, in denen die Entscheidung bereits vorweggenommen werden sollte." Nun ist in Halle die Entscheidung gefallen. Unter ven töricht schadenfrohen Grinsen von Kassel her hat sich die Unabhängige Sozialdemokratie gespalten, beide Numpfparteien führen in vollendeter Don-Quichoterie die scharfe Abgrenzung sowohl nach links wie nach rechts weiter. Wir haben glücklich zwei USPD., von denen jede die allein seligmachende und vor allem auch — ein sehr wesentlicher Punkt! — die allein erbberechtigte gegenüber Parteikassen und Parteiblättern sein will. Das große Wort auf diesem „deutschen" Parteitag führten Ausländer, im übrigen überlassen wir es der Parteichronik des Sozialismus, das Maß an geifernden Haß und schmutzigster Verleumdung wiederzugeben, das die feindlichen Brüder in lieblichem Wettbewerb übereinander ergossen. Wir verzeichnen nüchtern die Machteinbuße, die das klassenkämpferisch ver¬ rannte Proletariat durch die Zersetzung des sozialistischen Parteishstems erleidet. Es ist jedoch keine reine Freude, die uns dabei erfüllt. Aufbauende Kraft kann der soziale Gedanke nur entfalten, wenn er jenseits von parteimäßiger Verein¬ seitigung sich unmittelbar den Lebensfragen der Nation zuwendet. Eine Gesundung der Nation ist aber ausgeschlossen, so lange sich die breiten Massen des arbeitenden Volkes im aufpeitschenden Kampfe der Parteileidenschaften selbstmörderisch ver¬ zehren. Hinter dem Gerede von Kassel, dem Gezänk von Halle und selbst der zaristischen Gebärde von Moskau lauert dieselbe intellektuelle Feigheit. Der Götzendienst des marxistischen Dogmas bringt den sozialen Gedanken, der ein Gedanke der Zeit ist, um feine besten Früchte. Der „Vorwärts" hat wieder einmal etwas ausgeplaudert. Vielleicht kommt bald die Stunde, wo er auch dies Wort so gern im Busen bewahren möchte, wie die Anerkennung der monarchischen Grundgesinnung des größten Teils des deutschen Volkes, die ihm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/94>, abgerufen am 15.05.2024.