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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Aber man hat in London noch mehr getan. Man hat nicht nur ein Höchst¬
angebot gemacht, man hat dies Höchstangebot binnen acht Tagen überschritten.
Und man verlangt/ daß irgend jemand im Ausland deutschen Versicherungen hin¬
fort Glauben schenke? Nachdem dann die Londoner Konferenz gescheitert war,
nachdem alle Welt (in Deutschland) begeistert war über das "erste deutsche Nein"
und versicherte, "wir lassen uns nicht zwingen", werden unter dem Druck der
"Sanktionen" neue Vorschläge formuliert. Endgültige? Wer kann es wissen.
Obwohl fast die gesamte Pariser Presse diese Vorschläge -- noch ohne sie zu
kennen -- ablehnt und als AufschubSmanöver kennzeichnet. Erinnert die Lag?
nicht verzweifelt an die Zeit des deutschen Friedensangebots von 1917?

Kein Zweifel, daß sich die politische Leitung seit London überaus listig
benommen hat. Zunächst erweckte man den Anschein, als wollte man Amerika
um Vermittlung bitten. Es wäre ja auch wunderbar gewesen, wenn man die
russische oder englische Illusion nicht alsbald gegen eine neue, die amerikanische,
ausgetauscht hatte. Hatten nicht die beiden bösen Ententegcgner nebst
dem unsicheren Kantonisten Italien Angst vor Amerika? Würden sie nicht
schleunigst ducken, wenn der mächtige Emporkömmling ihnen befahl, Deutsch¬
land mit Nachsicht zu behandeln. (Mot We-de.bovcl, sagen die Flamen von Pferden.)
Ja, wenn! Wann werden wir endlich lernen, uns nur auf uns selbst zu verlassen?!
Wenn irgend etwas in der bei allem durch den Krieg neugewonnenen Selbst¬
bewußtsein sehr vorsichtigen und auch durch die Botschaft des Präsidenten noch
lange nicht geklärten Politik sicher ist, so ist es Amerikas feste Entschlossenheit, sich
auf alle Fälle, soweit es businsss irgend zuläßt, außerhalb der innereuropäischen
Streitigkeiten zu halten. Ferner übersah man, daß die Stimmung in Amerika
noch nie so deutschfeindlich gewesen ist, wie gerade jetzt. Das Schlimmste aber
war wohl die wiederholte Beteuerung, Deutschland wolle "bis zur Grenze seiner
Leistungsfähigkeit (Dresel quittierte sogleich mit der Ententenuance: Zahlungs¬
fähigkeit) Schadellersatz leisten". Bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit? Aber
diese Grenze ist ja gerade strittig. Und was heißt Leistungsfähigkeit? Die Franzosen
wollen jetzt ja sogar das Gold der Reichsbank, die ein Privatinstitut ist, rauben
und machen Vorschläge, die deutschen Privatleute auszuplündern. Die Grenze der
Leistungsfähigkeit liegt beim Verrenken! Wir "vollen nicht verrecken.

Gesetzt den Fall, daß wir nach bisher hier und da üblichen Grund¬
sätzen, da wir den Krieg verloren haben, bezahlen müßten, so lagen die Ver¬
hältnisse bei Eingehen' des Waffenstillstandes doch wesentlich anders. Es
gab "nämlich einmal gewisse 14 Punkte, in denen Kriegsentschädigungen
abgelehnt wurden. Aber Wilson ist "mort ot enterrö". Es soll weiter
als richtig angesehen werden, daß der Unterlegene für die Schäden auskommt,
die er aus militärischer Notwendigkeit angerichtet hat. Die zerstörten Berg¬
werke, die zcrschrottcten Maschinell, die rasierten Obstbciume, dle Schädigungen
"er Deportierten, das alles müßte dann bezahlt werden. Das wäre eine Korse
P'euz der Niederlage. Man könnte auch darüber streiten, ob wir das tragen sollen,
was aus der Gegenseite aus militärischer Notwendigkeit zerstört worden 'ist. Aber
da hört es auch auf. Wir haben keine Lust, eine Rechnung zu bezahlen, an deren
genauer Nachprüfung wir verhindert werden. Wir haben keine Lust, die französischen
^chieberlöhne für den Wiederaufbau, die französischen Unternehmergcwinne, die
unfähigen französischen Wiederaufbaubeamten, die Bcstechungsgelder für Abschätzungs-
wnnnissionen und Architekten zu zahlen. Wir haben keine Lust "bis zur Grenze
der Leistungsfähigkeit" Kohlen zu drinnen, damit Frankreich damit Exporthandel
treiben uno die Wiederherstellung der eigenen Bergwerke als unrentabel vernach¬
lässigen kann. (Schon in den nnzerstörten Bergwerken muß die Arbeit gestreckt
werden.) Wir haben keine Lust, die Kosten für eme Besetzung zu tragen, die, wie
M letzt auch wohl für den Dümmsten herausstellt, weiter nichts ist als eine ver-
'Weierte Annexion und für die sich angesichts der fortschreitenden Entwaffnung
Deutschlands auch nicht die leiseste Notwendigkeit mehr anführen läßt.


Weltspiegel

Aber man hat in London noch mehr getan. Man hat nicht nur ein Höchst¬
angebot gemacht, man hat dies Höchstangebot binnen acht Tagen überschritten.
Und man verlangt/ daß irgend jemand im Ausland deutschen Versicherungen hin¬
fort Glauben schenke? Nachdem dann die Londoner Konferenz gescheitert war,
nachdem alle Welt (in Deutschland) begeistert war über das „erste deutsche Nein"
und versicherte, „wir lassen uns nicht zwingen", werden unter dem Druck der
„Sanktionen" neue Vorschläge formuliert. Endgültige? Wer kann es wissen.
Obwohl fast die gesamte Pariser Presse diese Vorschläge — noch ohne sie zu
kennen — ablehnt und als AufschubSmanöver kennzeichnet. Erinnert die Lag?
nicht verzweifelt an die Zeit des deutschen Friedensangebots von 1917?

Kein Zweifel, daß sich die politische Leitung seit London überaus listig
benommen hat. Zunächst erweckte man den Anschein, als wollte man Amerika
um Vermittlung bitten. Es wäre ja auch wunderbar gewesen, wenn man die
russische oder englische Illusion nicht alsbald gegen eine neue, die amerikanische,
ausgetauscht hatte. Hatten nicht die beiden bösen Ententegcgner nebst
dem unsicheren Kantonisten Italien Angst vor Amerika? Würden sie nicht
schleunigst ducken, wenn der mächtige Emporkömmling ihnen befahl, Deutsch¬
land mit Nachsicht zu behandeln. (Mot We-de.bovcl, sagen die Flamen von Pferden.)
Ja, wenn! Wann werden wir endlich lernen, uns nur auf uns selbst zu verlassen?!
Wenn irgend etwas in der bei allem durch den Krieg neugewonnenen Selbst¬
bewußtsein sehr vorsichtigen und auch durch die Botschaft des Präsidenten noch
lange nicht geklärten Politik sicher ist, so ist es Amerikas feste Entschlossenheit, sich
auf alle Fälle, soweit es businsss irgend zuläßt, außerhalb der innereuropäischen
Streitigkeiten zu halten. Ferner übersah man, daß die Stimmung in Amerika
noch nie so deutschfeindlich gewesen ist, wie gerade jetzt. Das Schlimmste aber
war wohl die wiederholte Beteuerung, Deutschland wolle „bis zur Grenze seiner
Leistungsfähigkeit (Dresel quittierte sogleich mit der Ententenuance: Zahlungs¬
fähigkeit) Schadellersatz leisten". Bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit? Aber
diese Grenze ist ja gerade strittig. Und was heißt Leistungsfähigkeit? Die Franzosen
wollen jetzt ja sogar das Gold der Reichsbank, die ein Privatinstitut ist, rauben
und machen Vorschläge, die deutschen Privatleute auszuplündern. Die Grenze der
Leistungsfähigkeit liegt beim Verrenken! Wir »vollen nicht verrecken.

Gesetzt den Fall, daß wir nach bisher hier und da üblichen Grund¬
sätzen, da wir den Krieg verloren haben, bezahlen müßten, so lagen die Ver¬
hältnisse bei Eingehen' des Waffenstillstandes doch wesentlich anders. Es
gab «nämlich einmal gewisse 14 Punkte, in denen Kriegsentschädigungen
abgelehnt wurden. Aber Wilson ist „mort ot enterrö". Es soll weiter
als richtig angesehen werden, daß der Unterlegene für die Schäden auskommt,
die er aus militärischer Notwendigkeit angerichtet hat. Die zerstörten Berg¬
werke, die zcrschrottcten Maschinell, die rasierten Obstbciume, dle Schädigungen
"er Deportierten, das alles müßte dann bezahlt werden. Das wäre eine Korse
P'euz der Niederlage. Man könnte auch darüber streiten, ob wir das tragen sollen,
was aus der Gegenseite aus militärischer Notwendigkeit zerstört worden 'ist. Aber
da hört es auch auf. Wir haben keine Lust, eine Rechnung zu bezahlen, an deren
genauer Nachprüfung wir verhindert werden. Wir haben keine Lust, die französischen
^chieberlöhne für den Wiederaufbau, die französischen Unternehmergcwinne, die
unfähigen französischen Wiederaufbaubeamten, die Bcstechungsgelder für Abschätzungs-
wnnnissionen und Architekten zu zahlen. Wir haben keine Lust „bis zur Grenze
der Leistungsfähigkeit" Kohlen zu drinnen, damit Frankreich damit Exporthandel
treiben uno die Wiederherstellung der eigenen Bergwerke als unrentabel vernach¬
lässigen kann. (Schon in den nnzerstörten Bergwerken muß die Arbeit gestreckt
werden.) Wir haben keine Lust, die Kosten für eme Besetzung zu tragen, die, wie
M letzt auch wohl für den Dümmsten herausstellt, weiter nichts ist als eine ver-
'Weierte Annexion und für die sich angesichts der fortschreitenden Entwaffnung
Deutschlands auch nicht die leiseste Notwendigkeit mehr anführen läßt.


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[0123] Weltspiegel Aber man hat in London noch mehr getan. Man hat nicht nur ein Höchst¬ angebot gemacht, man hat dies Höchstangebot binnen acht Tagen überschritten. Und man verlangt/ daß irgend jemand im Ausland deutschen Versicherungen hin¬ fort Glauben schenke? Nachdem dann die Londoner Konferenz gescheitert war, nachdem alle Welt (in Deutschland) begeistert war über das „erste deutsche Nein" und versicherte, „wir lassen uns nicht zwingen", werden unter dem Druck der „Sanktionen" neue Vorschläge formuliert. Endgültige? Wer kann es wissen. Obwohl fast die gesamte Pariser Presse diese Vorschläge — noch ohne sie zu kennen — ablehnt und als AufschubSmanöver kennzeichnet. Erinnert die Lag? nicht verzweifelt an die Zeit des deutschen Friedensangebots von 1917? Kein Zweifel, daß sich die politische Leitung seit London überaus listig benommen hat. Zunächst erweckte man den Anschein, als wollte man Amerika um Vermittlung bitten. Es wäre ja auch wunderbar gewesen, wenn man die russische oder englische Illusion nicht alsbald gegen eine neue, die amerikanische, ausgetauscht hatte. Hatten nicht die beiden bösen Ententegcgner nebst dem unsicheren Kantonisten Italien Angst vor Amerika? Würden sie nicht schleunigst ducken, wenn der mächtige Emporkömmling ihnen befahl, Deutsch¬ land mit Nachsicht zu behandeln. (Mot We-de.bovcl, sagen die Flamen von Pferden.) Ja, wenn! Wann werden wir endlich lernen, uns nur auf uns selbst zu verlassen?! Wenn irgend etwas in der bei allem durch den Krieg neugewonnenen Selbst¬ bewußtsein sehr vorsichtigen und auch durch die Botschaft des Präsidenten noch lange nicht geklärten Politik sicher ist, so ist es Amerikas feste Entschlossenheit, sich auf alle Fälle, soweit es businsss irgend zuläßt, außerhalb der innereuropäischen Streitigkeiten zu halten. Ferner übersah man, daß die Stimmung in Amerika noch nie so deutschfeindlich gewesen ist, wie gerade jetzt. Das Schlimmste aber war wohl die wiederholte Beteuerung, Deutschland wolle „bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit (Dresel quittierte sogleich mit der Ententenuance: Zahlungs¬ fähigkeit) Schadellersatz leisten". Bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit? Aber diese Grenze ist ja gerade strittig. Und was heißt Leistungsfähigkeit? Die Franzosen wollen jetzt ja sogar das Gold der Reichsbank, die ein Privatinstitut ist, rauben und machen Vorschläge, die deutschen Privatleute auszuplündern. Die Grenze der Leistungsfähigkeit liegt beim Verrenken! Wir »vollen nicht verrecken. Gesetzt den Fall, daß wir nach bisher hier und da üblichen Grund¬ sätzen, da wir den Krieg verloren haben, bezahlen müßten, so lagen die Ver¬ hältnisse bei Eingehen' des Waffenstillstandes doch wesentlich anders. Es gab «nämlich einmal gewisse 14 Punkte, in denen Kriegsentschädigungen abgelehnt wurden. Aber Wilson ist „mort ot enterrö". Es soll weiter als richtig angesehen werden, daß der Unterlegene für die Schäden auskommt, die er aus militärischer Notwendigkeit angerichtet hat. Die zerstörten Berg¬ werke, die zcrschrottcten Maschinell, die rasierten Obstbciume, dle Schädigungen "er Deportierten, das alles müßte dann bezahlt werden. Das wäre eine Korse P'euz der Niederlage. Man könnte auch darüber streiten, ob wir das tragen sollen, was aus der Gegenseite aus militärischer Notwendigkeit zerstört worden 'ist. Aber da hört es auch auf. Wir haben keine Lust, eine Rechnung zu bezahlen, an deren genauer Nachprüfung wir verhindert werden. Wir haben keine Lust, die französischen ^chieberlöhne für den Wiederaufbau, die französischen Unternehmergcwinne, die unfähigen französischen Wiederaufbaubeamten, die Bcstechungsgelder für Abschätzungs- wnnnissionen und Architekten zu zahlen. Wir haben keine Lust „bis zur Grenze der Leistungsfähigkeit" Kohlen zu drinnen, damit Frankreich damit Exporthandel treiben uno die Wiederherstellung der eigenen Bergwerke als unrentabel vernach¬ lässigen kann. (Schon in den nnzerstörten Bergwerken muß die Arbeit gestreckt werden.) Wir haben keine Lust, die Kosten für eme Besetzung zu tragen, die, wie M letzt auch wohl für den Dümmsten herausstellt, weiter nichts ist als eine ver- 'Weierte Annexion und für die sich angesichts der fortschreitenden Entwaffnung Deutschlands auch nicht die leiseste Notwendigkeit mehr anführen läßt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/123>, abgerufen am 13.05.2024.