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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Verantwortung für die Weltlage

wiedergegeben würde, übertrieben habe. In einigen Punkten bleibt sein Vergleich
sogar hinter den wahren Tatsachen zurück. Nun. eingestanden, datz wenige
Amerikaner jemals zugeben würden, daß ihr Land fähig sei, einen ungerechten
Krieg oder irgend einen "abscheulichen" Krieg zu führen, angenommen, daß wir
wie die Deutschen fühlen und denken in Anbetracht der zehn Sätze, die hier oben
aufgezählt wurden, wieviel Aussicht auf Friede auf Erden und Wohlwollen unter
den Menschen in dieser Welt des Drunter und Drüber würden du und ich, frei
als Amerikaner gesprochen, bestehen lassen. Noch einmal: welche Erwartungen
würden du und ich an einen Abrüstungskongreß (zusammengerufen von einem
unserer Feinde) knüpfen, um einen nationalen Zusammenschluß zu erreichen, so¬
lange die vorhergesagter Bedingungen fortbestehen? Als ein ehrlicher und echter
Amerikaner würde ich meinerseits sagen, gerade so viel Aussicht als ein Schnee¬
ball hat in einem Raum, der vermeintlich heißer ist als die Arizonawüste um
Mitternacht.

Es gibt noch eine andere Erwägung. Ich muß auch als ehrlicher Amerikaner
sagen, daß Deutschlands vollständige Niederlage die Folge der Beteiligung meines
Landes am Kriege war, daß die gegenwärtige Lage in Deutschland zurückzuführen
ist auf diese vollständige Niederlage, und daß daher mein eigenes Land für die
Lage zum Teil verantwortlich ist. Wir können unsere Hände nicht von den
Folgen rein waschen. Je hochfliegender unsere Rede, um so größer unsere
Verantwortlichkeit. Wenn wir ehrlich Abrüstung wünschen und wirklich glauben,
was wir als eine demokratische Nation alle bisher bekannt haben und noch
bekennen, dann ist es unsere ernste, nun zu lange vernachlässigte Pflicht, dafür
zu sorgen, daß eben dasselbe böse Prinzip, das wir in einem besiegten Deutsch¬
land zu vernichten gehofft, nicht gegen Deutschland von irgend wem befolgt
werde, dessen Gnade und Ungnade wir den geschlagenen Feind überlieferten. Ich
weiß, es ist menschlich zu fühlen und zu behaupten, daß das Schicksal, das nun
Deutschland trifft, von Deutschland gegen Frankreich und möglicherweise gegen
andere Nationen geplant war. Aber dieses Fühlen und diese Behauptung ist
durchaus Unsinn als Argument. Es ist schlecht, es ist treulos gegen uns selbst.
Ich kann die Furcht des französischen Volkes vor Deutschlands "Revanche" nach¬
fühlen, und ich kann gut verstehen, wie diese Furcht von gewissen Leuten gro߬
gezogen wird. Unter ähnlichen Bedingungen würden wir Amerikaner ebenso wie
die Franzosen fühlen und würden noch leichter getäuscht durch ein Appellieren
an unsere Furcht. In meinem Herzen ist keine anklagende Stimme gegen das
französische Volk. Aber aus diesem selben Grunde ist es gebotener, klar zu
sprechen. Nur Amerikas freundlicher, aber energischer Einspruch kann eine Hand¬
lung aufhalten, die begründet ist auf der Logik des Militarismus, der nur durch
einen Appell an ein gedankenloses Gefühlsleben fortgesetzt werden kann, und
schließlich zu einer fürchterlichen Katastrophe führen muß.




Verantwortung für die Weltlage

wiedergegeben würde, übertrieben habe. In einigen Punkten bleibt sein Vergleich
sogar hinter den wahren Tatsachen zurück. Nun. eingestanden, datz wenige
Amerikaner jemals zugeben würden, daß ihr Land fähig sei, einen ungerechten
Krieg oder irgend einen „abscheulichen" Krieg zu führen, angenommen, daß wir
wie die Deutschen fühlen und denken in Anbetracht der zehn Sätze, die hier oben
aufgezählt wurden, wieviel Aussicht auf Friede auf Erden und Wohlwollen unter
den Menschen in dieser Welt des Drunter und Drüber würden du und ich, frei
als Amerikaner gesprochen, bestehen lassen. Noch einmal: welche Erwartungen
würden du und ich an einen Abrüstungskongreß (zusammengerufen von einem
unserer Feinde) knüpfen, um einen nationalen Zusammenschluß zu erreichen, so¬
lange die vorhergesagter Bedingungen fortbestehen? Als ein ehrlicher und echter
Amerikaner würde ich meinerseits sagen, gerade so viel Aussicht als ein Schnee¬
ball hat in einem Raum, der vermeintlich heißer ist als die Arizonawüste um
Mitternacht.

Es gibt noch eine andere Erwägung. Ich muß auch als ehrlicher Amerikaner
sagen, daß Deutschlands vollständige Niederlage die Folge der Beteiligung meines
Landes am Kriege war, daß die gegenwärtige Lage in Deutschland zurückzuführen
ist auf diese vollständige Niederlage, und daß daher mein eigenes Land für die
Lage zum Teil verantwortlich ist. Wir können unsere Hände nicht von den
Folgen rein waschen. Je hochfliegender unsere Rede, um so größer unsere
Verantwortlichkeit. Wenn wir ehrlich Abrüstung wünschen und wirklich glauben,
was wir als eine demokratische Nation alle bisher bekannt haben und noch
bekennen, dann ist es unsere ernste, nun zu lange vernachlässigte Pflicht, dafür
zu sorgen, daß eben dasselbe böse Prinzip, das wir in einem besiegten Deutsch¬
land zu vernichten gehofft, nicht gegen Deutschland von irgend wem befolgt
werde, dessen Gnade und Ungnade wir den geschlagenen Feind überlieferten. Ich
weiß, es ist menschlich zu fühlen und zu behaupten, daß das Schicksal, das nun
Deutschland trifft, von Deutschland gegen Frankreich und möglicherweise gegen
andere Nationen geplant war. Aber dieses Fühlen und diese Behauptung ist
durchaus Unsinn als Argument. Es ist schlecht, es ist treulos gegen uns selbst.
Ich kann die Furcht des französischen Volkes vor Deutschlands „Revanche" nach¬
fühlen, und ich kann gut verstehen, wie diese Furcht von gewissen Leuten gro߬
gezogen wird. Unter ähnlichen Bedingungen würden wir Amerikaner ebenso wie
die Franzosen fühlen und würden noch leichter getäuscht durch ein Appellieren
an unsere Furcht. In meinem Herzen ist keine anklagende Stimme gegen das
französische Volk. Aber aus diesem selben Grunde ist es gebotener, klar zu
sprechen. Nur Amerikas freundlicher, aber energischer Einspruch kann eine Hand¬
lung aufhalten, die begründet ist auf der Logik des Militarismus, der nur durch
einen Appell an ein gedankenloses Gefühlsleben fortgesetzt werden kann, und
schließlich zu einer fürchterlichen Katastrophe führen muß.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/18>, abgerufen am 14.05.2024.