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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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bestätigt worden. Das Innsbrucks "Alpenland" brachte die Enthüllung, daß die
französische Regierung den Pulses Karls unter drei Bedingungen zu unterstützen
bereit sei: 1. Ungarn muß unbedingt eine deutschfeindliche Politik einhalten,
2 Ungarn muß der Kleinen Entente beitreten, 3. die ungarische Armee wird unter
das Kommando französischer Jnstruktionsosfiziere gestellt. Setzt man statt fran¬
zösische Regierung gewisse Vertreter Frankreichs in den verschiedenen in Ungarn
und Osterreich stationierten Ententekommissionen und ändert man die zweite Be-
dingung, da die Kleine Entente ja gerade gegen Ungarn geschlossen ist, sinngemäß
dahin ab, daß Ungarn sich, des Friedens in Zentraleuropa halber, zu nochmaliger
ausdrücklicher Anerkennung des Vertrages von Trianon bequemen sollte, so können
diese Angaben durchaus stimmen. Daß die Ungarn sich solchen Bedingungen
unterwerfen, ist nicht weiter verwunderlich, man hat die Empfänglichkeit fran¬
zösischer Kontrolloffiziere für "Aufmerksamkeiten" aller Art in Ungarn sehr richtig
einschätzen gelernt. Aber auch in bezug auf die Politik Frankreichs haben die An¬
gaben des "Alpenlandes" nichts Unwahrscheinliches. Selbstverständlich wird eine
Politik, wie die hier angedeutete, nicht offiziell betrieben. Die Vollmacht der
französischen Unterhändler wird jeden Augenblick verleugnet werden können. Mög¬
licherweise ist nicht ewmal eine erteilt worden. Man weiß in den Kreisen der
politischen Leitung Frankreichs gar zu gut, daß gewisse klerikal und royalistisch
beeinflußte Militärs auch auf eigene Hand gern bereit sind, Intrigen zur Rück-
kehr des Habsburgers zu unterstützen. Man brauchte sie nur gewähren zu lassen
und sich vorzubehalten, sie im Falle eines Mißerfolges zu verleugnen. Im Falle
eines Erfolges aber waren die Aussichten glänzend: ein im Innern gefestigtes,
mit den Nachbarn im Frieden lebendes Ungarn konnte Osterreich an sich ziehen,
dessen immer gefürchteter Anschluß an Deutschland dadurch verhindert wurde.
Man glaubte sogar noch weiter zu gehen, auf einen Anschluß des durchaus mon¬
archisch gesinnten Bayern, von da auf die Errichtung eines antipreußischen, süd¬
deutschen katholischen Königreiches, aus die Zerschlagung der deutschen Einheit
hoffen zu dürfen. Das war der Plan, den französische Nechtsblätter mit fast
zynischer Offenheit durchblicken lassen.

Auch Italiens glaubte man in Ungarn sicher sein zu können. Italien hat
zwar den französischen Donaubundplünen stets mißtrauisch gegenüber gestanden.
Es wollte keine Wiedererrichtung der alten Donaumonarchie in anderer Form.
Aber unter dem Eindruck einer angeblichen wirtschaftlichen Bedrohung durch
Deutschland fürchtet man fast ebenso sehr, und in neuester Zeit unter dem Ein¬
druck des schlechten Gewissens wegen Deutsch-Südtirol in immer stärkerem Maße,
eine Vereinigung Deutsch-Österreichs mit dem Reich. Auf alle Fälle aber war
man in Italien gegen die Kleine Entente und, da die Ausführung des Vertrags
von Napallo immer wieder neue Schwierigkeiten macht und die Serben in
bedrohlicher Weise gegen Albanien vorgehen, besonders gegen Südslawien ein¬
genommen. Schon in Venedig hatte man der Kleinen Entente, deren Selbst-
ständigteitsregungen im Westen ungern gesehen werben, die diplomatische Initiative
aus der Hand zu winden gewußt. Und wenn die Nachrichten über ein italienisch¬
ungarisches Abkommen, in dem sich beide Regierungen sür den Fall eines Kon-
sul-es mit Jugoslawien militärischen Anstand sicherten, nicht nur alsbald dementiert
worden, sondern vielleicht auch wirklich als verfrüht anzusehen sind, so war doch
die Auslassung der "Epoca". daß, falls Karl wirklich Budapest nehmen sollte, die
bewaffnete Einmischung der Tschechoslowakei und Jugoslawiens auf jeden Fall
verhindert werden müsse, bedeutsam genug. Tatsächlich ist es Südslawien ge¬
wesen, das ohne Zögern sofort militärische Gegenmaßnahmen ergriffen hat. way-
rend die Tschechoslowakei erst mobilisierte, nachdem der Mißerfolg Karls endgültig
festgestellt werden konnte. Wie diese vorsichtige Zurückhaltung der Tschecho¬
slowakei erklärt werden muß. entzieht sich der Beurteilung. Möglich, daß man
im Falle des Gelingens des königlichen Handstreichs für eine diplomatische An-
erkennung vollzogener Tatsachen billigere und größere Erfolge einzutauschen er-
-wartete, möglich, daß man der Haltung Frankreichs nicht ganz sicher war, das in


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bestätigt worden. Das Innsbrucks „Alpenland" brachte die Enthüllung, daß die
französische Regierung den Pulses Karls unter drei Bedingungen zu unterstützen
bereit sei: 1. Ungarn muß unbedingt eine deutschfeindliche Politik einhalten,
2 Ungarn muß der Kleinen Entente beitreten, 3. die ungarische Armee wird unter
das Kommando französischer Jnstruktionsosfiziere gestellt. Setzt man statt fran¬
zösische Regierung gewisse Vertreter Frankreichs in den verschiedenen in Ungarn
und Osterreich stationierten Ententekommissionen und ändert man die zweite Be-
dingung, da die Kleine Entente ja gerade gegen Ungarn geschlossen ist, sinngemäß
dahin ab, daß Ungarn sich, des Friedens in Zentraleuropa halber, zu nochmaliger
ausdrücklicher Anerkennung des Vertrages von Trianon bequemen sollte, so können
diese Angaben durchaus stimmen. Daß die Ungarn sich solchen Bedingungen
unterwerfen, ist nicht weiter verwunderlich, man hat die Empfänglichkeit fran¬
zösischer Kontrolloffiziere für „Aufmerksamkeiten" aller Art in Ungarn sehr richtig
einschätzen gelernt. Aber auch in bezug auf die Politik Frankreichs haben die An¬
gaben des „Alpenlandes" nichts Unwahrscheinliches. Selbstverständlich wird eine
Politik, wie die hier angedeutete, nicht offiziell betrieben. Die Vollmacht der
französischen Unterhändler wird jeden Augenblick verleugnet werden können. Mög¬
licherweise ist nicht ewmal eine erteilt worden. Man weiß in den Kreisen der
politischen Leitung Frankreichs gar zu gut, daß gewisse klerikal und royalistisch
beeinflußte Militärs auch auf eigene Hand gern bereit sind, Intrigen zur Rück-
kehr des Habsburgers zu unterstützen. Man brauchte sie nur gewähren zu lassen
und sich vorzubehalten, sie im Falle eines Mißerfolges zu verleugnen. Im Falle
eines Erfolges aber waren die Aussichten glänzend: ein im Innern gefestigtes,
mit den Nachbarn im Frieden lebendes Ungarn konnte Osterreich an sich ziehen,
dessen immer gefürchteter Anschluß an Deutschland dadurch verhindert wurde.
Man glaubte sogar noch weiter zu gehen, auf einen Anschluß des durchaus mon¬
archisch gesinnten Bayern, von da auf die Errichtung eines antipreußischen, süd¬
deutschen katholischen Königreiches, aus die Zerschlagung der deutschen Einheit
hoffen zu dürfen. Das war der Plan, den französische Nechtsblätter mit fast
zynischer Offenheit durchblicken lassen.

Auch Italiens glaubte man in Ungarn sicher sein zu können. Italien hat
zwar den französischen Donaubundplünen stets mißtrauisch gegenüber gestanden.
Es wollte keine Wiedererrichtung der alten Donaumonarchie in anderer Form.
Aber unter dem Eindruck einer angeblichen wirtschaftlichen Bedrohung durch
Deutschland fürchtet man fast ebenso sehr, und in neuester Zeit unter dem Ein¬
druck des schlechten Gewissens wegen Deutsch-Südtirol in immer stärkerem Maße,
eine Vereinigung Deutsch-Österreichs mit dem Reich. Auf alle Fälle aber war
man in Italien gegen die Kleine Entente und, da die Ausführung des Vertrags
von Napallo immer wieder neue Schwierigkeiten macht und die Serben in
bedrohlicher Weise gegen Albanien vorgehen, besonders gegen Südslawien ein¬
genommen. Schon in Venedig hatte man der Kleinen Entente, deren Selbst-
ständigteitsregungen im Westen ungern gesehen werben, die diplomatische Initiative
aus der Hand zu winden gewußt. Und wenn die Nachrichten über ein italienisch¬
ungarisches Abkommen, in dem sich beide Regierungen sür den Fall eines Kon-
sul-es mit Jugoslawien militärischen Anstand sicherten, nicht nur alsbald dementiert
worden, sondern vielleicht auch wirklich als verfrüht anzusehen sind, so war doch
die Auslassung der „Epoca". daß, falls Karl wirklich Budapest nehmen sollte, die
bewaffnete Einmischung der Tschechoslowakei und Jugoslawiens auf jeden Fall
verhindert werden müsse, bedeutsam genug. Tatsächlich ist es Südslawien ge¬
wesen, das ohne Zögern sofort militärische Gegenmaßnahmen ergriffen hat. way-
rend die Tschechoslowakei erst mobilisierte, nachdem der Mißerfolg Karls endgültig
festgestellt werden konnte. Wie diese vorsichtige Zurückhaltung der Tschecho¬
slowakei erklärt werden muß. entzieht sich der Beurteilung. Möglich, daß man
im Falle des Gelingens des königlichen Handstreichs für eine diplomatische An-
erkennung vollzogener Tatsachen billigere und größere Erfolge einzutauschen er-
-wartete, möglich, daß man der Haltung Frankreichs nicht ganz sicher war, das in


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[0195] Weltspiegel bestätigt worden. Das Innsbrucks „Alpenland" brachte die Enthüllung, daß die französische Regierung den Pulses Karls unter drei Bedingungen zu unterstützen bereit sei: 1. Ungarn muß unbedingt eine deutschfeindliche Politik einhalten, 2 Ungarn muß der Kleinen Entente beitreten, 3. die ungarische Armee wird unter das Kommando französischer Jnstruktionsosfiziere gestellt. Setzt man statt fran¬ zösische Regierung gewisse Vertreter Frankreichs in den verschiedenen in Ungarn und Osterreich stationierten Ententekommissionen und ändert man die zweite Be- dingung, da die Kleine Entente ja gerade gegen Ungarn geschlossen ist, sinngemäß dahin ab, daß Ungarn sich, des Friedens in Zentraleuropa halber, zu nochmaliger ausdrücklicher Anerkennung des Vertrages von Trianon bequemen sollte, so können diese Angaben durchaus stimmen. Daß die Ungarn sich solchen Bedingungen unterwerfen, ist nicht weiter verwunderlich, man hat die Empfänglichkeit fran¬ zösischer Kontrolloffiziere für „Aufmerksamkeiten" aller Art in Ungarn sehr richtig einschätzen gelernt. Aber auch in bezug auf die Politik Frankreichs haben die An¬ gaben des „Alpenlandes" nichts Unwahrscheinliches. Selbstverständlich wird eine Politik, wie die hier angedeutete, nicht offiziell betrieben. Die Vollmacht der französischen Unterhändler wird jeden Augenblick verleugnet werden können. Mög¬ licherweise ist nicht ewmal eine erteilt worden. Man weiß in den Kreisen der politischen Leitung Frankreichs gar zu gut, daß gewisse klerikal und royalistisch beeinflußte Militärs auch auf eigene Hand gern bereit sind, Intrigen zur Rück- kehr des Habsburgers zu unterstützen. Man brauchte sie nur gewähren zu lassen und sich vorzubehalten, sie im Falle eines Mißerfolges zu verleugnen. Im Falle eines Erfolges aber waren die Aussichten glänzend: ein im Innern gefestigtes, mit den Nachbarn im Frieden lebendes Ungarn konnte Osterreich an sich ziehen, dessen immer gefürchteter Anschluß an Deutschland dadurch verhindert wurde. Man glaubte sogar noch weiter zu gehen, auf einen Anschluß des durchaus mon¬ archisch gesinnten Bayern, von da auf die Errichtung eines antipreußischen, süd¬ deutschen katholischen Königreiches, aus die Zerschlagung der deutschen Einheit hoffen zu dürfen. Das war der Plan, den französische Nechtsblätter mit fast zynischer Offenheit durchblicken lassen. Auch Italiens glaubte man in Ungarn sicher sein zu können. Italien hat zwar den französischen Donaubundplünen stets mißtrauisch gegenüber gestanden. Es wollte keine Wiedererrichtung der alten Donaumonarchie in anderer Form. Aber unter dem Eindruck einer angeblichen wirtschaftlichen Bedrohung durch Deutschland fürchtet man fast ebenso sehr, und in neuester Zeit unter dem Ein¬ druck des schlechten Gewissens wegen Deutsch-Südtirol in immer stärkerem Maße, eine Vereinigung Deutsch-Österreichs mit dem Reich. Auf alle Fälle aber war man in Italien gegen die Kleine Entente und, da die Ausführung des Vertrags von Napallo immer wieder neue Schwierigkeiten macht und die Serben in bedrohlicher Weise gegen Albanien vorgehen, besonders gegen Südslawien ein¬ genommen. Schon in Venedig hatte man der Kleinen Entente, deren Selbst- ständigteitsregungen im Westen ungern gesehen werben, die diplomatische Initiative aus der Hand zu winden gewußt. Und wenn die Nachrichten über ein italienisch¬ ungarisches Abkommen, in dem sich beide Regierungen sür den Fall eines Kon- sul-es mit Jugoslawien militärischen Anstand sicherten, nicht nur alsbald dementiert worden, sondern vielleicht auch wirklich als verfrüht anzusehen sind, so war doch die Auslassung der „Epoca". daß, falls Karl wirklich Budapest nehmen sollte, die bewaffnete Einmischung der Tschechoslowakei und Jugoslawiens auf jeden Fall verhindert werden müsse, bedeutsam genug. Tatsächlich ist es Südslawien ge¬ wesen, das ohne Zögern sofort militärische Gegenmaßnahmen ergriffen hat. way- rend die Tschechoslowakei erst mobilisierte, nachdem der Mißerfolg Karls endgültig festgestellt werden konnte. Wie diese vorsichtige Zurückhaltung der Tschecho¬ slowakei erklärt werden muß. entzieht sich der Beurteilung. Möglich, daß man im Falle des Gelingens des königlichen Handstreichs für eine diplomatische An- erkennung vollzogener Tatsachen billigere und größere Erfolge einzutauschen er- -wartete, möglich, daß man der Haltung Frankreichs nicht ganz sicher war, das in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/195>, abgerufen am 14.05.2024.