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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Venedig zu weiterer planmäßigen Verdrängung der deutschfreundlichen Strö¬
mungen und um den Eindruck der franzosenfeindlichen Kundgebungen, deren
elementarischer Ausdruck? in Paris schmerzlich überrascht hatte, zu verwischen,
Italien kräftig unterstützt hatte, wahrscheinlich auch, daß man die Festigkeit im
Inneren nicht der Probe einer sofortigen Mobilisierung unterwerfen wollte. Vor
kaum vierzehn Tagen hat allerdings der tschechisch-slowakische Gesandte in Berlin
auf die Reise des Präsidenten Masaryck durch die Slowakei hingewiesen, die
einem Triumphzuge geglichen habe, der alle Gerüchte über Unruhen und Gärung
Lügen strafe, wie wenig man jedoch der Lage gewiß ist, beweist die schleunige
Verhängung des Standrechts über die gesamte Slowakei, und auch die Deutschen
haben wahrheitsgemäß erklärt, daß sie sich nur gezwungen und ohne die geringste
Begeisterung mobilisieren ließen. Auch unter den Tschechen selbst gibt es ja eine
ganze Anzahl Leute, die nichts weniger als glühende AntiMonarchisten sind und
endlich wird die erste gegen Bela Khun erlittene Niederlage noch in aller Ge¬
dächtnis sein. Rumänien schließlich hat sich zunächst überhaupt nicht gerührt, dazu,
werden, abgesehen von der noch immer andauernden Bedrohung von Nußland
her, mit dem die Verhandlungen über Betzarabien wieder einmal abgebrochen sind,
die Beziehungen zwischen ungarischen und rumänischen Großmagnciten zu eng
sein. Daß, nachdem der Pulses endgültig mißglückt war, alle Beteiligten, Kleine
wie Große Entente, von Anfang an gegen Habsburg und die Errichtung der Mon¬
archie gewesen zu sein erklären, besagt für die tatsächlichen Verhältnisse gar nichts.

Die Aussichten Karls waren also keineswegs gering. Gegen das Umer-
nehmen sprachen, abgesehen von der persönlichen Unfähigkeit des königlichen
Intriganten, nur drei Umstände. Einmal, daß es beim ersten Male im März
mißglückt war. Es liegt im Wesen derartiger Unternehmungen, daß sie im ersten
Anlauf glücken müssen ober scheitern. Karl wußte das und hat daher, bevor er
einen zweiten unternahm, den Weg über den Völkerbund versucht. War Ungarn
im Völkerbund, so hatte es damit Garantien für friedliche Gesinnung gegeben,
konnte die Errichtung der Monarchie als rein innerpolitische Angelegenheit hin¬
stellen und bei Einmischung der Nachbarn den Schutz der Mächte anrufen. Bei
der auffallenden Geschäftigkeit, mit der die Agenten des Königs überall arbeiteten,
konnte jedoch dieser Plan der Aufmerksamkeit der Nachbarn nicht entgehen. Sie
widersetzten sich der Aufnahme Ungarns, das daraus seine Kandidatur zurückzog.
Dies führt uns auf den dritten Umstand: die Uneinigkeit der ungarischen Mon¬
archisten untereinander. Es ist nämlich die Frage, ob die ungarische Regierung
die Völkerbundkandidatur Ungarns allein aus Furcht vor den Nachbarn zurückzog
oder nicht vielleicht auch in der Absicht, den Plan Karls zu vereiteln. Es ist
auch die Frage, ob nicht entweder Horthy selbst, der bekanntlich selbst direkte
oder (durch eine Heirat seiner Tochter) indirekte Ambitionen auf den ungarischen
Thron nährt, oder doch diejenigen Monarchisten, die einen der Erzherzöge (Albrecht
oder Joseph) Karl vorziehen, den König mit Absicht nach Ungarn lockten, um
wenigstens seine Kandidatur endgültig unmöglich zu machen. Es ist nicht einmal
ausgemacht, daß diese Intrige zum Schaden des Landes selbst ausschlägt. Die
Kleine Entente hat allerdings ein Ultimatum entworfen, in dem gesetzmäßige
Absetzung der Habsburgischen Dynastie, Abrüstung unter Kontrolle der Kleinen
Entente, Ersatz der Kosten für die militärischen Vorkehrungen, genaue Einhaltung
des Vertrages von Trianon, Ausweisung aller jener ungarischen Staatsbürger,
die in hochverräterischen Organisationen gegen das Vaterland gearbeitet hauen
und Bestrafung aller beim Pulses beteiligten Personen gefordert werden (also
unvergleichlich viel mehr als nach dem Attentat von Serajewo Österreich-Ungarn
von Serbien forderte), aber die Übergabe dieses Ultimatums hat sich, durch in
Belgrad erfolgten Eingriff Italiens und Frankreichs, die unangenehme Ent¬
hüllungen und neue kriegerische Verwicklungen fürchten, noch verzögert und
abgeschwächt, sodaß die ungarische Regierung einstweilen die Initiative behielt
und erklären konnte, sie werde die Frage der Monarchie nickt auf Zwang von
außen her, sondern durch freiwillige Entschließung ordnen. Wie weit diese freie


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Venedig zu weiterer planmäßigen Verdrängung der deutschfreundlichen Strö¬
mungen und um den Eindruck der franzosenfeindlichen Kundgebungen, deren
elementarischer Ausdruck? in Paris schmerzlich überrascht hatte, zu verwischen,
Italien kräftig unterstützt hatte, wahrscheinlich auch, daß man die Festigkeit im
Inneren nicht der Probe einer sofortigen Mobilisierung unterwerfen wollte. Vor
kaum vierzehn Tagen hat allerdings der tschechisch-slowakische Gesandte in Berlin
auf die Reise des Präsidenten Masaryck durch die Slowakei hingewiesen, die
einem Triumphzuge geglichen habe, der alle Gerüchte über Unruhen und Gärung
Lügen strafe, wie wenig man jedoch der Lage gewiß ist, beweist die schleunige
Verhängung des Standrechts über die gesamte Slowakei, und auch die Deutschen
haben wahrheitsgemäß erklärt, daß sie sich nur gezwungen und ohne die geringste
Begeisterung mobilisieren ließen. Auch unter den Tschechen selbst gibt es ja eine
ganze Anzahl Leute, die nichts weniger als glühende AntiMonarchisten sind und
endlich wird die erste gegen Bela Khun erlittene Niederlage noch in aller Ge¬
dächtnis sein. Rumänien schließlich hat sich zunächst überhaupt nicht gerührt, dazu,
werden, abgesehen von der noch immer andauernden Bedrohung von Nußland
her, mit dem die Verhandlungen über Betzarabien wieder einmal abgebrochen sind,
die Beziehungen zwischen ungarischen und rumänischen Großmagnciten zu eng
sein. Daß, nachdem der Pulses endgültig mißglückt war, alle Beteiligten, Kleine
wie Große Entente, von Anfang an gegen Habsburg und die Errichtung der Mon¬
archie gewesen zu sein erklären, besagt für die tatsächlichen Verhältnisse gar nichts.

Die Aussichten Karls waren also keineswegs gering. Gegen das Umer-
nehmen sprachen, abgesehen von der persönlichen Unfähigkeit des königlichen
Intriganten, nur drei Umstände. Einmal, daß es beim ersten Male im März
mißglückt war. Es liegt im Wesen derartiger Unternehmungen, daß sie im ersten
Anlauf glücken müssen ober scheitern. Karl wußte das und hat daher, bevor er
einen zweiten unternahm, den Weg über den Völkerbund versucht. War Ungarn
im Völkerbund, so hatte es damit Garantien für friedliche Gesinnung gegeben,
konnte die Errichtung der Monarchie als rein innerpolitische Angelegenheit hin¬
stellen und bei Einmischung der Nachbarn den Schutz der Mächte anrufen. Bei
der auffallenden Geschäftigkeit, mit der die Agenten des Königs überall arbeiteten,
konnte jedoch dieser Plan der Aufmerksamkeit der Nachbarn nicht entgehen. Sie
widersetzten sich der Aufnahme Ungarns, das daraus seine Kandidatur zurückzog.
Dies führt uns auf den dritten Umstand: die Uneinigkeit der ungarischen Mon¬
archisten untereinander. Es ist nämlich die Frage, ob die ungarische Regierung
die Völkerbundkandidatur Ungarns allein aus Furcht vor den Nachbarn zurückzog
oder nicht vielleicht auch in der Absicht, den Plan Karls zu vereiteln. Es ist
auch die Frage, ob nicht entweder Horthy selbst, der bekanntlich selbst direkte
oder (durch eine Heirat seiner Tochter) indirekte Ambitionen auf den ungarischen
Thron nährt, oder doch diejenigen Monarchisten, die einen der Erzherzöge (Albrecht
oder Joseph) Karl vorziehen, den König mit Absicht nach Ungarn lockten, um
wenigstens seine Kandidatur endgültig unmöglich zu machen. Es ist nicht einmal
ausgemacht, daß diese Intrige zum Schaden des Landes selbst ausschlägt. Die
Kleine Entente hat allerdings ein Ultimatum entworfen, in dem gesetzmäßige
Absetzung der Habsburgischen Dynastie, Abrüstung unter Kontrolle der Kleinen
Entente, Ersatz der Kosten für die militärischen Vorkehrungen, genaue Einhaltung
des Vertrages von Trianon, Ausweisung aller jener ungarischen Staatsbürger,
die in hochverräterischen Organisationen gegen das Vaterland gearbeitet hauen
und Bestrafung aller beim Pulses beteiligten Personen gefordert werden (also
unvergleichlich viel mehr als nach dem Attentat von Serajewo Österreich-Ungarn
von Serbien forderte), aber die Übergabe dieses Ultimatums hat sich, durch in
Belgrad erfolgten Eingriff Italiens und Frankreichs, die unangenehme Ent¬
hüllungen und neue kriegerische Verwicklungen fürchten, noch verzögert und
abgeschwächt, sodaß die ungarische Regierung einstweilen die Initiative behielt
und erklären konnte, sie werde die Frage der Monarchie nickt auf Zwang von
außen her, sondern durch freiwillige Entschließung ordnen. Wie weit diese freie


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[0196] Weltspiegel Venedig zu weiterer planmäßigen Verdrängung der deutschfreundlichen Strö¬ mungen und um den Eindruck der franzosenfeindlichen Kundgebungen, deren elementarischer Ausdruck? in Paris schmerzlich überrascht hatte, zu verwischen, Italien kräftig unterstützt hatte, wahrscheinlich auch, daß man die Festigkeit im Inneren nicht der Probe einer sofortigen Mobilisierung unterwerfen wollte. Vor kaum vierzehn Tagen hat allerdings der tschechisch-slowakische Gesandte in Berlin auf die Reise des Präsidenten Masaryck durch die Slowakei hingewiesen, die einem Triumphzuge geglichen habe, der alle Gerüchte über Unruhen und Gärung Lügen strafe, wie wenig man jedoch der Lage gewiß ist, beweist die schleunige Verhängung des Standrechts über die gesamte Slowakei, und auch die Deutschen haben wahrheitsgemäß erklärt, daß sie sich nur gezwungen und ohne die geringste Begeisterung mobilisieren ließen. Auch unter den Tschechen selbst gibt es ja eine ganze Anzahl Leute, die nichts weniger als glühende AntiMonarchisten sind und endlich wird die erste gegen Bela Khun erlittene Niederlage noch in aller Ge¬ dächtnis sein. Rumänien schließlich hat sich zunächst überhaupt nicht gerührt, dazu, werden, abgesehen von der noch immer andauernden Bedrohung von Nußland her, mit dem die Verhandlungen über Betzarabien wieder einmal abgebrochen sind, die Beziehungen zwischen ungarischen und rumänischen Großmagnciten zu eng sein. Daß, nachdem der Pulses endgültig mißglückt war, alle Beteiligten, Kleine wie Große Entente, von Anfang an gegen Habsburg und die Errichtung der Mon¬ archie gewesen zu sein erklären, besagt für die tatsächlichen Verhältnisse gar nichts. Die Aussichten Karls waren also keineswegs gering. Gegen das Umer- nehmen sprachen, abgesehen von der persönlichen Unfähigkeit des königlichen Intriganten, nur drei Umstände. Einmal, daß es beim ersten Male im März mißglückt war. Es liegt im Wesen derartiger Unternehmungen, daß sie im ersten Anlauf glücken müssen ober scheitern. Karl wußte das und hat daher, bevor er einen zweiten unternahm, den Weg über den Völkerbund versucht. War Ungarn im Völkerbund, so hatte es damit Garantien für friedliche Gesinnung gegeben, konnte die Errichtung der Monarchie als rein innerpolitische Angelegenheit hin¬ stellen und bei Einmischung der Nachbarn den Schutz der Mächte anrufen. Bei der auffallenden Geschäftigkeit, mit der die Agenten des Königs überall arbeiteten, konnte jedoch dieser Plan der Aufmerksamkeit der Nachbarn nicht entgehen. Sie widersetzten sich der Aufnahme Ungarns, das daraus seine Kandidatur zurückzog. Dies führt uns auf den dritten Umstand: die Uneinigkeit der ungarischen Mon¬ archisten untereinander. Es ist nämlich die Frage, ob die ungarische Regierung die Völkerbundkandidatur Ungarns allein aus Furcht vor den Nachbarn zurückzog oder nicht vielleicht auch in der Absicht, den Plan Karls zu vereiteln. Es ist auch die Frage, ob nicht entweder Horthy selbst, der bekanntlich selbst direkte oder (durch eine Heirat seiner Tochter) indirekte Ambitionen auf den ungarischen Thron nährt, oder doch diejenigen Monarchisten, die einen der Erzherzöge (Albrecht oder Joseph) Karl vorziehen, den König mit Absicht nach Ungarn lockten, um wenigstens seine Kandidatur endgültig unmöglich zu machen. Es ist nicht einmal ausgemacht, daß diese Intrige zum Schaden des Landes selbst ausschlägt. Die Kleine Entente hat allerdings ein Ultimatum entworfen, in dem gesetzmäßige Absetzung der Habsburgischen Dynastie, Abrüstung unter Kontrolle der Kleinen Entente, Ersatz der Kosten für die militärischen Vorkehrungen, genaue Einhaltung des Vertrages von Trianon, Ausweisung aller jener ungarischen Staatsbürger, die in hochverräterischen Organisationen gegen das Vaterland gearbeitet hauen und Bestrafung aller beim Pulses beteiligten Personen gefordert werden (also unvergleichlich viel mehr als nach dem Attentat von Serajewo Österreich-Ungarn von Serbien forderte), aber die Übergabe dieses Ultimatums hat sich, durch in Belgrad erfolgten Eingriff Italiens und Frankreichs, die unangenehme Ent¬ hüllungen und neue kriegerische Verwicklungen fürchten, noch verzögert und abgeschwächt, sodaß die ungarische Regierung einstweilen die Initiative behielt und erklären konnte, sie werde die Frage der Monarchie nickt auf Zwang von außen her, sondern durch freiwillige Entschließung ordnen. Wie weit diese freie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/196>, abgerufen am 14.05.2024.