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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Bekir Sainy Bey in London konnte man abschließen, da er beide türkische Re¬
gierungen, die von Konstantinopel und die von Angora, vertrat; ein von der
Angoraregierung abgeschlossener Vertrag kann von Konstantinopel jederzeit als
rechtsungültig abgeschlossen verleugnet und wird es werden, sobald man die Fran¬
zosen nicht mehr nötig zu haben glaubt. Die beiden türkischen Regierungen sind,
wie sich in London gezeigt hat. untereinander durchaus nicht so uneinig, wie die
Europäer gern möchten.

Andererseits darf man nicht unberücksichtigt lassen, daß die Engländer gegen
Kennt Pascha nur im äußersten Notfall aktiv vorgehen würden, einmal, weil man
ans den Straßen Kleinasiens leider nicht mit Schiffen fahren kann, dann aber
auch, weil man unangenehme Rückwirkungen nicht nur auf Indien, sondern vor
allem auf Mesopotamien und Ägypten befürchten muß. Denn wenn man auch
die Bündnisfähigkeit und -berei'tschaft orientalischer Staaten nicht überschätzen
darf, es ist unleugbar, daß sich eine Solidarität der Mohammedanerstaaten in
Mittel-- und Vorderasien langsam, wie immer im Orient, aber doch nicht mehr
verkennbar herausbildet. Zwischen Afghanistan, Persien, Kurdistan und Angora
gehen mit russischem Gelde Boten hin und her. Warum nicht auch nach Mesopo¬
tamien? Nach Arabien? Nach Kairo? Schon wagt Zaglul Pascha sein Land
mit Irland zu vergleichen, schon hat er (laut Times vom 15. September) wie
ein Souverän England die "Abtretung" der Halbinsel Sinai "angeboten", und
auch das nur für eine Anzahl von Jahren. Schon wagt dieser Unbeugsame von
einer englisch-ägyptischen Interessengemeinschaft zu reden und gütigst zuzusagen,
daß Ägypten als Alliierter Englands bereit sei" werde, den Suez-Kanal auf
eigene'Kosten zu schützen. Unzweifelhaft haben die Ägypter vieles von dem Auf¬
treten der Engländer, denen jetzt die Erfüllung ihrer sogenannten zivilisatorischer
Aufgaben sehr aufs Bntterende zu schlagen beginnt, gelernt. Die Engländer haben
daraufhin das Klügste getan, was in solchen Fällen übrig bleibt.- sie haben die
Forderungen Zaglnls überhört und neue Verhandlungen mit dem anscheinend
oder wirklich gemäßigten Ministerpräsidenten Abu Pascha aufgenommen. Auch
diesem gegenüber haben sie aber schon viel ablassen müssen. Geeinigt scheint
man sich bis jetzt über folgende Punkte zu haben: Die englische Besatzung wird
auf Port Said und die östliche Zone des Suezkanals beschränkt. Einsetzung eines
englischen Kontrolleurs für die Finanzen. Ägypten bekommt das Recht eigener
diplomatischer Vertretung im Ausland, muß jedoch bei Abschluß aller Verträge,
mit Ausnahme von Handelsverträgen, England zu Rate ziehen. Alexandrien wird
englische Flottcnbasis mit internationaler Polizei. All dies ist aber, bis jetzt
wenigstens, so unbestimmt, daß es nur zur Quelle, weiterer Verwicklungen werden,
kann, und über die Sicherung ber Kairo-.Eapstadt-Linie wird immer noch ver¬
handelt. Vor allem aber kann auch Abu Pascha natürlich vom ägyptischen Volk,
d. h. von den Intellektuellen französischer wie englischer Bildung, jederzeit des¬
avouiert werden, wenn die Gelegenheit, England weitere Konzessionen abzu
dringen, günstig erscheint. 'Noch immer ist für England die Gefahr, Ägypten
eines Tages zu verlieren, nicht drohend, aber sie wächst mit jedem Tage.

Um so mehr als die besten Kräfte Englands dnrch den Konflikt mit Irland
in Anspruch genonnnen werden. Die ganze Nation fühlt, was ans dem Spiele
steht. Wenn man im eigenen Hause Feuer hat, bringt man nur schwer noch die
Kraft auf, für entferntere Ziele zu sorgen. Zwei Formeln müssen gefunden
werden: die Einigung zwischen Irland und Großbritannien und die Einigung
zwischen den, nördlichen und südlichen Teile Irlands selbst. Beides scheint un¬
möglich, da weder Nordirland mit dem Süden noch Sinufein mit Großbritannien
die'Einigung wirklich wollen. Die britische Regierung aber steht zwischen zwei
Feuern, den Unionisten und den unzweifelhaft von Amerika her in ihrem Wider¬
stand bestärkten Anhängern de Valeras. Unter allen Umständen möchte sie einen
ruinösen Bürgerkrieg vermeiden, aber jede Bekundimg dieses Willens ermutigt
nicht nur den Ansturm der Opposition im Parlament, sondern anch die Hartnäckig ¬
keit Sinnfeins. Dabei ist es jedem politisch Denkenden durchaus klar, daß Groß-


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Bekir Sainy Bey in London konnte man abschließen, da er beide türkische Re¬
gierungen, die von Konstantinopel und die von Angora, vertrat; ein von der
Angoraregierung abgeschlossener Vertrag kann von Konstantinopel jederzeit als
rechtsungültig abgeschlossen verleugnet und wird es werden, sobald man die Fran¬
zosen nicht mehr nötig zu haben glaubt. Die beiden türkischen Regierungen sind,
wie sich in London gezeigt hat. untereinander durchaus nicht so uneinig, wie die
Europäer gern möchten.

Andererseits darf man nicht unberücksichtigt lassen, daß die Engländer gegen
Kennt Pascha nur im äußersten Notfall aktiv vorgehen würden, einmal, weil man
ans den Straßen Kleinasiens leider nicht mit Schiffen fahren kann, dann aber
auch, weil man unangenehme Rückwirkungen nicht nur auf Indien, sondern vor
allem auf Mesopotamien und Ägypten befürchten muß. Denn wenn man auch
die Bündnisfähigkeit und -berei'tschaft orientalischer Staaten nicht überschätzen
darf, es ist unleugbar, daß sich eine Solidarität der Mohammedanerstaaten in
Mittel-- und Vorderasien langsam, wie immer im Orient, aber doch nicht mehr
verkennbar herausbildet. Zwischen Afghanistan, Persien, Kurdistan und Angora
gehen mit russischem Gelde Boten hin und her. Warum nicht auch nach Mesopo¬
tamien? Nach Arabien? Nach Kairo? Schon wagt Zaglul Pascha sein Land
mit Irland zu vergleichen, schon hat er (laut Times vom 15. September) wie
ein Souverän England die „Abtretung" der Halbinsel Sinai „angeboten", und
auch das nur für eine Anzahl von Jahren. Schon wagt dieser Unbeugsame von
einer englisch-ägyptischen Interessengemeinschaft zu reden und gütigst zuzusagen,
daß Ägypten als Alliierter Englands bereit sei» werde, den Suez-Kanal auf
eigene'Kosten zu schützen. Unzweifelhaft haben die Ägypter vieles von dem Auf¬
treten der Engländer, denen jetzt die Erfüllung ihrer sogenannten zivilisatorischer
Aufgaben sehr aufs Bntterende zu schlagen beginnt, gelernt. Die Engländer haben
daraufhin das Klügste getan, was in solchen Fällen übrig bleibt.- sie haben die
Forderungen Zaglnls überhört und neue Verhandlungen mit dem anscheinend
oder wirklich gemäßigten Ministerpräsidenten Abu Pascha aufgenommen. Auch
diesem gegenüber haben sie aber schon viel ablassen müssen. Geeinigt scheint
man sich bis jetzt über folgende Punkte zu haben: Die englische Besatzung wird
auf Port Said und die östliche Zone des Suezkanals beschränkt. Einsetzung eines
englischen Kontrolleurs für die Finanzen. Ägypten bekommt das Recht eigener
diplomatischer Vertretung im Ausland, muß jedoch bei Abschluß aller Verträge,
mit Ausnahme von Handelsverträgen, England zu Rate ziehen. Alexandrien wird
englische Flottcnbasis mit internationaler Polizei. All dies ist aber, bis jetzt
wenigstens, so unbestimmt, daß es nur zur Quelle, weiterer Verwicklungen werden,
kann, und über die Sicherung ber Kairo-.Eapstadt-Linie wird immer noch ver¬
handelt. Vor allem aber kann auch Abu Pascha natürlich vom ägyptischen Volk,
d. h. von den Intellektuellen französischer wie englischer Bildung, jederzeit des¬
avouiert werden, wenn die Gelegenheit, England weitere Konzessionen abzu
dringen, günstig erscheint. 'Noch immer ist für England die Gefahr, Ägypten
eines Tages zu verlieren, nicht drohend, aber sie wächst mit jedem Tage.

Um so mehr als die besten Kräfte Englands dnrch den Konflikt mit Irland
in Anspruch genonnnen werden. Die ganze Nation fühlt, was ans dem Spiele
steht. Wenn man im eigenen Hause Feuer hat, bringt man nur schwer noch die
Kraft auf, für entferntere Ziele zu sorgen. Zwei Formeln müssen gefunden
werden: die Einigung zwischen Irland und Großbritannien und die Einigung
zwischen den, nördlichen und südlichen Teile Irlands selbst. Beides scheint un¬
möglich, da weder Nordirland mit dem Süden noch Sinufein mit Großbritannien
die'Einigung wirklich wollen. Die britische Regierung aber steht zwischen zwei
Feuern, den Unionisten und den unzweifelhaft von Amerika her in ihrem Wider¬
stand bestärkten Anhängern de Valeras. Unter allen Umständen möchte sie einen
ruinösen Bürgerkrieg vermeiden, aber jede Bekundimg dieses Willens ermutigt
nicht nur den Ansturm der Opposition im Parlament, sondern anch die Hartnäckig ¬
keit Sinnfeins. Dabei ist es jedem politisch Denkenden durchaus klar, daß Groß-


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[0231] Meltspiegel Bekir Sainy Bey in London konnte man abschließen, da er beide türkische Re¬ gierungen, die von Konstantinopel und die von Angora, vertrat; ein von der Angoraregierung abgeschlossener Vertrag kann von Konstantinopel jederzeit als rechtsungültig abgeschlossen verleugnet und wird es werden, sobald man die Fran¬ zosen nicht mehr nötig zu haben glaubt. Die beiden türkischen Regierungen sind, wie sich in London gezeigt hat. untereinander durchaus nicht so uneinig, wie die Europäer gern möchten. Andererseits darf man nicht unberücksichtigt lassen, daß die Engländer gegen Kennt Pascha nur im äußersten Notfall aktiv vorgehen würden, einmal, weil man ans den Straßen Kleinasiens leider nicht mit Schiffen fahren kann, dann aber auch, weil man unangenehme Rückwirkungen nicht nur auf Indien, sondern vor allem auf Mesopotamien und Ägypten befürchten muß. Denn wenn man auch die Bündnisfähigkeit und -berei'tschaft orientalischer Staaten nicht überschätzen darf, es ist unleugbar, daß sich eine Solidarität der Mohammedanerstaaten in Mittel-- und Vorderasien langsam, wie immer im Orient, aber doch nicht mehr verkennbar herausbildet. Zwischen Afghanistan, Persien, Kurdistan und Angora gehen mit russischem Gelde Boten hin und her. Warum nicht auch nach Mesopo¬ tamien? Nach Arabien? Nach Kairo? Schon wagt Zaglul Pascha sein Land mit Irland zu vergleichen, schon hat er (laut Times vom 15. September) wie ein Souverän England die „Abtretung" der Halbinsel Sinai „angeboten", und auch das nur für eine Anzahl von Jahren. Schon wagt dieser Unbeugsame von einer englisch-ägyptischen Interessengemeinschaft zu reden und gütigst zuzusagen, daß Ägypten als Alliierter Englands bereit sei» werde, den Suez-Kanal auf eigene'Kosten zu schützen. Unzweifelhaft haben die Ägypter vieles von dem Auf¬ treten der Engländer, denen jetzt die Erfüllung ihrer sogenannten zivilisatorischer Aufgaben sehr aufs Bntterende zu schlagen beginnt, gelernt. Die Engländer haben daraufhin das Klügste getan, was in solchen Fällen übrig bleibt.- sie haben die Forderungen Zaglnls überhört und neue Verhandlungen mit dem anscheinend oder wirklich gemäßigten Ministerpräsidenten Abu Pascha aufgenommen. Auch diesem gegenüber haben sie aber schon viel ablassen müssen. Geeinigt scheint man sich bis jetzt über folgende Punkte zu haben: Die englische Besatzung wird auf Port Said und die östliche Zone des Suezkanals beschränkt. Einsetzung eines englischen Kontrolleurs für die Finanzen. Ägypten bekommt das Recht eigener diplomatischer Vertretung im Ausland, muß jedoch bei Abschluß aller Verträge, mit Ausnahme von Handelsverträgen, England zu Rate ziehen. Alexandrien wird englische Flottcnbasis mit internationaler Polizei. All dies ist aber, bis jetzt wenigstens, so unbestimmt, daß es nur zur Quelle, weiterer Verwicklungen werden, kann, und über die Sicherung ber Kairo-.Eapstadt-Linie wird immer noch ver¬ handelt. Vor allem aber kann auch Abu Pascha natürlich vom ägyptischen Volk, d. h. von den Intellektuellen französischer wie englischer Bildung, jederzeit des¬ avouiert werden, wenn die Gelegenheit, England weitere Konzessionen abzu dringen, günstig erscheint. 'Noch immer ist für England die Gefahr, Ägypten eines Tages zu verlieren, nicht drohend, aber sie wächst mit jedem Tage. Um so mehr als die besten Kräfte Englands dnrch den Konflikt mit Irland in Anspruch genonnnen werden. Die ganze Nation fühlt, was ans dem Spiele steht. Wenn man im eigenen Hause Feuer hat, bringt man nur schwer noch die Kraft auf, für entferntere Ziele zu sorgen. Zwei Formeln müssen gefunden werden: die Einigung zwischen Irland und Großbritannien und die Einigung zwischen den, nördlichen und südlichen Teile Irlands selbst. Beides scheint un¬ möglich, da weder Nordirland mit dem Süden noch Sinufein mit Großbritannien die'Einigung wirklich wollen. Die britische Regierung aber steht zwischen zwei Feuern, den Unionisten und den unzweifelhaft von Amerika her in ihrem Wider¬ stand bestärkten Anhängern de Valeras. Unter allen Umständen möchte sie einen ruinösen Bürgerkrieg vermeiden, aber jede Bekundimg dieses Willens ermutigt nicht nur den Ansturm der Opposition im Parlament, sondern anch die Hartnäckig ¬ keit Sinnfeins. Dabei ist es jedem politisch Denkenden durchaus klar, daß Groß-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/231>, abgerufen am 14.05.2024.