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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Altes und neues Heer

Offizier werden, mich losreißen von meiner ärmlichen Vergangenheit, hochkommen,
vorwärtskommen!

Mutter schickt mir Geld, Extra-Uniform und Ledergamaschen. Das ist meine
heimliche Freude. Komm ich nach Haus, seh' ich so schneidig wie ein Offizier
aus. Ich weiß, daß ich eitel bin. Das muß jeder rechte Soldat sein!

Aber ich bin auch fleißig. Wenn der Dienst aus ist, sitze ich hinter den
Büchern, gehe in die Volkshochschule, in den Fortbildungslehrgang, in's Theater,
in's Konzert und in die Oper: Hochkommen ist meine Sehnsucht. Deshalb ging
ich von der Heimat fort. Sie wollten meinen Drang dort an die Kette deS Her¬
kommens legen...

Nach zwölf Jahren bin ich Leutnant oder kann Beamter werden. Ich denke
nicht daran. Will Soldat bleiben, will helfen, dem Vaterlande Menschen zu
schaffen, die vorwärts streben wie ich, zur Tat fähig sind wie ich, Soldaten des
Friedens und des Krieges: wie ich.

Ich bin noch jung und lebe nicht in Vorurteilen der alten Zeit und bin
schon alt genug, um klar zu sehen, daß diese alte Zeit weit besser war. Das
ist meine Politik.

Die Politik hat hier im Heer die Chargen arg entzweit. Ich glaub', daß
nur der eine Weg zum Frieden führen kann:

Wir wollen eine Gemeinschaft von Berufssoldaten sein: Offizier, Unter¬
offizier und Mann.

Und damit uns bescheiden.

Kampf sagen wir der Politik. Dann werden wir, dann wird die Zukunft
unserer Wehrmacht glücklich sein. . . ."




Die Erfahrungen des Kapp-Putsches forderten die Entpvlitisierung der
Wehrmacht.

Offiziere und Soldaten, müde der Politik, sehnten die EntPolitisierung herbei,

So wurde die EntPolitisierung der Reichswehr im Wehrgesetz festgelegt und
damit die Ära der ruhigen, gleichmäßigen Entwicklung geschaffen, der Boden be¬
reitet für eine Erziehung an Offizier und Soldat, die in die Tiefe geht.

Damit hat auch die Wehrmacht der Republik eine Zukunft.

Das soll ein "Ausblick" zeigen.




Altes und neues Heer

Offizier werden, mich losreißen von meiner ärmlichen Vergangenheit, hochkommen,
vorwärtskommen!

Mutter schickt mir Geld, Extra-Uniform und Ledergamaschen. Das ist meine
heimliche Freude. Komm ich nach Haus, seh' ich so schneidig wie ein Offizier
aus. Ich weiß, daß ich eitel bin. Das muß jeder rechte Soldat sein!

Aber ich bin auch fleißig. Wenn der Dienst aus ist, sitze ich hinter den
Büchern, gehe in die Volkshochschule, in den Fortbildungslehrgang, in's Theater,
in's Konzert und in die Oper: Hochkommen ist meine Sehnsucht. Deshalb ging
ich von der Heimat fort. Sie wollten meinen Drang dort an die Kette deS Her¬
kommens legen...

Nach zwölf Jahren bin ich Leutnant oder kann Beamter werden. Ich denke
nicht daran. Will Soldat bleiben, will helfen, dem Vaterlande Menschen zu
schaffen, die vorwärts streben wie ich, zur Tat fähig sind wie ich, Soldaten des
Friedens und des Krieges: wie ich.

Ich bin noch jung und lebe nicht in Vorurteilen der alten Zeit und bin
schon alt genug, um klar zu sehen, daß diese alte Zeit weit besser war. Das
ist meine Politik.

Die Politik hat hier im Heer die Chargen arg entzweit. Ich glaub', daß
nur der eine Weg zum Frieden führen kann:

Wir wollen eine Gemeinschaft von Berufssoldaten sein: Offizier, Unter¬
offizier und Mann.

Und damit uns bescheiden.

Kampf sagen wir der Politik. Dann werden wir, dann wird die Zukunft
unserer Wehrmacht glücklich sein. . . ."




Die Erfahrungen des Kapp-Putsches forderten die Entpvlitisierung der
Wehrmacht.

Offiziere und Soldaten, müde der Politik, sehnten die EntPolitisierung herbei,

So wurde die EntPolitisierung der Reichswehr im Wehrgesetz festgelegt und
damit die Ära der ruhigen, gleichmäßigen Entwicklung geschaffen, der Boden be¬
reitet für eine Erziehung an Offizier und Soldat, die in die Tiefe geht.

Damit hat auch die Wehrmacht der Republik eine Zukunft.

Das soll ein „Ausblick" zeigen.




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[0260] Altes und neues Heer Offizier werden, mich losreißen von meiner ärmlichen Vergangenheit, hochkommen, vorwärtskommen! Mutter schickt mir Geld, Extra-Uniform und Ledergamaschen. Das ist meine heimliche Freude. Komm ich nach Haus, seh' ich so schneidig wie ein Offizier aus. Ich weiß, daß ich eitel bin. Das muß jeder rechte Soldat sein! Aber ich bin auch fleißig. Wenn der Dienst aus ist, sitze ich hinter den Büchern, gehe in die Volkshochschule, in den Fortbildungslehrgang, in's Theater, in's Konzert und in die Oper: Hochkommen ist meine Sehnsucht. Deshalb ging ich von der Heimat fort. Sie wollten meinen Drang dort an die Kette deS Her¬ kommens legen... Nach zwölf Jahren bin ich Leutnant oder kann Beamter werden. Ich denke nicht daran. Will Soldat bleiben, will helfen, dem Vaterlande Menschen zu schaffen, die vorwärts streben wie ich, zur Tat fähig sind wie ich, Soldaten des Friedens und des Krieges: wie ich. Ich bin noch jung und lebe nicht in Vorurteilen der alten Zeit und bin schon alt genug, um klar zu sehen, daß diese alte Zeit weit besser war. Das ist meine Politik. Die Politik hat hier im Heer die Chargen arg entzweit. Ich glaub', daß nur der eine Weg zum Frieden führen kann: Wir wollen eine Gemeinschaft von Berufssoldaten sein: Offizier, Unter¬ offizier und Mann. Und damit uns bescheiden. Kampf sagen wir der Politik. Dann werden wir, dann wird die Zukunft unserer Wehrmacht glücklich sein. . . ." Die Erfahrungen des Kapp-Putsches forderten die Entpvlitisierung der Wehrmacht. Offiziere und Soldaten, müde der Politik, sehnten die EntPolitisierung herbei, So wurde die EntPolitisierung der Reichswehr im Wehrgesetz festgelegt und damit die Ära der ruhigen, gleichmäßigen Entwicklung geschaffen, der Boden be¬ reitet für eine Erziehung an Offizier und Soldat, die in die Tiefe geht. Damit hat auch die Wehrmacht der Republik eine Zukunft. Das soll ein „Ausblick" zeigen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/260>, abgerufen am 26.05.2024.