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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Die Zeitung

freundlich verschriene Litauen, das durch das Gebiet von Memel gewonnen wer¬
den soll.

Hinter diesem tut sich dann ein weiter gespannter Bündnisbogeu auf, der
von Petrograd bis an die Tore Indiens reicht. Während die Verhandlungen
mit Rumänien über den rumänischen, während des Krieges nach Moskau ge¬
schafften Staatsschatz und über Besscirabieu wieder einmal abgebrochen sind, weil,
nach einem Geständnis des russischen Unterhändlers, von dem rumänischen Staats¬
schatz nichts mehr übrig ist und weil Rumänien die bcssarabische Frage als erledigt
erklärte, haben sich, wie die Konferenz von Kars im Oktober ergibt, die Be¬
ziehungen zwischen Moskau und Angora weiter gefestigt, sodaß man über die
Grenzen von Armenien, Georgien, Äscrveidschan und der Türkei endlich ins
Reine gekommen ist. Das wichtigste ist, daß zunächst Armenien mit der Haupt¬
stadt Eriwan als selbständig anerkannt worden ist, allerdings Kars, Ardahan
und Bajased an die Türkei abtreten muß, die ihrerseits Georgien ein nicht un¬
beträchtliches Gebiet südlich Batna zugesteht. Damit sind wichtige Interessen¬
gegensätze zwischen Rußland und der Türkei vorläufig beglichen, und erfahren
die an dieser Stelle des öfteren bereits erwähnten Bündnisse der beiden alten
Gegner mit Persien und Afghanistan neue Festigung.

Endlich dürfen auch die neuerdings wieder stärker betriebenen und zum
Teil über Tschita, zum Teil über LZeking geleiteten Verhandlungen zwischen Nu߬
land und Japan nicht unbeachtet bleiben, namentlich auch, weil sie die Haltung
des immer stärker in die Enge getriebenen Japan in Washington beeinflussen
werden. Gelingt es Japan, mit der Regierung des Fernen Ostens zu einer Eini¬
gung zu kommen und sich von Norden her wenigstens die Mandschurei zu sichern,
so kann es den Verdrängungsabsichten Amerikas mit mehr Ruhe als bisher ent¬
gegensehen. Die Amerikaner werden sich jedenfalls hüten, durch allzu starre Hal¬
tung Japaner und Russen zu eng zusammenzuführen und sich einstweilen mit
d Menenius er "Freien Tür in China" begnügen.




Die Zeitung
Früher ist es nicht nötig gewesen,
täglich deine Zeitung zu lesen-,
aber heule darfst du nicht rud'n,
heute mußt du es gründlich tun.
Daß du begreifst, daß du es weißt,
was es bedeutet, was es heißt,
wenn der Feind im Lande ist,
wenn du in Ketten und Banden bist.



Die Zeitung

freundlich verschriene Litauen, das durch das Gebiet von Memel gewonnen wer¬
den soll.

Hinter diesem tut sich dann ein weiter gespannter Bündnisbogeu auf, der
von Petrograd bis an die Tore Indiens reicht. Während die Verhandlungen
mit Rumänien über den rumänischen, während des Krieges nach Moskau ge¬
schafften Staatsschatz und über Besscirabieu wieder einmal abgebrochen sind, weil,
nach einem Geständnis des russischen Unterhändlers, von dem rumänischen Staats¬
schatz nichts mehr übrig ist und weil Rumänien die bcssarabische Frage als erledigt
erklärte, haben sich, wie die Konferenz von Kars im Oktober ergibt, die Be¬
ziehungen zwischen Moskau und Angora weiter gefestigt, sodaß man über die
Grenzen von Armenien, Georgien, Äscrveidschan und der Türkei endlich ins
Reine gekommen ist. Das wichtigste ist, daß zunächst Armenien mit der Haupt¬
stadt Eriwan als selbständig anerkannt worden ist, allerdings Kars, Ardahan
und Bajased an die Türkei abtreten muß, die ihrerseits Georgien ein nicht un¬
beträchtliches Gebiet südlich Batna zugesteht. Damit sind wichtige Interessen¬
gegensätze zwischen Rußland und der Türkei vorläufig beglichen, und erfahren
die an dieser Stelle des öfteren bereits erwähnten Bündnisse der beiden alten
Gegner mit Persien und Afghanistan neue Festigung.

Endlich dürfen auch die neuerdings wieder stärker betriebenen und zum
Teil über Tschita, zum Teil über LZeking geleiteten Verhandlungen zwischen Nu߬
land und Japan nicht unbeachtet bleiben, namentlich auch, weil sie die Haltung
des immer stärker in die Enge getriebenen Japan in Washington beeinflussen
werden. Gelingt es Japan, mit der Regierung des Fernen Ostens zu einer Eini¬
gung zu kommen und sich von Norden her wenigstens die Mandschurei zu sichern,
so kann es den Verdrängungsabsichten Amerikas mit mehr Ruhe als bisher ent¬
gegensehen. Die Amerikaner werden sich jedenfalls hüten, durch allzu starre Hal¬
tung Japaner und Russen zu eng zusammenzuführen und sich einstweilen mit
d Menenius er „Freien Tür in China" begnügen.




Die Zeitung
Früher ist es nicht nötig gewesen,
täglich deine Zeitung zu lesen-,
aber heule darfst du nicht rud'n,
heute mußt du es gründlich tun.
Daß du begreifst, daß du es weißt,
was es bedeutet, was es heißt,
wenn der Feind im Lande ist,
wenn du in Ketten und Banden bist.



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[0291] Die Zeitung freundlich verschriene Litauen, das durch das Gebiet von Memel gewonnen wer¬ den soll. Hinter diesem tut sich dann ein weiter gespannter Bündnisbogeu auf, der von Petrograd bis an die Tore Indiens reicht. Während die Verhandlungen mit Rumänien über den rumänischen, während des Krieges nach Moskau ge¬ schafften Staatsschatz und über Besscirabieu wieder einmal abgebrochen sind, weil, nach einem Geständnis des russischen Unterhändlers, von dem rumänischen Staats¬ schatz nichts mehr übrig ist und weil Rumänien die bcssarabische Frage als erledigt erklärte, haben sich, wie die Konferenz von Kars im Oktober ergibt, die Be¬ ziehungen zwischen Moskau und Angora weiter gefestigt, sodaß man über die Grenzen von Armenien, Georgien, Äscrveidschan und der Türkei endlich ins Reine gekommen ist. Das wichtigste ist, daß zunächst Armenien mit der Haupt¬ stadt Eriwan als selbständig anerkannt worden ist, allerdings Kars, Ardahan und Bajased an die Türkei abtreten muß, die ihrerseits Georgien ein nicht un¬ beträchtliches Gebiet südlich Batna zugesteht. Damit sind wichtige Interessen¬ gegensätze zwischen Rußland und der Türkei vorläufig beglichen, und erfahren die an dieser Stelle des öfteren bereits erwähnten Bündnisse der beiden alten Gegner mit Persien und Afghanistan neue Festigung. Endlich dürfen auch die neuerdings wieder stärker betriebenen und zum Teil über Tschita, zum Teil über LZeking geleiteten Verhandlungen zwischen Nu߬ land und Japan nicht unbeachtet bleiben, namentlich auch, weil sie die Haltung des immer stärker in die Enge getriebenen Japan in Washington beeinflussen werden. Gelingt es Japan, mit der Regierung des Fernen Ostens zu einer Eini¬ gung zu kommen und sich von Norden her wenigstens die Mandschurei zu sichern, so kann es den Verdrängungsabsichten Amerikas mit mehr Ruhe als bisher ent¬ gegensehen. Die Amerikaner werden sich jedenfalls hüten, durch allzu starre Hal¬ tung Japaner und Russen zu eng zusammenzuführen und sich einstweilen mit d Menenius er „Freien Tür in China" begnügen. Die Zeitung Früher ist es nicht nötig gewesen, täglich deine Zeitung zu lesen-, aber heule darfst du nicht rud'n, heute mußt du es gründlich tun. Daß du begreifst, daß du es weißt, was es bedeutet, was es heißt, wenn der Feind im Lande ist, wenn du in Ketten und Banden bist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/291>, abgerufen am 14.05.2024.