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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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höchstens Österreich schadet, hat bereits die Gewerkschaftsaktiv" gegen Ungarn im
vorigen Jahr erwiesen. Eine einmal entfesselte tschechisch-südslawische' Aktion,
die man sich selbst überließe, würde nur neue Beunruhigung in Mitteleuropa her¬
vorrufen und wäre schwer zu zügeln, würde aber auch wahrscheinlich wieder -zu
unangenehmen Streitigkeiten zwischen den Slawen selbst führen. Rumänien
möchte sich aus Furcht vor immer noch drohenden russischen Angriffen in
Beßarabien und mit Rücksicht auf die immer noch gespannte Lage in den neuen,
ehemals ungarischen Gebietsteilen, auf ein aktives Eingreifen nicht einlassen. Italien
möchte Beziehungen zu künftigen ungarischen Machthabern nicht grundlegend ver¬
treten und ein von dem italienischen Gesandten in Belgrad vorgeschlagenes italienisch-
südslawisches Zusammenwirren würde mit Ziemlicher Sicherheit 'zu beträchtlichen
Reibereien führen, da wohl die Regierungen friedliche Absichten haben, die völki¬
schen Gegensätze zumal zwischen Angehörigen der Heere in unverminderter Stärke
weiterbestehen. Dazu kommt, daß 'in Frankreich, das offiziell, aus Furcht einen
verhängnisvollen Präzedenzfall zu schaffen und den Anschluß Österreichs an Teutsch¬
land zu fördern, die stritte Ausführung des Vertrages von Trianon fordert, unter der
Hand immer noch starke Sympathien für eine monarchische Restauration in
Ungarn bestehen, von der man hofft, daß sie den österreichischen Anschluß end¬
gültig verhindern, vielleicht sogar ihrerseits einen Anschluß Snddeutschlcinds,
mindestens Bayerns, zustande bringen und das protestantische Preußen so in Deutsch¬
land isolieren würde.

Die Engländer, die ihre Donanschiffahrts- und ihre rumänischen Petroleum-
interessen bereits ins Trockene gebracht haben, sehen der weiteren Entwicklung
in Ungarn mit größter Ruhe zu, sind dafür aber auf dem Balkan um so eifriger
darauf bedacht, die französischen Bemühungen zum Zustandebringen eines neuen
ValkanbundeS zu überwachen und einstweilen durch Dienstbarmachung Griechen-
lands und durch Begünstigung Italiens, das sich seinen seit Kriegsende sehr be¬
trächtlichen Einfluß auf den, Balkan gleichfalls nicht rauben lassen möchte, mög¬
lichst zu verhindern. Am tätigsten aber sind sie in Konstantinopel, wo sie, just
zu der Zeit, da die griechische Offensive vor Angora zum Stehen kam, und die
Griechen deu Nachschub von Material aus den türkischen Entwaffunngsmaga-
zinen, den sie vorher wegen der Neutralität der Meerengen nicht bekommen konn¬
ten, dringend nötig hatten, ein bolschewistisch-national-türkisches Komplott "ent¬
deckt" haben. Der General Harrington proklamierte daraufhin den Ausnahme¬
zustand, der ihnen unbedingte Vollmacht gab, zu tun und zu lassen, was ihm be¬
liebte, das heißt zum lebhaften Mißvergnügen der Franzosen weitere Schritte zur
endgültigen Anglisierung Konstantinopels zu tun. Dabei ist es auffällig, daß
von den 28 von dem englischen Oberbefehlshaber der türkischen Behörde namhaft
gemachten Teilnehmern an dem Komplott 11 nicht gefaßt werden können, weil
.sie in Anatolien weilen und 17 unauffindbar sind. Damit soll natürlich nicht
gesagt werden, daß das Komplott überhaupt nicht bestanden hat. Zu allen Zeiten
in allen unruhigen Ländern bestehen Komplotte, über die die Polizei sehr gut
unterrichtet ist, die aber immer erst entdeckt werden, wenn die Regierungen die
Entdeckung brauchen können. 'Die Engländer, aber auch die Russen, sind von
leder Meister in der Kunst solcher oppurtnner Entdeckungen gewesen,
zugleich mit diesen Vorgängen und um sowohl sie Ivie die griechische Nieder¬
lage in den Hintergrund des Interesses zu schieben, hat England an die Sowjet-
rcgierung eine scharfe Note ausgehen lassen, die Wer die schlechte Jnnehaltung
der im englisch-russischen Handelsvertrag vorgesehenen Einstellung der Sowjet¬
auslandspropaganda, namentlich in Mittelasien, Klage führt. Daß die russische
Regierung ihr Versprechen nicht halten würde, war freilich vorauszusehen, und
auch in England wird man sich darüber keine Illusionen gemacht haben. Es
erweist sich aber sogar an den Sowjets, daß dergleichen gebrochene Versprechen
die diplomatische Lage einer Regierung stets verschlechtern, die des Gegners da¬
gegen verbessern. Denn gleichzeitig konnte jetzt England vom Völkerbund aus,
der, ivie sich hier wieder zeigt, trotz seiner Ohnmacht ein diplomatisches Jnstru-


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höchstens Österreich schadet, hat bereits die Gewerkschaftsaktiv» gegen Ungarn im
vorigen Jahr erwiesen. Eine einmal entfesselte tschechisch-südslawische' Aktion,
die man sich selbst überließe, würde nur neue Beunruhigung in Mitteleuropa her¬
vorrufen und wäre schwer zu zügeln, würde aber auch wahrscheinlich wieder -zu
unangenehmen Streitigkeiten zwischen den Slawen selbst führen. Rumänien
möchte sich aus Furcht vor immer noch drohenden russischen Angriffen in
Beßarabien und mit Rücksicht auf die immer noch gespannte Lage in den neuen,
ehemals ungarischen Gebietsteilen, auf ein aktives Eingreifen nicht einlassen. Italien
möchte Beziehungen zu künftigen ungarischen Machthabern nicht grundlegend ver¬
treten und ein von dem italienischen Gesandten in Belgrad vorgeschlagenes italienisch-
südslawisches Zusammenwirren würde mit Ziemlicher Sicherheit 'zu beträchtlichen
Reibereien führen, da wohl die Regierungen friedliche Absichten haben, die völki¬
schen Gegensätze zumal zwischen Angehörigen der Heere in unverminderter Stärke
weiterbestehen. Dazu kommt, daß 'in Frankreich, das offiziell, aus Furcht einen
verhängnisvollen Präzedenzfall zu schaffen und den Anschluß Österreichs an Teutsch¬
land zu fördern, die stritte Ausführung des Vertrages von Trianon fordert, unter der
Hand immer noch starke Sympathien für eine monarchische Restauration in
Ungarn bestehen, von der man hofft, daß sie den österreichischen Anschluß end¬
gültig verhindern, vielleicht sogar ihrerseits einen Anschluß Snddeutschlcinds,
mindestens Bayerns, zustande bringen und das protestantische Preußen so in Deutsch¬
land isolieren würde.

Die Engländer, die ihre Donanschiffahrts- und ihre rumänischen Petroleum-
interessen bereits ins Trockene gebracht haben, sehen der weiteren Entwicklung
in Ungarn mit größter Ruhe zu, sind dafür aber auf dem Balkan um so eifriger
darauf bedacht, die französischen Bemühungen zum Zustandebringen eines neuen
ValkanbundeS zu überwachen und einstweilen durch Dienstbarmachung Griechen-
lands und durch Begünstigung Italiens, das sich seinen seit Kriegsende sehr be¬
trächtlichen Einfluß auf den, Balkan gleichfalls nicht rauben lassen möchte, mög¬
lichst zu verhindern. Am tätigsten aber sind sie in Konstantinopel, wo sie, just
zu der Zeit, da die griechische Offensive vor Angora zum Stehen kam, und die
Griechen deu Nachschub von Material aus den türkischen Entwaffunngsmaga-
zinen, den sie vorher wegen der Neutralität der Meerengen nicht bekommen konn¬
ten, dringend nötig hatten, ein bolschewistisch-national-türkisches Komplott „ent¬
deckt" haben. Der General Harrington proklamierte daraufhin den Ausnahme¬
zustand, der ihnen unbedingte Vollmacht gab, zu tun und zu lassen, was ihm be¬
liebte, das heißt zum lebhaften Mißvergnügen der Franzosen weitere Schritte zur
endgültigen Anglisierung Konstantinopels zu tun. Dabei ist es auffällig, daß
von den 28 von dem englischen Oberbefehlshaber der türkischen Behörde namhaft
gemachten Teilnehmern an dem Komplott 11 nicht gefaßt werden können, weil
.sie in Anatolien weilen und 17 unauffindbar sind. Damit soll natürlich nicht
gesagt werden, daß das Komplott überhaupt nicht bestanden hat. Zu allen Zeiten
in allen unruhigen Ländern bestehen Komplotte, über die die Polizei sehr gut
unterrichtet ist, die aber immer erst entdeckt werden, wenn die Regierungen die
Entdeckung brauchen können. 'Die Engländer, aber auch die Russen, sind von
leder Meister in der Kunst solcher oppurtnner Entdeckungen gewesen,
zugleich mit diesen Vorgängen und um sowohl sie Ivie die griechische Nieder¬
lage in den Hintergrund des Interesses zu schieben, hat England an die Sowjet-
rcgierung eine scharfe Note ausgehen lassen, die Wer die schlechte Jnnehaltung
der im englisch-russischen Handelsvertrag vorgesehenen Einstellung der Sowjet¬
auslandspropaganda, namentlich in Mittelasien, Klage führt. Daß die russische
Regierung ihr Versprechen nicht halten würde, war freilich vorauszusehen, und
auch in England wird man sich darüber keine Illusionen gemacht haben. Es
erweist sich aber sogar an den Sowjets, daß dergleichen gebrochene Versprechen
die diplomatische Lage einer Regierung stets verschlechtern, die des Gegners da¬
gegen verbessern. Denn gleichzeitig konnte jetzt England vom Völkerbund aus,
der, ivie sich hier wieder zeigt, trotz seiner Ohnmacht ein diplomatisches Jnstru-


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[0035] Weltspiegel höchstens Österreich schadet, hat bereits die Gewerkschaftsaktiv» gegen Ungarn im vorigen Jahr erwiesen. Eine einmal entfesselte tschechisch-südslawische' Aktion, die man sich selbst überließe, würde nur neue Beunruhigung in Mitteleuropa her¬ vorrufen und wäre schwer zu zügeln, würde aber auch wahrscheinlich wieder -zu unangenehmen Streitigkeiten zwischen den Slawen selbst führen. Rumänien möchte sich aus Furcht vor immer noch drohenden russischen Angriffen in Beßarabien und mit Rücksicht auf die immer noch gespannte Lage in den neuen, ehemals ungarischen Gebietsteilen, auf ein aktives Eingreifen nicht einlassen. Italien möchte Beziehungen zu künftigen ungarischen Machthabern nicht grundlegend ver¬ treten und ein von dem italienischen Gesandten in Belgrad vorgeschlagenes italienisch- südslawisches Zusammenwirren würde mit Ziemlicher Sicherheit 'zu beträchtlichen Reibereien führen, da wohl die Regierungen friedliche Absichten haben, die völki¬ schen Gegensätze zumal zwischen Angehörigen der Heere in unverminderter Stärke weiterbestehen. Dazu kommt, daß 'in Frankreich, das offiziell, aus Furcht einen verhängnisvollen Präzedenzfall zu schaffen und den Anschluß Österreichs an Teutsch¬ land zu fördern, die stritte Ausführung des Vertrages von Trianon fordert, unter der Hand immer noch starke Sympathien für eine monarchische Restauration in Ungarn bestehen, von der man hofft, daß sie den österreichischen Anschluß end¬ gültig verhindern, vielleicht sogar ihrerseits einen Anschluß Snddeutschlcinds, mindestens Bayerns, zustande bringen und das protestantische Preußen so in Deutsch¬ land isolieren würde. Die Engländer, die ihre Donanschiffahrts- und ihre rumänischen Petroleum- interessen bereits ins Trockene gebracht haben, sehen der weiteren Entwicklung in Ungarn mit größter Ruhe zu, sind dafür aber auf dem Balkan um so eifriger darauf bedacht, die französischen Bemühungen zum Zustandebringen eines neuen ValkanbundeS zu überwachen und einstweilen durch Dienstbarmachung Griechen- lands und durch Begünstigung Italiens, das sich seinen seit Kriegsende sehr be¬ trächtlichen Einfluß auf den, Balkan gleichfalls nicht rauben lassen möchte, mög¬ lichst zu verhindern. Am tätigsten aber sind sie in Konstantinopel, wo sie, just zu der Zeit, da die griechische Offensive vor Angora zum Stehen kam, und die Griechen deu Nachschub von Material aus den türkischen Entwaffunngsmaga- zinen, den sie vorher wegen der Neutralität der Meerengen nicht bekommen konn¬ ten, dringend nötig hatten, ein bolschewistisch-national-türkisches Komplott „ent¬ deckt" haben. Der General Harrington proklamierte daraufhin den Ausnahme¬ zustand, der ihnen unbedingte Vollmacht gab, zu tun und zu lassen, was ihm be¬ liebte, das heißt zum lebhaften Mißvergnügen der Franzosen weitere Schritte zur endgültigen Anglisierung Konstantinopels zu tun. Dabei ist es auffällig, daß von den 28 von dem englischen Oberbefehlshaber der türkischen Behörde namhaft gemachten Teilnehmern an dem Komplott 11 nicht gefaßt werden können, weil .sie in Anatolien weilen und 17 unauffindbar sind. Damit soll natürlich nicht gesagt werden, daß das Komplott überhaupt nicht bestanden hat. Zu allen Zeiten in allen unruhigen Ländern bestehen Komplotte, über die die Polizei sehr gut unterrichtet ist, die aber immer erst entdeckt werden, wenn die Regierungen die Entdeckung brauchen können. 'Die Engländer, aber auch die Russen, sind von leder Meister in der Kunst solcher oppurtnner Entdeckungen gewesen, zugleich mit diesen Vorgängen und um sowohl sie Ivie die griechische Nieder¬ lage in den Hintergrund des Interesses zu schieben, hat England an die Sowjet- rcgierung eine scharfe Note ausgehen lassen, die Wer die schlechte Jnnehaltung der im englisch-russischen Handelsvertrag vorgesehenen Einstellung der Sowjet¬ auslandspropaganda, namentlich in Mittelasien, Klage führt. Daß die russische Regierung ihr Versprechen nicht halten würde, war freilich vorauszusehen, und auch in England wird man sich darüber keine Illusionen gemacht haben. Es erweist sich aber sogar an den Sowjets, daß dergleichen gebrochene Versprechen die diplomatische Lage einer Regierung stets verschlechtern, die des Gegners da¬ gegen verbessern. Denn gleichzeitig konnte jetzt England vom Völkerbund aus, der, ivie sich hier wieder zeigt, trotz seiner Ohnmacht ein diplomatisches Jnstru-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/35>, abgerufen am 14.05.2024.