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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Schmetternd geigte der Fink, gewaltig ertönte des Pirols
Heller Ruf. Es revierte der Wiedehopf laut durch die Dorfmark.
Aufgeplatzt im Rondell war der brünstige Ball der Päonie,
dunkelrot. Ihre Stauden umgab das Smaragdgrün der Wiese.
Blendend gellte darin die dotterfarb-fettige Wolfsmilch.
Doch Bewegung und Fülle des Klanges und Wettstreit der Farben,
all dies Drängen und Weben im Licht: es vermochte ein süßes
Schweigen nicht zu ersticken, das fruchtbar und schläfrig im Licht lag.
Und es schienen wie Seelen des Schweigens die lautlosen Falter,
traumhaft taumelnd, wie blind, in beweglichem Schlafe befangen,
Somnambulen des Tags, und magische Stille verbreitend.
Still verzückt neben Anna und fast ihre Schulter berührend,
doch nicht ganz, saß der Liebende nun. Eine magische Klammer
war auch ihm um die Schläfen gelegt, und es brütete etwas
so berückend, als wie erstickend dem Jüngling im Blute.
Ach, es war wie die süße Betäubung von Weihrauch und Myrrhen,
Spezereien, weit köstlicher noch, als die Könige brachten,
die der Stern unsres Heilands geleitet zu Bethlehems Krippe.
Luz, du wärest ganz Ohnmacht in dieser unsterblichen Fülle,
drin du plötzlich dich fandst, übereilt von dem Zauber der Stunde.
Niemals hattest du Wonne gefühlt, wie sie jetzt in dir aufdrang,
als die Unnahbare nnn, die Geliebte, auf einmal so nah war.
Doch was war's, und warum schlug plötzlich so hoch in den Hals dir
bien unsinniges Herz und benahm dir dabei fast den Atem?
War dies wirklich, und durftest du trauen dem, was du erblicktest,
was du fühltest, so lag deine Hand um die Hand Fräulein Annas,
und es hatte in feinster Berührung ihr Knie an das deine
unterm Tisch sich geschmiegt ^ und was bliebe dir jetzt noch zu wünschen?
Und es lüftet verstohlen ein Knciblein mit goldenem Gürtel
das Gebüsch, das ihn barg und blickt listig, voll Neugier herüber.
Nosen kränzen dem Kinde, blutrot, die ambrosischen Locken,
und er zupft in Gedanken die Sehne des Bogens, die einen
Ton, nur einen, ertönt, sie entstammet der Leier Apollens,
dem sie Eros, der Knabe und Pflegling des Hermes, gestohlen.
Und es ist niemand anders als er^ den des Liebenden Auge
in hellsichtiger Wut der Verzauberung eben entdeckte,
wie er kommt, um zu sehn, was sein sicheres Gift nun gewirkt hat.
Und es lösen sich Luz alle Glieder in Wollust und Schönheit,
bis urplötzlich ein Krampf ihn durchfährt und er hart der Geliebten
Arm ergreift, ihn emporreißt und wütend die lechzender Lippen
preßt ins blühende Fleisch, dorthin, wo das Knäblein es wollte.



Der Ukas
lFrei nach Morgenstern)
Durch Ukas mach' ich euch bekannt,
Heut ist kein Streik im ganzen Land,
Drum sei der Tag für allezeit
Als Nichtstreik-Feiertag geweiht.

Lrich R-iter
ver Mas
Schmetternd geigte der Fink, gewaltig ertönte des Pirols
Heller Ruf. Es revierte der Wiedehopf laut durch die Dorfmark.
Aufgeplatzt im Rondell war der brünstige Ball der Päonie,
dunkelrot. Ihre Stauden umgab das Smaragdgrün der Wiese.
Blendend gellte darin die dotterfarb-fettige Wolfsmilch.
Doch Bewegung und Fülle des Klanges und Wettstreit der Farben,
all dies Drängen und Weben im Licht: es vermochte ein süßes
Schweigen nicht zu ersticken, das fruchtbar und schläfrig im Licht lag.
Und es schienen wie Seelen des Schweigens die lautlosen Falter,
traumhaft taumelnd, wie blind, in beweglichem Schlafe befangen,
Somnambulen des Tags, und magische Stille verbreitend.
Still verzückt neben Anna und fast ihre Schulter berührend,
doch nicht ganz, saß der Liebende nun. Eine magische Klammer
war auch ihm um die Schläfen gelegt, und es brütete etwas
so berückend, als wie erstickend dem Jüngling im Blute.
Ach, es war wie die süße Betäubung von Weihrauch und Myrrhen,
Spezereien, weit köstlicher noch, als die Könige brachten,
die der Stern unsres Heilands geleitet zu Bethlehems Krippe.
Luz, du wärest ganz Ohnmacht in dieser unsterblichen Fülle,
drin du plötzlich dich fandst, übereilt von dem Zauber der Stunde.
Niemals hattest du Wonne gefühlt, wie sie jetzt in dir aufdrang,
als die Unnahbare nnn, die Geliebte, auf einmal so nah war.
Doch was war's, und warum schlug plötzlich so hoch in den Hals dir
bien unsinniges Herz und benahm dir dabei fast den Atem?
War dies wirklich, und durftest du trauen dem, was du erblicktest,
was du fühltest, so lag deine Hand um die Hand Fräulein Annas,
und es hatte in feinster Berührung ihr Knie an das deine
unterm Tisch sich geschmiegt ^ und was bliebe dir jetzt noch zu wünschen?
Und es lüftet verstohlen ein Knciblein mit goldenem Gürtel
das Gebüsch, das ihn barg und blickt listig, voll Neugier herüber.
Nosen kränzen dem Kinde, blutrot, die ambrosischen Locken,
und er zupft in Gedanken die Sehne des Bogens, die einen
Ton, nur einen, ertönt, sie entstammet der Leier Apollens,
dem sie Eros, der Knabe und Pflegling des Hermes, gestohlen.
Und es ist niemand anders als er^ den des Liebenden Auge
in hellsichtiger Wut der Verzauberung eben entdeckte,
wie er kommt, um zu sehn, was sein sicheres Gift nun gewirkt hat.
Und es lösen sich Luz alle Glieder in Wollust und Schönheit,
bis urplötzlich ein Krampf ihn durchfährt und er hart der Geliebten
Arm ergreift, ihn emporreißt und wütend die lechzender Lippen
preßt ins blühende Fleisch, dorthin, wo das Knäblein es wollte.



Der Ukas
lFrei nach Morgenstern)
Durch Ukas mach' ich euch bekannt,
Heut ist kein Streik im ganzen Land,
Drum sei der Tag für allezeit
Als Nichtstreik-Feiertag geweiht.

Lrich R-iter
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/359>, abgerufen am 15.05.2024.