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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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beuteis des Automobilfabrikanten Forth
die Bildungsquellen des Lehrfilms derart
auszubeuten verstanden, daß, wie ich
immer wieder von Amerikanern mit
Neid höre, heute in Amerika keine
Theatervorstellung mehr möglich ist, in
der nicht ein großer Lehrfilm von dem
Publikum verlangt wird.

Deutschland hinkt nach. Was die
anderen, die sogenannten siegreichen
Länder mit Sorgfalt und großen Mitteln
haben schaffen können, hat Deutschland
in diesen letzten schweren Jahren nicht
erreichen können. Immerhin ist es im
Sinne des Allgemeinwohls mit größter
Anerkennung zu begrüßen, daß in
Deutschland wenigstens der Versuch ge¬
macht wird, die Entwicklung des deut¬
schen Films zu fördern, diese Industrie
zu stützen und dem Lande nutzbar zu
machen. Die Reichsbehörden bemühen
sich, in verstreuten Ressorts, solchen Ge¬
danken gerecht zu werden, ein Reichs-
lichtspielgesetz ist vor anderthalb Jahren
in Kraft getreten und die Länder wett¬
eifern, an der kulturellen Hebung des
Films mitzuarbeiten; ja, es will nicht
ganz ausgeschlossen erscheinen, daß der
von der deutschen Industrie stürmisch
verlangte Wunsch eines behördlichen
Zusammenschlusses, einer Zentralstelle
für die Angelegenheiten des Films trotz
der Unbill der Zeit Tatsache werden
kann.

In allem und jedem freilich siud
diese behördlichen Bemühungen um den
Filu nicht in Schutz All nehmen. In
einer wesentlichen Sache ist sogar ein
schwerer Vorwmf nicht zu ersparen.
Daß nämlich das Reich in diesen sieben
bösen Jahren, als es darauf ankam,
den Wert des Films als Propaganda¬
mittel viel zu spät erkannt hat und,
als diese Erkenntnis endlich kam, dies
Mittel mit vollendeter Ungeschicklichkeit
verwandt hat. Ich weiß wohl, daß
plötzlich während des Krieges ein riesen¬
großer Apparat der Jilmpropaganda
geschaffen worden ist, daß Unsummen
auf diesen Apparat verwandt wurden,
daß man diesen Apparat zur Abwehr
jeder Krise an der Front und im In¬
land in Bewegung zu setzen versuchte;
daß dieser Apparat herhalten mußte,
als die Kriegsanleihen nicht mehr zug¬
kräftig waren, als das Schlagwort des

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Durchhaltens in Gefahr geriet, als es
notwendig war, für das Hilfsdienst¬
gesetz Stimmung zu machen, als es sich
um hundert andere kleine und groß"
Nöte handelte. Das psychologisch ver-
dei bliebe Verhalten des Kriegspresse¬
amtes den deutschen Zeitungen gegen¬
über ist nachträglich gebührend erkannt
worden. In gleichem Maße verderblich
hat das Bild- und Filmamt gehandelt.
Es war ein Unverstand ohnegleichen,
diese ungeheuer wichtigen Dinge in
eigene Regie zu übernehmen, Menschen
anzuvertrauen, die mit stolperndem Di¬
lettantismus und grobschlächtig Massen¬
psychologie betreiben wollten und dann
auch glücklich die Idee des Propaganda-
films inDeutschland derart diskreditierten,
daß bis auf den heutigen Tag diese
Idee, den Filu als Propaganda zu
benutzen, unmöglich geblieben ist. Hier¬
bei darf ich nicht verschweigen, daß
auch die neueren Versuche, etwa in der
oberschlesischen Frage oder im Falle der
schwarzen Schmach, den Filu zur Pro¬
paganda zu verwerten, kläglich gescheitert
sind. Rund heraus: Die deutsche Pro¬
duktion ist auf die Feinfühligkeit und
Wirkungsmöglichkeit des Propaganda¬
films noch nicht eingestellt, (Wollt ihr,
ihr, die es angeht, Vorschläge haben:
bitte.)

Nicht ganz unähnlich, aber im Ver¬
hältnis wesentlich günstiger sehen die
heute vorliegenden Arbeiten des deut¬
schen Lehrfilms aus. Es sind Lehr¬
filme reichlich, übergenug, vorhanden,
sie haben in Hörsäle. Schulen, die Ver¬
anstaltungen des Bildungswesens Einlaß
gesunden, sie dürfen sich einer gewissen
Volkstümlichkeit erfreuen, auf ihre Wich¬
tigkeit wird von berufener ebenso wie
von unberufener Seite fast übereifrig
hingewiesen. Da sieht das Großstadt¬
kind zum ersten Male in seinem Leben
im Filu eine Kuh, einen Berg, einen
Wasserfall. Da ist alles zu sehen, das
Leben des Wasserflohs und die Blind¬
darmoperation, der Betrieb einer Eisen¬
hütte und das aus dem El kriechende
Huhn, die Käsemilbe, groß wie ein
Elefant, und das Geheimnis des Wasser¬
tropfens. Jedes schön und gut; aber
alles als Ganzes betrachtet, Verzeihung
meine Herren . . ., hier und da reich¬
lich oberflächlich, hier und da reichlich

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beuteis des Automobilfabrikanten Forth
die Bildungsquellen des Lehrfilms derart
auszubeuten verstanden, daß, wie ich
immer wieder von Amerikanern mit
Neid höre, heute in Amerika keine
Theatervorstellung mehr möglich ist, in
der nicht ein großer Lehrfilm von dem
Publikum verlangt wird.

Deutschland hinkt nach. Was die
anderen, die sogenannten siegreichen
Länder mit Sorgfalt und großen Mitteln
haben schaffen können, hat Deutschland
in diesen letzten schweren Jahren nicht
erreichen können. Immerhin ist es im
Sinne des Allgemeinwohls mit größter
Anerkennung zu begrüßen, daß in
Deutschland wenigstens der Versuch ge¬
macht wird, die Entwicklung des deut¬
schen Films zu fördern, diese Industrie
zu stützen und dem Lande nutzbar zu
machen. Die Reichsbehörden bemühen
sich, in verstreuten Ressorts, solchen Ge¬
danken gerecht zu werden, ein Reichs-
lichtspielgesetz ist vor anderthalb Jahren
in Kraft getreten und die Länder wett¬
eifern, an der kulturellen Hebung des
Films mitzuarbeiten; ja, es will nicht
ganz ausgeschlossen erscheinen, daß der
von der deutschen Industrie stürmisch
verlangte Wunsch eines behördlichen
Zusammenschlusses, einer Zentralstelle
für die Angelegenheiten des Films trotz
der Unbill der Zeit Tatsache werden
kann.

In allem und jedem freilich siud
diese behördlichen Bemühungen um den
Filu nicht in Schutz All nehmen. In
einer wesentlichen Sache ist sogar ein
schwerer Vorwmf nicht zu ersparen.
Daß nämlich das Reich in diesen sieben
bösen Jahren, als es darauf ankam,
den Wert des Films als Propaganda¬
mittel viel zu spät erkannt hat und,
als diese Erkenntnis endlich kam, dies
Mittel mit vollendeter Ungeschicklichkeit
verwandt hat. Ich weiß wohl, daß
plötzlich während des Krieges ein riesen¬
großer Apparat der Jilmpropaganda
geschaffen worden ist, daß Unsummen
auf diesen Apparat verwandt wurden,
daß man diesen Apparat zur Abwehr
jeder Krise an der Front und im In¬
land in Bewegung zu setzen versuchte;
daß dieser Apparat herhalten mußte,
als die Kriegsanleihen nicht mehr zug¬
kräftig waren, als das Schlagwort des

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Durchhaltens in Gefahr geriet, als es
notwendig war, für das Hilfsdienst¬
gesetz Stimmung zu machen, als es sich
um hundert andere kleine und groß«
Nöte handelte. Das psychologisch ver-
dei bliebe Verhalten des Kriegspresse¬
amtes den deutschen Zeitungen gegen¬
über ist nachträglich gebührend erkannt
worden. In gleichem Maße verderblich
hat das Bild- und Filmamt gehandelt.
Es war ein Unverstand ohnegleichen,
diese ungeheuer wichtigen Dinge in
eigene Regie zu übernehmen, Menschen
anzuvertrauen, die mit stolperndem Di¬
lettantismus und grobschlächtig Massen¬
psychologie betreiben wollten und dann
auch glücklich die Idee des Propaganda-
films inDeutschland derart diskreditierten,
daß bis auf den heutigen Tag diese
Idee, den Filu als Propaganda zu
benutzen, unmöglich geblieben ist. Hier¬
bei darf ich nicht verschweigen, daß
auch die neueren Versuche, etwa in der
oberschlesischen Frage oder im Falle der
schwarzen Schmach, den Filu zur Pro¬
paganda zu verwerten, kläglich gescheitert
sind. Rund heraus: Die deutsche Pro¬
duktion ist auf die Feinfühligkeit und
Wirkungsmöglichkeit des Propaganda¬
films noch nicht eingestellt, (Wollt ihr,
ihr, die es angeht, Vorschläge haben:
bitte.)

Nicht ganz unähnlich, aber im Ver¬
hältnis wesentlich günstiger sehen die
heute vorliegenden Arbeiten des deut¬
schen Lehrfilms aus. Es sind Lehr¬
filme reichlich, übergenug, vorhanden,
sie haben in Hörsäle. Schulen, die Ver¬
anstaltungen des Bildungswesens Einlaß
gesunden, sie dürfen sich einer gewissen
Volkstümlichkeit erfreuen, auf ihre Wich¬
tigkeit wird von berufener ebenso wie
von unberufener Seite fast übereifrig
hingewiesen. Da sieht das Großstadt¬
kind zum ersten Male in seinem Leben
im Filu eine Kuh, einen Berg, einen
Wasserfall. Da ist alles zu sehen, das
Leben des Wasserflohs und die Blind¬
darmoperation, der Betrieb einer Eisen¬
hütte und das aus dem El kriechende
Huhn, die Käsemilbe, groß wie ein
Elefant, und das Geheimnis des Wasser¬
tropfens. Jedes schön und gut; aber
alles als Ganzes betrachtet, Verzeihung
meine Herren . . ., hier und da reich¬
lich oberflächlich, hier und da reichlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/398>, abgerufen am 14.05.2024.