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Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.

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Vermischte Gedichte.
Sie war der Anmuth Bild/ und lieblich anzusehn/
Ja viel mahl prächtiger als schönes tausend Schön.
Die mehr denn schöne Schooß war emsig überdecket/
Es hatte sie kein Griff der geilen Hand beflecket.
Ja selbst der reinen Fluth/ die ohne Flammen war/
Der machte sie davon fast wenig offenbahr.
Doch als die nasse Quell das Leinwand durchgekrochen/
Und den verdeckten Weg zur Liebe aufgebrochen/
Da kunte man die Pracht des schönen Gliedes sehn/
Darnach der Appetit der Männer pflegt zu stehn.
Es kunten auch den Zug die Richter nicht vertragen/
Sie wolten da ihr Heyl mit einem Wurffe wagen/
Demnach so brachen sie von ihrem Orte loß/
Und gaben ohne Scheu sich vor Susannen bloß.
Sie starrten vor der Pracht des Engel-gleichen Leibes/
Und lobten Jojakim den Eh-Mann dieses Weibes;
Sie trugen ihren Brand dem schönen Weibe vor/
Allein Susanna gab gar kein geneigtes Ohr.
Sie kunten ihren Wunsch und den entflammten Willen/
Nicht in der zarten Schooß des schönen Kindes stillen/
Sie musten nur die Lust aus blossen Schauen ziehn/
Es war umsonst gethan ihr emsiges Bemühn.
Das prächtige Gesicht/ die Falcken-gleiche Augen/
Der Wangen nette Pracht/ die musten diesen taugen
Sammt dem Rubinen Mund/ und der galanten Brust/
Zu einen Schau-Gericht der geilen Liebes-Lust.
Das Hertze wolte ihr vor Zorn im Leibe brechen/
Daß sie der geilen Lust nicht kunte widersprechen/
Und darum wolte sie gantz gerne heßlich seyn/
Die Schönheit brachte ihr vergallte Seelen-Pein.
Die Augen liessen stets die Jammer-Thränen fliessen/
Und wolten jene Fluth des kühlen Brunnens küssen/
Bald löschte dieses Naß der Alten Liebes-Brand/
Bald aber machte es noch grösser Gluth bekannt.
Bis daß die Eyfersucht die Oberhand behielte/
Und die verschmähte Brunst mit Wuth und Rache spielte/
Und ob der Eyfer schon in vollen Flammen stund/
So gab sich doch darbey ein Trieb der Liebe kund.
Denn
C c
Vermiſchte Gedichte.
Sie war der Anmuth Bild/ und lieblich anzuſehn/
Ja viel mahl praͤchtiger als ſchoͤnes tauſend Schoͤn.
Die mehr denn ſchoͤne Schooß war emſig uͤberdecket/
Es hatte ſie kein Griff der geilen Hand beflecket.
Ja ſelbſt der reinen Fluth/ die ohne Flammen war/
Der machte ſie davon faſt wenig offenbahr.
Doch als die naſſe Quell das Leinwand durchgekrochen/
Und den verdeckten Weg zur Liebe aufgebrochen/
Da kunte man die Pracht des ſchoͤnen Gliedes ſehn/
Darnach der Appetit der Maͤnner pflegt zu ſtehn.
Es kunten auch den Zug die Richter nicht vertragen/
Sie wolten da ihr Heyl mit einem Wurffe wagen/
Demnach ſo brachen ſie von ihrem Orte loß/
Und gaben ohne Scheu ſich vor Suſannen bloß.
Sie ſtarrten vor der Pracht des Engel-gleichen Leibes/
Und lobten Jojakim den Eh-Mann dieſes Weibes;
Sie trugen ihren Brand dem ſchoͤnen Weibe vor/
Allein Suſanna gab gar kein geneigtes Ohr.
Sie kunten ihren Wunſch und den entflammten Willen/
Nicht in der zarten Schooß des ſchoͤnen Kindes ſtillen/
Sie muſten nur die Luſt aus bloſſen Schauen ziehn/
Es war umſonſt gethan ihr emſiges Bemuͤhn.
Das praͤchtige Geſicht/ die Falcken-gleiche Augen/
Der Wangen nette Pracht/ die muſten dieſen taugen
Sammt dem Rubinen Mund/ und der galanten Bruſt/
Zu einen Schau-Gericht der geilen Liebes-Luſt.
Das Hertze wolte ihr vor Zorn im Leibe brechen/
Daß ſie der geilen Luſt nicht kunte widerſprechen/
Und darum wolte ſie gantz gerne heßlich ſeyn/
Die Schoͤnheit brachte ihr vergallte Seelen-Pein.
Die Augen lieſſen ſtets die Jammer-Thraͤnen flieſſen/
Und wolten jene Fluth des kuͤhlen Brunnens kuͤſſen/
Bald loͤſchte dieſes Naß der Alten Liebes-Brand/
Bald aber machte es noch groͤſſer Gluth bekannt.
Bis daß die Eyferſucht die Oberhand behielte/
Und die verſchmaͤhte Brunſt mit Wuth und Rache ſpielte/
Und ob der Eyfer ſchon in vollen Flammen ſtund/
So gab ſich doch darbey ein Trieb der Liebe kund.
Denn
C c
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[401/0419] Vermiſchte Gedichte. Sie war der Anmuth Bild/ und lieblich anzuſehn/ Ja viel mahl praͤchtiger als ſchoͤnes tauſend Schoͤn. Die mehr denn ſchoͤne Schooß war emſig uͤberdecket/ Es hatte ſie kein Griff der geilen Hand beflecket. Ja ſelbſt der reinen Fluth/ die ohne Flammen war/ Der machte ſie davon faſt wenig offenbahr. Doch als die naſſe Quell das Leinwand durchgekrochen/ Und den verdeckten Weg zur Liebe aufgebrochen/ Da kunte man die Pracht des ſchoͤnen Gliedes ſehn/ Darnach der Appetit der Maͤnner pflegt zu ſtehn. Es kunten auch den Zug die Richter nicht vertragen/ Sie wolten da ihr Heyl mit einem Wurffe wagen/ Demnach ſo brachen ſie von ihrem Orte loß/ Und gaben ohne Scheu ſich vor Suſannen bloß. Sie ſtarrten vor der Pracht des Engel-gleichen Leibes/ Und lobten Jojakim den Eh-Mann dieſes Weibes; Sie trugen ihren Brand dem ſchoͤnen Weibe vor/ Allein Suſanna gab gar kein geneigtes Ohr. Sie kunten ihren Wunſch und den entflammten Willen/ Nicht in der zarten Schooß des ſchoͤnen Kindes ſtillen/ Sie muſten nur die Luſt aus bloſſen Schauen ziehn/ Es war umſonſt gethan ihr emſiges Bemuͤhn. Das praͤchtige Geſicht/ die Falcken-gleiche Augen/ Der Wangen nette Pracht/ die muſten dieſen taugen Sammt dem Rubinen Mund/ und der galanten Bruſt/ Zu einen Schau-Gericht der geilen Liebes-Luſt. Das Hertze wolte ihr vor Zorn im Leibe brechen/ Daß ſie der geilen Luſt nicht kunte widerſprechen/ Und darum wolte ſie gantz gerne heßlich ſeyn/ Die Schoͤnheit brachte ihr vergallte Seelen-Pein. Die Augen lieſſen ſtets die Jammer-Thraͤnen flieſſen/ Und wolten jene Fluth des kuͤhlen Brunnens kuͤſſen/ Bald loͤſchte dieſes Naß der Alten Liebes-Brand/ Bald aber machte es noch groͤſſer Gluth bekannt. Bis daß die Eyferſucht die Oberhand behielte/ Und die verſchmaͤhte Brunſt mit Wuth und Rache ſpielte/ Und ob der Eyfer ſchon in vollen Flammen ſtund/ So gab ſich doch darbey ein Trieb der Liebe kund. Denn C c

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Zitationshilfe: Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/419>, abgerufen am 30.04.2024.