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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelniederländische vocale.
makede, sadede, claghede; ebenso naect (nudus) ge-
maect, geraect, scaept (creat) und in andern fällen, als
waest (nicht wast) f. was het. Das gefühl der syncope
scheint diese trübung des wurzellauts zu veranlaßen,
nicht das gewicht der position, denn in den organ. ver-
bindungen hant, tant, dat. pl. handen, tanden liegt
pos. gerade so wie in spaende, maende und aus alde,
valde wird oude, voude nicht aelde, vaelde. Dadurch
unterscheidet sich auch diese änderung des a von der in
der zweiten bemerkung, indem die organ. verbindun-
gen haerde, baerde (ascia) baert (barba) waerp etc. so
wohl als die zus. ziehungen spaert, spaerde ae bekom.
men. -- 4) o für a steht in sochte (mittelh. sanfte) am-
bocht (officium neben ambacht) brochte und mochte,
vgl. das mittelh. brahte, brahte, mohte, mahte (s. 342. 450.).
5) e für a in nese (nasus, neuniederl. neus, wie reus,
gigas f. rese); in ghewelt (potestas) f. ghewout (jenes
Maerl. 1, 292. Rein. 342. dieses 1, 227. Rein. 347,); scende
f. scande; die part. gedreghen, gesleghen, gescepen f.
gedraghen, geslaghen, gescapen etc. Neben einander
gelten wel, wale (beide für bene, und beide im reim). --
Diesen beschränkungen des a stehen folgende erweite-
rungen gegenüber, deren erste die wichtigste ist 1) jedes
organ. lange a (d. h. im mittelniederl. ae) wird verkürzt,
sobald dem darauf folgenden cons. ein unbetontes flexions-
e folgt. So bekommen die subst. mael (punct. tempo-
ris) stael (chalybs) traen (lacrima) waen (opinio) jaer
(annus) baer (crinis) maech (parens) daet (facinus) im
dat. sing. oder im pl. male, stale, trane, jare, maghe,
dade; das adj. blaer (infelix) die schw. form de blare,
ebenso die pron. und part. haer, naer, daer:hare, nare,
dare und namentlich haben die pl. starker conj. kein
dem hochd. entsprechendes ae, sondern a in gaven, wa-
ren, laghen, plaghen etc. Theils zeigen die hss. in allen
solchen fällen a, nicht ae, theils verbinden die reime
überall entschieden kurze a mit ihnen, z. b. ontfaren:
jaren, wale (bene):altemale, namen (nomine):quamen,
draghen:laghen, raven:gaven, hane (gallus):wane,
scade:dade, vaten (vasis) haten (odisse):laten (sinere) etc.
2) a steht für o in halen (arcessere) van (von) wale
(bene):tale, male reimend, vgl. oben s. 75. 85. 336. 450.
3) a für e, in das (ejus) auf was reimend; vaghen (po-
lire):laghen; diese erweiterung entspricht der fünften
beschränkung. -- 4) a für ei; bei Maerl. häufig lachame
(corpus) für leichame oder lichame; nimmt man die kür.

I. mittelniederländiſche vocale.
makede, ſadede, claghede; ebenſo naect (nudus) ge-
maect, geraect, ſcaept (creat) und in andern fällen, als
waeſt (nicht waſt) f. was hët. Das gefühl der ſyncope
ſcheint dieſe trübung des wurzellauts zu veranlaßen,
nicht das gewicht der poſition, denn in den organ. ver-
bindungen hant, tant, dat. pl. handen, tanden liegt
poſ. gerade ſo wie in ſpaende, maende und aus alde,
valde wird oude, voude nicht aelde, vaelde. Dadurch
unterſcheidet ſich auch dieſe änderung des a von der in
der zweiten bemerkung, indem die organ. verbindun-
gen haerde, baerde (aſcia) baert (barba) waerp etc. ſo
wohl als die zuſ. ziehungen ſpaert, ſpaerde ae bekom.
men. — 4) o für a ſteht in ſochte (mittelh. ſanfte) am-
bocht (officium neben ambacht) brochte und mochte,
vgl. das mittelh. brâhte, brahte, mohte, mahte (ſ. 342. 450.).
5) ë für a in nëſe (naſus, neuniederl. neus, wie reus,
gigas f. rëſe); in ghewëlt (poteſtas) f. ghewout (jenes
Maerl. 1, 292. Rein. 342. dieſes 1, 227. Rein. 347,); ſcënde
f. ſcande; die part. gedrëghen, geſlëghen, geſcëpen f.
gedraghen, geſlaghen, geſcapen etc. Neben einander
gelten wël, wale (beide für bene, und beide im reim). —
Dieſen beſchränkungen des a ſtehen folgende erweite-
rungen gegenüber, deren erſte die wichtigſte iſt 1) jedes
organ. lange a (d. h. im mittelniederl. ae) wird verkürzt,
ſobald dem darauf folgenden conſ. ein unbetontes flexions-
e folgt. So bekommen die ſubſt. mael (punct. tempo-
ris) ſtael (chalybs) traen (lacrima) waen (opinio) jaer
(annus) baer (crinis) maech (parens) daet (facinus) im
dat. ſing. oder im pl. male, ſtale, trane, jare, maghe,
dade; das adj. blaer (infelix) die ſchw. form de blare,
ebenſo die pron. und part. haer, naer, daer:hare, nare,
dare und namentlich haben die pl. ſtarker conj. kein
dem hochd. entſprechendes ae, ſondern a in gaven, wa-
ren, laghen, plaghen etc. Theils zeigen die hſſ. in allen
ſolchen fällen a, nicht ae, theils verbinden die reime
überall entſchieden kurze a mit ihnen, z. b. ontfaren:
jaren, wale (bene):altemale, namen (nomine):quamen,
draghen:laghen, raven:gaven, hane (gallus):wane,
ſcade:dade, vaten (vaſis) haten (odiſſe):laten (ſinere) etc.
2) a ſteht für o in halen (arceſſere) van (von) wale
(bene):tale, male reimend, vgl. oben ſ. 75. 85. 336. 450.
3) a für ë, in das (ejus) auf was reimend; vaghen (po-
lire):laghen; dieſe erweiterung entſpricht der fünften
beſchränkung. — 4) a für î; bei Maerl. häufig lachame
(corpus) für lîchame oder lichame; nimmt man die kür.

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[468/0494] I. mittelniederländiſche vocale. makede, ſadede, claghede; ebenſo naect (nudus) ge- maect, geraect, ſcaept (creat) und in andern fällen, als waeſt (nicht waſt) f. was hët. Das gefühl der ſyncope ſcheint dieſe trübung des wurzellauts zu veranlaßen, nicht das gewicht der poſition, denn in den organ. ver- bindungen hant, tant, dat. pl. handen, tanden liegt poſ. gerade ſo wie in ſpaende, maende und aus alde, valde wird oude, voude nicht aelde, vaelde. Dadurch unterſcheidet ſich auch dieſe änderung des a von der in der zweiten bemerkung, indem die organ. verbindun- gen haerde, baerde (aſcia) baert (barba) waerp etc. ſo wohl als die zuſ. ziehungen ſpaert, ſpaerde ae bekom. men. — 4) o für a ſteht in ſochte (mittelh. ſanfte) am- bocht (officium neben ambacht) brochte und mochte, vgl. das mittelh. brâhte, brahte, mohte, mahte (ſ. 342. 450.). 5) ë für a in nëſe (naſus, neuniederl. neus, wie reus, gigas f. rëſe); in ghewëlt (poteſtas) f. ghewout (jenes Maerl. 1, 292. Rein. 342. dieſes 1, 227. Rein. 347,); ſcënde f. ſcande; die part. gedrëghen, geſlëghen, geſcëpen f. gedraghen, geſlaghen, geſcapen etc. Neben einander gelten wël, wale (beide für bene, und beide im reim). — Dieſen beſchränkungen des a ſtehen folgende erweite- rungen gegenüber, deren erſte die wichtigſte iſt 1) jedes organ. lange a (d. h. im mittelniederl. ae) wird verkürzt, ſobald dem darauf folgenden conſ. ein unbetontes flexions- e folgt. So bekommen die ſubſt. mael (punct. tempo- ris) ſtael (chalybs) traen (lacrima) waen (opinio) jaer (annus) baer (crinis) maech (parens) daet (facinus) im dat. ſing. oder im pl. male, ſtale, trane, jare, maghe, dade; das adj. blaer (infelix) die ſchw. form de blare, ebenſo die pron. und part. haer, naer, daer:hare, nare, dare und namentlich haben die pl. ſtarker conj. kein dem hochd. entſprechendes ae, ſondern a in gaven, wa- ren, laghen, plaghen etc. Theils zeigen die hſſ. in allen ſolchen fällen a, nicht ae, theils verbinden die reime überall entſchieden kurze a mit ihnen, z. b. ontfaren: jaren, wale (bene):altemale, namen (nomine):quamen, draghen:laghen, raven:gaven, hane (gallus):wane, ſcade:dade, vaten (vaſis) haten (odiſſe):laten (ſinere) etc. 2) a ſteht für o in halen (arceſſere) van (von) wale (bene):tale, male reimend, vgl. oben ſ. 75. 85. 336. 450. 3) a für ë, in das (ejus) auf was reimend; vaghen (po- lire):laghen; dieſe erweiterung entſpricht der fünften beſchränkung. — 4) a für î; bei Maerl. häufig lachame (corpus) für lîchame oder lichame; nimmt man die kür.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/494>, abgerufen am 17.06.2024.