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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. declination der eigennamen.
6) zuweilen schwankt er zwischen gothischer und beibe-
haltener griech. flexion, so z. b. steht Joh. 6, 71. der
acc. iskariotu, einen nom. iskariotus fordernd, Luc. 6,
16. iskarioten, nach dem gr. iskarioten; Joh. 11, 5.
der acc. lazarun (lazaron) Luc. 16, 23. der goth. acc.
lazaru etc. --

Griech. und lat. denkmähler haben uns umgekehrt
viele goth. eigennamen bewahrt, die sich aus der frem-
den flexion in die reingothische zurückführen laßen.
Starke masc. erster decl. wären z. b. alareiks, gibaimers
valahrabans (gen. valahrabanis) und aus den goth. ur-
kunden viljarith, alamods, guthiliubs; zweiter hingegen
raginareis, vakis (gen. vakjis, dat. vakja); dritter star-
ker z. b. die mit -mundus gebildeten, als rekimundus,
gunthamundus, gen. rekimundaus etc. wenn man der
altn. analogie trauen darf, vielleicht die mit -frithus, in
welchem fall die goth. urkunde vinjaifrithas für vinjai-
frithus verschrieben hätte; schwache masc. sind häufig:
attila, svinthila, merila, vamba, tulga (gen. tulgine) etc. --

Der alth. starken decl. der eigennamen kennzeichen
ist, daß sie den acc. sg, masc. auf -an, ganz adjectivisch
bildet und dadurch vom nom. unterscheidet. So z. b.
bekommen die nom. hludowig, hartmuot, werinpraht
den acc. hludowigan, hartmuotan, werinprahtan; eben-
so fremde, z. b. petrus, zacharias den acc. petrusan,
zachariasan. Ja diesen acc. empsangen selbst persönliche
subst. wie kot, man, truhtein (oben s. 613. anm. 1.) oder
personificierte, wie polari (stella polaris) acc. polaran
O. V. 17, 62. Was die einzelnen declinationen betrifft,
so fallen die erste und vierte im sg. zusammen, gen. -es,
dat. -a (später -e) also: hartmuot, hartmuotes, hart-
muota (hartmuote) hartmuotan; petrus, petruses, pe-
trusa (petruse) petrusan. Die zweite decl. zeigt sich in
dem nom. auf -i urkundlicher eigennamen, z. b. hessi,
nebi; anderer auf -ari als kundahari, oder mit -wini
gebildeter, z. b. eparwini, obgleich die frühsten diplome
bereits eparwin haben. Spuren der dritten würden in
bildungen mit -muntu, -vridu zu suchen seyn, z. b.
sikimuntu, gen. sikimuntes, dat. sikimuntju, acc. siki-
muntan; sikivridu, sikivrides, sikivridju, sikivridan; doch
fehlen mir belege, da in den ältesten diplomen entw.
die lat. endung -mundus, -fridus (zuweilen -fritus
z. b. liutfritus Neug. n° 19.) oder -mund und -frid,
kein -mundu, -fridu erscheint. Fremde namen wie
petrus, iacobus bringen alth. schriftsteller natürlich nicht

II. declination der eigennamen.
6) zuweilen ſchwankt er zwiſchen gothiſcher und beibe-
haltener griech. flexion, ſo z. b. ſteht Joh. 6, 71. der
acc. ïſkariôtu, einen nom. ïſkariôtus fordernd, Luc. 6,
16. ïſkariôtên, nach dem gr. ἰσκαριώτην; Joh. 11, 5.
der acc. lazarun (λάζαρον) Luc. 16, 23. der goth. acc.
lazaru etc. —

Griech. und lat. denkmähler haben uns umgekehrt
viele goth. eigennamen bewahrt, die ſich aus der frem-
den flexion in die reingothiſche zurückführen laßen.
Starke maſc. erſter decl. wären z. b. alareiks, gibaimêrs
valahrabans (gen. valahrabanis) und aus den goth. ur-
kunden viljariþ, alamôds, guþiliubs; zweiter hingegen
raginareis, vakis (gen. vakjis, dat. vakja); dritter ſtar-
ker z. b. die mit -mundus gebildeten, als rêkimundus,
gunþamundus, gen. rêkimundáus etc. wenn man der
altn. analogie trauen darf, vielleicht die mit -friþus, in
welchem fall die goth. urkunde vinjáifriþas für vinjái-
friþus verſchrieben hätte; ſchwache maſc. ſind häufig:
attila, ſvinþila, mêrila, vamba, tulga (gen. tulgine) etc. —

Der alth. ſtarken decl. der eigennamen kennzeichen
iſt, daß ſie den acc. ſg, maſc. auf -an, ganz adjectiviſch
bildet und dadurch vom nom. unterſcheidet. So z. b.
bekommen die nom. hludowig, hartmuot, werinpraht
den acc. hludowigan, hartmuotan, werinprahtan; eben-
ſo fremde, z. b. petrus, zacharias den acc. petruſan,
zachariaſan. Ja dieſen acc. empſangen ſelbſt perſönliche
ſubſt. wie kot, man, truhtîn (oben ſ. 613. anm. 1.) oder
perſonificierte, wie polâri (ſtella polaris) acc. polâran
O. V. 17, 62. Was die einzelnen declinationen betrifft,
ſo fallen die erſte und vierte im ſg. zuſammen, gen. -es,
dat. -a (ſpäter -e) alſo: hartmuot, hartmuotes, hart-
muota (hartmuote) hartmuotan; petrus, petruſes, pe-
truſa (petruſe) petruſan. Die zweite decl. zeigt ſich in
dem nom. auf -i urkundlicher eigennamen, z. b. heſſi,
nebi; anderer auf -ari als kundahari, oder mit -wini
gebildeter, z. b. ëparwini, obgleich die frühſten diplome
bereits ëparwin haben. Spuren der dritten würden in
bildungen mit -muntu, -vridu zu ſuchen ſeyn, z. b.
ſikimuntu, gen. ſikimuntes, dat. ſikimuntju, acc. ſiki-
muntan; ſikivridu, ſikivrides, ſikivridju, ſikivridan; doch
fehlen mir belege, da in den älteſten diplomen entw.
die lat. endung -mundus, -fridus (zuweilen -fritus
z. b. liutfritus Neug. n° 19.) oder -mund und -frid,
kein -mundu, -fridu erſcheint. Fremde namen wie
petrus, iacobus bringen alth. ſchriftſteller natürlich nicht

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[767/0793] II. declination der eigennamen. 6) zuweilen ſchwankt er zwiſchen gothiſcher und beibe- haltener griech. flexion, ſo z. b. ſteht Joh. 6, 71. der acc. ïſkariôtu, einen nom. ïſkariôtus fordernd, Luc. 6, 16. ïſkariôtên, nach dem gr. ἰσκαριώτην; Joh. 11, 5. der acc. lazarun (λάζαρον) Luc. 16, 23. der goth. acc. lazaru etc. — Griech. und lat. denkmähler haben uns umgekehrt viele goth. eigennamen bewahrt, die ſich aus der frem- den flexion in die reingothiſche zurückführen laßen. Starke maſc. erſter decl. wären z. b. alareiks, gibaimêrs valahrabans (gen. valahrabanis) und aus den goth. ur- kunden viljariþ, alamôds, guþiliubs; zweiter hingegen raginareis, vakis (gen. vakjis, dat. vakja); dritter ſtar- ker z. b. die mit -mundus gebildeten, als rêkimundus, gunþamundus, gen. rêkimundáus etc. wenn man der altn. analogie trauen darf, vielleicht die mit -friþus, in welchem fall die goth. urkunde vinjáifriþas für vinjái- friþus verſchrieben hätte; ſchwache maſc. ſind häufig: attila, ſvinþila, mêrila, vamba, tulga (gen. tulgine) etc. — Der alth. ſtarken decl. der eigennamen kennzeichen iſt, daß ſie den acc. ſg, maſc. auf -an, ganz adjectiviſch bildet und dadurch vom nom. unterſcheidet. So z. b. bekommen die nom. hludowig, hartmuot, werinpraht den acc. hludowigan, hartmuotan, werinprahtan; eben- ſo fremde, z. b. petrus, zacharias den acc. petruſan, zachariaſan. Ja dieſen acc. empſangen ſelbſt perſönliche ſubſt. wie kot, man, truhtîn (oben ſ. 613. anm. 1.) oder perſonificierte, wie polâri (ſtella polaris) acc. polâran O. V. 17, 62. Was die einzelnen declinationen betrifft, ſo fallen die erſte und vierte im ſg. zuſammen, gen. -es, dat. -a (ſpäter -e) alſo: hartmuot, hartmuotes, hart- muota (hartmuote) hartmuotan; petrus, petruſes, pe- truſa (petruſe) petruſan. Die zweite decl. zeigt ſich in dem nom. auf -i urkundlicher eigennamen, z. b. heſſi, nebi; anderer auf -ari als kundahari, oder mit -wini gebildeter, z. b. ëparwini, obgleich die frühſten diplome bereits ëparwin haben. Spuren der dritten würden in bildungen mit -muntu, -vridu zu ſuchen ſeyn, z. b. ſikimuntu, gen. ſikimuntes, dat. ſikimuntju, acc. ſiki- muntan; ſikivridu, ſikivrides, ſikivridju, ſikivridan; doch fehlen mir belege, da in den älteſten diplomen entw. die lat. endung -mundus, -fridus (zuweilen -fritus z. b. liutfritus Neug. n° 19.) oder -mund und -frid, kein -mundu, -fridu erſcheint. Fremde namen wie petrus, iacobus bringen alth. ſchriftſteller natürlich nicht

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 767. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/793>, abgerufen am 03.05.2024.