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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. ST.
192b. nhd. herb-st, ags. härf-est, engl. harv-est, nnl.
herf-st, herf-t scheint ursprünglich messis *) und hernach
tempus messis zu bedeuten; herbist-manot ist der deutsche
erntemonat (september) wie der röm. augustus mit auc-
tumnus von derselben wurzel, nämlich augere stammt.
Wörtlich nahe dem herpist liegt das gr. karpos (frucht)
karpizo (ich ernte). Die lautverschiebung sordert neben goth.
b, ahd. p eigentlich gr. ph, nun scheint karpos lange schon den
etymologen einerlei mit karphos (aufwachsendes reis, halm)
wie karphizo und karphis (vindicta, schlagen mit reisern,
ruthen) neben karpizo, karpis gelten. Die altn. form
haust (neutr.), schw. dän. hoest, ist nicht aus dem lat.
augustus (denn woher die aspiration?), sondern aus zus.
ziehung des herfst, harfst zu erklären und dem hestr aus
henstr, hengstr ähnlich **). Läßt raust (vox) neben rödd =
ahd. rarta, goth. razda, auf ein ahd. rart-ist, rart-ust
schließen? oder sind raust und rödd unverwandt? Außer
hengist und herpist kommt in betracht das goth. av-istr
(ovile) oben s. 123. von einem muthmaßlichen ava oder
avs (ovis f.) abgeleitet; ahd. ew-ist (caula) J. 404 K. 19b
jun. 198., mithin ohne die goth. r bildung, der ein ahd.
ewistar (oder ewistra?) entsprechen würde. Verschiedene
davon ist ew-eiti, ouw-eiti (grex) f. ew-eidi, goth. av-ethi
(oben s. 152) wiewohl gl. doc. 227b ouwiti, gl. vind.
ewida caulas übersetzen. In einer malb. gl. scheint son-
ista grex equarum zu bedeuten. Das schw. masc. ham-
istro (gurgulio) wurde s. 133 angeführt, nhd. ham-ster,
das vierfüßige dem getreide schädliche thier. Viele schw.
feminina auf -estre (mit e, wegen der nebenform -istre,
-ystre) zählt das ags. und beispiele sind oben s. 134. nach-
zusehen. Von adjectiven gehört hierher das einzige ahd.
win-istar, mhd. win-ster (sinister). --

[UST] auffallend schwankt bei dieser ableitung das
genus; und, was damit zus. hängt, die bedeutung aus
persönlicher ins sächliche. -- angust (angor) ahd. weib-
lich, O. III. 25, 21. IV. 6, 58. 18, 38. V. 10, 40; mhd.
bald fem. Barl. 95. a Tit. 43. bald masc. Wilh. 2, 32b
103a. b. En. 74b MS. 1, 92a; nhd. stets weiblich; der ags.
altn. mundart ganz fehlend. -- dion-ust (servitium) ahd.
neutr. wenigstens bei O. thion-ost I. 8, 44. IV. 2, 31. 11,
60. V. 23, 527. T. 5, 11; muß aber in der bedeutung

*) man sagt noch heute der herbst f. weinernte.
**) vgl. bestr aus betstr; sigurdr aus stgfridr; thuß aus thurs.

III. conſonantiſche ableitungen. ST.
192b. nhd. herb-ſt, agſ. härf-eſt, engl. harv-eſt, nnl.
herf-ſt, herf-t ſcheint urſprünglich meſſis *) und hernach
tempus meſſis zu bedeuten; herbiſt-mânôt iſt der deutſche
erntemonat (ſeptember) wie der röm. auguſtus mit auc-
tumnus von derſelben wurzel, nämlich augere ſtammt.
Wörtlich nahe dem herpiſt liegt das gr. καρπός (frucht)
καρπίζω (ich ernte). Die lautverſchiebung ſordert neben goth.
b, ahd. p eigentlich gr. φ, nun ſcheint καρπός lange ſchon den
etymologen einerlei mit καρφός (aufwachſendes reis, halm)
wie καρφίζω und καρφίς (vindicta, ſchlagen mit reiſern,
ruthen) neben καρπίζω, καρπίς gelten. Die altn. form
hauſt (neutr.), ſchw. dän. hœſt, iſt nicht aus dem lat.
auguſtus (denn woher die aſpiration?), ſondern aus zuſ.
ziehung des herfſt, harfſt zu erklären und dem heſtr aus
henſtr, hengſtr ähnlich **). Läßt rauſt (vox) neben rödd =
ahd. rarta, goth. razda, auf ein ahd. rart-iſt, rart-uſt
ſchließen? oder ſind rauſt und rödd unverwandt? Außer
hengiſt und herpiſt kommt in betracht das goth. av-iſtr
(ovile) oben ſ. 123. von einem muthmaßlichen ava oder
avs (ovis f.) abgeleitet; ahd. ew-iſt (caula) J. 404 K. 19b
jun. 198., mithin ohne die goth. r bildung, der ein ahd.
ewiſtar (oder ewiſtra?) entſprechen würde. Verſchiedene
davon iſt ew-îti, ouw-îti (grex) f. ew-îdi, goth. av-êþi
(oben ſ. 152) wiewohl gl. doc. 227b ouwiti, gl. vind.
ewida caulas überſetzen. In einer malb. gl. ſcheint ſon-
iſta grex equarum zu bedeuten. Das ſchw. maſc. ham-
iſtro (gurgulio) wurde ſ. 133 angeführt, nhd. ham-ſter,
das vierfüßige dem getreide ſchädliche thier. Viele ſchw.
feminina auf -eſtre (mit ë, wegen der nebenform -iſtre,
-yſtre) zählt das agſ. und beiſpiele ſind oben ſ. 134. nach-
zuſehen. Von adjectiven gehört hierher das einzige ahd.
win-iſtar, mhd. win-ſter (ſiniſter). —

[UST] auffallend ſchwankt bei dieſer ableitung das
genus; und, was damit zuſ. hängt, die bedeutung aus
perſönlicher ins ſächliche. — anguſt (angor) ahd. weib-
lich, O. III. 25, 21. IV. 6, 58. 18, 38. V. 10, 40; mhd.
bald fem. Barl. 95. a Tit. 43. bald maſc. Wilh. 2, 32b
103a. b. En. 74b MS. 1, 92a; nhd. ſtets weiblich; der agſ.
altn. mundart ganz fehlend. — dion-uſt (ſervitium) ahd.
neutr. wenigſtens bei O. thion-oſt I. 8, 44. IV. 2, 31. 11,
60. V. 23, 527. T. 5, 11; muß aber in der bedeutung

*) man ſagt noch heute der herbſt f. weinernte.
**) vgl. beſtr aus betſtr; ſigurðr aus ſtgfriðr; þuß aus þurs.
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[368/0386] III. conſonantiſche ableitungen. ST. 192b. nhd. herb-ſt, agſ. härf-eſt, engl. harv-eſt, nnl. herf-ſt, herf-t ſcheint urſprünglich meſſis *) und hernach tempus meſſis zu bedeuten; herbiſt-mânôt iſt der deutſche erntemonat (ſeptember) wie der röm. auguſtus mit auc- tumnus von derſelben wurzel, nämlich augere ſtammt. Wörtlich nahe dem herpiſt liegt das gr. καρπός (frucht) καρπίζω (ich ernte). Die lautverſchiebung ſordert neben goth. b, ahd. p eigentlich gr. φ, nun ſcheint καρπός lange ſchon den etymologen einerlei mit καρφός (aufwachſendes reis, halm) wie καρφίζω und καρφίς (vindicta, ſchlagen mit reiſern, ruthen) neben καρπίζω, καρπίς gelten. Die altn. form hauſt (neutr.), ſchw. dän. hœſt, iſt nicht aus dem lat. auguſtus (denn woher die aſpiration?), ſondern aus zuſ. ziehung des herfſt, harfſt zu erklären und dem heſtr aus henſtr, hengſtr ähnlich **). Läßt rauſt (vox) neben rödd = ahd. rarta, goth. razda, auf ein ahd. rart-iſt, rart-uſt ſchließen? oder ſind rauſt und rödd unverwandt? Außer hengiſt und herpiſt kommt in betracht das goth. av-iſtr (ovile) oben ſ. 123. von einem muthmaßlichen ava oder avs (ovis f.) abgeleitet; ahd. ew-iſt (caula) J. 404 K. 19b jun. 198., mithin ohne die goth. r bildung, der ein ahd. ewiſtar (oder ewiſtra?) entſprechen würde. Verſchiedene davon iſt ew-îti, ouw-îti (grex) f. ew-îdi, goth. av-êþi (oben ſ. 152) wiewohl gl. doc. 227b ouwiti, gl. vind. ewida caulas überſetzen. In einer malb. gl. ſcheint ſon- iſta grex equarum zu bedeuten. Das ſchw. maſc. ham- iſtro (gurgulio) wurde ſ. 133 angeführt, nhd. ham-ſter, das vierfüßige dem getreide ſchädliche thier. Viele ſchw. feminina auf -eſtre (mit ë, wegen der nebenform -iſtre, -yſtre) zählt das agſ. und beiſpiele ſind oben ſ. 134. nach- zuſehen. Von adjectiven gehört hierher das einzige ahd. win-iſtar, mhd. win-ſter (ſiniſter). — [UST] auffallend ſchwankt bei dieſer ableitung das genus; und, was damit zuſ. hängt, die bedeutung aus perſönlicher ins ſächliche. — anguſt (angor) ahd. weib- lich, O. III. 25, 21. IV. 6, 58. 18, 38. V. 10, 40; mhd. bald fem. Barl. 95. a Tit. 43. bald maſc. Wilh. 2, 32b 103a. b. En. 74b MS. 1, 92a; nhd. ſtets weiblich; der agſ. altn. mundart ganz fehlend. — dion-uſt (ſervitium) ahd. neutr. wenigſtens bei O. thion-oſt I. 8, 44. IV. 2, 31. 11, 60. V. 23, 527. T. 5, 11; muß aber in der bedeutung *) man ſagt noch heute der herbſt f. weinernte. **) vgl. beſtr aus betſtr; ſigurðr aus ſtgfriðr; þuß aus þurs.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/386>, abgerufen am 01.05.2024.