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Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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reden. -- Mit diesen Worten, die er so kalt redete, als legte er sie kahl gedruckt vor sie hin, wollte er aus dem Zimmer gehen. Aber im Umwenden sah er sie noch einmal an; ihre Augen trafen sich wieder. Nichts von Furchtsamkeit, von Bewegung lag in Emma's Blicken, sondern eine Ruhe, eine abweisende Kälte, eine Kühnheit, die ihn in seiner unklaren Hitze aufs Aeußerste steigerten. Hör' es jetzt! rief er aus, es steht in deiner Hand, mich von dir zu stoßen, aber erblicke ich ihn jemals da, wo ich gestanden habe, neben dir, so giebt etwas Anderes die Entscheidung als dein Wille!

Du willst ihn herausfordern? fragte sie kalt.

Ja, das will ich! Er hätte die Worte schreien können, aber die Stimme versagte ihm, er stieß sie tonlos beinahe heraus, und war verschwunden. Er stürzte wie sinnlos auf sein Zimmer, verriegelte die Thür, riß die Fenster auf, stand da und preßte die Hände gegen die Schläfen, gegen die das wilde Blut anschlug. Darauf setzte er sich an seinen Schreibtisch und tauchte die Feder ein. Mein Herr, schrieb er, Sie haben es für nöthig gefunden, noch einmal an Fräulein von --, meine Braut, Mittheilungen über die Gefühle zu machen, welche Sie ein Recht zu besitzen glauben, für sie zu hegen. Ich setze Sie hiermit in Kenntniß, daß, wenn Sie noch einmal den leisesten Versuch machen, diese Verhältnisse zu berühren, ich dies als eine directe Aufforderung an mich ansehen

reden. — Mit diesen Worten, die er so kalt redete, als legte er sie kahl gedruckt vor sie hin, wollte er aus dem Zimmer gehen. Aber im Umwenden sah er sie noch einmal an; ihre Augen trafen sich wieder. Nichts von Furchtsamkeit, von Bewegung lag in Emma's Blicken, sondern eine Ruhe, eine abweisende Kälte, eine Kühnheit, die ihn in seiner unklaren Hitze aufs Aeußerste steigerten. Hör' es jetzt! rief er aus, es steht in deiner Hand, mich von dir zu stoßen, aber erblicke ich ihn jemals da, wo ich gestanden habe, neben dir, so giebt etwas Anderes die Entscheidung als dein Wille!

Du willst ihn herausfordern? fragte sie kalt.

Ja, das will ich! Er hätte die Worte schreien können, aber die Stimme versagte ihm, er stieß sie tonlos beinahe heraus, und war verschwunden. Er stürzte wie sinnlos auf sein Zimmer, verriegelte die Thür, riß die Fenster auf, stand da und preßte die Hände gegen die Schläfen, gegen die das wilde Blut anschlug. Darauf setzte er sich an seinen Schreibtisch und tauchte die Feder ein. Mein Herr, schrieb er, Sie haben es für nöthig gefunden, noch einmal an Fräulein von —, meine Braut, Mittheilungen über die Gefühle zu machen, welche Sie ein Recht zu besitzen glauben, für sie zu hegen. Ich setze Sie hiermit in Kenntniß, daß, wenn Sie noch einmal den leisesten Versuch machen, diese Verhältnisse zu berühren, ich dies als eine directe Aufforderung an mich ansehen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:24:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:24:04Z)

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Zitationshilfe: Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_kind_1910/65>, abgerufen am 28.04.2024.