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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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geben, der Brunnen soll mir Wasser geben, das Wasser will ich dem Hühnchen bringen, das liegt auf dem Nußberg und will ersticken an einem großen Nußkern." Die Braut antwortete: "lauf erst und hol mir mein Kränzlein, das blieb an einer Weide hängen." Da lief das Hähnchen zur Weide und zog das Kränzlein von dem Ast und bracht es der Braut und die Braut gab ihm rothe Seide dafür, die bracht es dem Brunnen, der gab ihm Wasser dafür, da bracht das Hähnchen das Wasser zum Hühnchen, wie es aber hinkam, war dieweil das Hühnchen erstickt und lag da todt, und regte sich nicht. Da war das Hähnchen so traurig, daß es laut schrie, und kamen alle Thiere und beklagten das Hühnchen, und sechs Mäuse bauten einen kleinen Wagen, das Hühnchen darin zum Grab zu fahren, und als der Wagen fertig war, spannten sie sich davor, das Hähnchen aber fuhr. Auf dem Weg aber kam Fuchs: "wo willst du hin, Hähnchen?" -- "Jch will mein Hühnchen begraben." -- "Darf ich mitfahren?"

"Ja, aber setz dich hinten auf den Wagen,
vorne könnens meine Pferdchen nicht vertragen."

Da setzte sich der Fuchs hinten auf, dann der Wolf, der Bär, der Hirsch, der Löwe und alle Thiere in dem Wald. So ging die Fahrt fort, da kamen sie an einen Bach. " Wie sollen wir nun hinüber?" sagte das Hähnchen. Da war ein Strohhalm, der sagte: "ich will mich queer drüber legen, da könnt ihr über mich fahren;" wie aber die sechs Mäuse darauf waren, rutschte der Strohhalm und fiel ins Wasser, und die sechs Mäuse fielen alle hinein und ertranken. Die Noth ging von neuem an, da kam

geben, der Brunnen soll mir Wasser geben, das Wasser will ich dem Huͤhnchen bringen, das liegt auf dem Nußberg und will ersticken an einem großen Nußkern.“ Die Braut antwortete: „lauf erst und hol mir mein Kraͤnzlein, das blieb an einer Weide haͤngen.“ Da lief das Haͤhnchen zur Weide und zog das Kraͤnzlein von dem Ast und bracht es der Braut und die Braut gab ihm rothe Seide dafuͤr, die bracht es dem Brunnen, der gab ihm Wasser dafuͤr, da bracht das Haͤhnchen das Wasser zum Huͤhnchen, wie es aber hinkam, war dieweil das Huͤhnchen erstickt und lag da todt, und regte sich nicht. Da war das Haͤhnchen so traurig, daß es laut schrie, und kamen alle Thiere und beklagten das Huͤhnchen, und sechs Maͤuse bauten einen kleinen Wagen, das Huͤhnchen darin zum Grab zu fahren, und als der Wagen fertig war, spannten sie sich davor, das Haͤhnchen aber fuhr. Auf dem Weg aber kam Fuchs: „wo willst du hin, Haͤhnchen?“ — „Jch will mein Huͤhnchen begraben.“ — „Darf ich mitfahren?“

„Ja, aber setz dich hinten auf den Wagen,
vorne koͤnnens meine Pferdchen nicht vertragen.“

Da setzte sich der Fuchs hinten auf, dann der Wolf, der Baͤr, der Hirsch, der Loͤwe und alle Thiere in dem Wald. So ging die Fahrt fort, da kamen sie an einen Bach. „ Wie sollen wir nun hinuͤber?“ sagte das Haͤhnchen. Da war ein Strohhalm, der sagte: „ich will mich queer druͤber legen, da koͤnnt ihr uͤber mich fahren;“ wie aber die sechs Maͤuse darauf waren, rutschte der Strohhalm und fiel ins Wasser, und die sechs Maͤuse fielen alle hinein und ertranken. Die Noth ging von neuem an, da kam

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[404/0468] geben, der Brunnen soll mir Wasser geben, das Wasser will ich dem Huͤhnchen bringen, das liegt auf dem Nußberg und will ersticken an einem großen Nußkern.“ Die Braut antwortete: „lauf erst und hol mir mein Kraͤnzlein, das blieb an einer Weide haͤngen.“ Da lief das Haͤhnchen zur Weide und zog das Kraͤnzlein von dem Ast und bracht es der Braut und die Braut gab ihm rothe Seide dafuͤr, die bracht es dem Brunnen, der gab ihm Wasser dafuͤr, da bracht das Haͤhnchen das Wasser zum Huͤhnchen, wie es aber hinkam, war dieweil das Huͤhnchen erstickt und lag da todt, und regte sich nicht. Da war das Haͤhnchen so traurig, daß es laut schrie, und kamen alle Thiere und beklagten das Huͤhnchen, und sechs Maͤuse bauten einen kleinen Wagen, das Huͤhnchen darin zum Grab zu fahren, und als der Wagen fertig war, spannten sie sich davor, das Haͤhnchen aber fuhr. Auf dem Weg aber kam Fuchs: „wo willst du hin, Haͤhnchen?“ — „Jch will mein Huͤhnchen begraben.“ — „Darf ich mitfahren?“ „Ja, aber setz dich hinten auf den Wagen, vorne koͤnnens meine Pferdchen nicht vertragen.“ Da setzte sich der Fuchs hinten auf, dann der Wolf, der Baͤr, der Hirsch, der Loͤwe und alle Thiere in dem Wald. So ging die Fahrt fort, da kamen sie an einen Bach. „ Wie sollen wir nun hinuͤber?“ sagte das Haͤhnchen. Da war ein Strohhalm, der sagte: „ich will mich queer druͤber legen, da koͤnnt ihr uͤber mich fahren;“ wie aber die sechs Maͤuse darauf waren, rutschte der Strohhalm und fiel ins Wasser, und die sechs Maͤuse fielen alle hinein und ertranken. Die Noth ging von neuem an, da kam

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/468>, abgerufen am 29.04.2024.