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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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dürrbeinige Tod auf ihn zugeschritten, und sprach 'nimm mich zu Gevatter.' Der Mann fragte 'wer bist du?' 'Jch bin der Tod, der alle gleich macht.' Da sprach der Mann 'du bist der rechte, du holst den Reichen wie den Armen ohne Unterschied, du sollst mein Gevattersmann sein.' Der Tod antwortete 'ich will dein Kind reich und berühmt machen, denn wer mich zum Freunde hat, dem kanns nicht fehlen.' Der Mann sprach 'künftigen Sonntag ist die Taufe, da stelle dich zu rechter Zeit ein.' Der Tod erschien, wie er versprochen hatte, und stand ganz ordentlich Gevatter.

Als der Knabe zu Jahren gekommen war, trat zu einer Zeit der Pathe ein, und hieß ihn mitgehen. Er führte ihn hinaus in den Wald, zeigte ihm ein Kraut, das da wuchs, und sprach 'jetzt sollst du dein Pathengeschenk empfangen. Jch mache dich zu einem berühmten Arzt. Wenn du zu einem Kranken gerufen wirst, so will ich dir jedesmal erscheinen: steh ich zu Häupten des Kranken, so kannst du keck sprechen, du wolltest ihn wieder gesund machen, und giebst du ihm dann von jenem Kraut ein, so wird er genesen; steh ich aber zu Füßen des Kranken, so ist er mein, und du mußt sagen alle Hilfe sei umsonst, und kein Arzt in der Welt könne ihn retten. Aber hüte dich daß du das Kraut nicht gegen meinen Willen gebrauchst, es könnte dir schlimm ergehen.'

Es dauerte nicht lange, so war der Jüngling der berühmteste Arzt auf der ganzen Welt. 'Wenn er den Kranken nur ansieht, so weiß er schon wie es steht, ob er wieder gesund wird, oder ob er sterben muß,' so hieß es von ihm, und weit und breit kamen die Leute herbei,

dürrbeinige Tod auf ihn zugeschritten, und sprach ‘nimm mich zu Gevatter.’ Der Mann fragte ‘wer bist du?’ ‘Jch bin der Tod, der alle gleich macht.’ Da sprach der Mann ‘du bist der rechte, du holst den Reichen wie den Armen ohne Unterschied, du sollst mein Gevattersmann sein.’ Der Tod antwortete ‘ich will dein Kind reich und berühmt machen, denn wer mich zum Freunde hat, dem kanns nicht fehlen.’ Der Mann sprach ‘künftigen Sonntag ist die Taufe, da stelle dich zu rechter Zeit ein.’ Der Tod erschien, wie er versprochen hatte, und stand ganz ordentlich Gevatter.

Als der Knabe zu Jahren gekommen war, trat zu einer Zeit der Pathe ein, und hieß ihn mitgehen. Er führte ihn hinaus in den Wald, zeigte ihm ein Kraut, das da wuchs, und sprach ‘jetzt sollst du dein Pathengeschenk empfangen. Jch mache dich zu einem berühmten Arzt. Wenn du zu einem Kranken gerufen wirst, so will ich dir jedesmal erscheinen: steh ich zu Häupten des Kranken, so kannst du keck sprechen, du wolltest ihn wieder gesund machen, und giebst du ihm dann von jenem Kraut ein, so wird er genesen; steh ich aber zu Füßen des Kranken, so ist er mein, und du mußt sagen alle Hilfe sei umsonst, und kein Arzt in der Welt könne ihn retten. Aber hüte dich daß du das Kraut nicht gegen meinen Willen gebrauchst, es könnte dir schlimm ergehen.’

Es dauerte nicht lange, so war der Jüngling der berühmteste Arzt auf der ganzen Welt. ‘Wenn er den Kranken nur ansieht, so weiß er schon wie es steht, ob er wieder gesund wird, oder ob er sterben muß,’ so hieß es von ihm, und weit und breit kamen die Leute herbei,

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[256/0294] dürrbeinige Tod auf ihn zugeschritten, und sprach ‘nimm mich zu Gevatter.’ Der Mann fragte ‘wer bist du?’ ‘Jch bin der Tod, der alle gleich macht.’ Da sprach der Mann ‘du bist der rechte, du holst den Reichen wie den Armen ohne Unterschied, du sollst mein Gevattersmann sein.’ Der Tod antwortete ‘ich will dein Kind reich und berühmt machen, denn wer mich zum Freunde hat, dem kanns nicht fehlen.’ Der Mann sprach ‘künftigen Sonntag ist die Taufe, da stelle dich zu rechter Zeit ein.’ Der Tod erschien, wie er versprochen hatte, und stand ganz ordentlich Gevatter. Als der Knabe zu Jahren gekommen war, trat zu einer Zeit der Pathe ein, und hieß ihn mitgehen. Er führte ihn hinaus in den Wald, zeigte ihm ein Kraut, das da wuchs, und sprach ‘jetzt sollst du dein Pathengeschenk empfangen. Jch mache dich zu einem berühmten Arzt. Wenn du zu einem Kranken gerufen wirst, so will ich dir jedesmal erscheinen: steh ich zu Häupten des Kranken, so kannst du keck sprechen, du wolltest ihn wieder gesund machen, und giebst du ihm dann von jenem Kraut ein, so wird er genesen; steh ich aber zu Füßen des Kranken, so ist er mein, und du mußt sagen alle Hilfe sei umsonst, und kein Arzt in der Welt könne ihn retten. Aber hüte dich daß du das Kraut nicht gegen meinen Willen gebrauchst, es könnte dir schlimm ergehen.’ Es dauerte nicht lange, so war der Jüngling der berühmteste Arzt auf der ganzen Welt. ‘Wenn er den Kranken nur ansieht, so weiß er schon wie es steht, ob er wieder gesund wird, oder ob er sterben muß,’ so hieß es von ihm, und weit und breit kamen die Leute herbei,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/294>, abgerufen am 26.04.2024.